er den Palestrinastyl nur als Mittel, um für den Verein Mitglieder zu gewinnen; er hatte im Sinne, sobald er diese haben werde, wer de er die Mängel der Alten darlegen und zei gen, daß eigentlich nur die CäcilienvereinsCompositeure gute Vocalmusik schreiben können . . . Stehle, also eine andere Autorität des Vereines, sagte: „Es hat sich unter der cäcilianischen Aegide eine „Schnell-Buchfabrication" gebildet, die dem praktischen Be dürfnisse wohl entgegenkommen mag, aber dem Musiker oft herzlich langweilig wird." „Was man vielfach vermißt, ist Geist, Cha rakter, Individualität. . . Die Jungen wollen ein Absatzgebiet für ihre Waare, die nach Stehle keinen Geist und keinen Charakter hat, darum müssen nicht blos die österreichischen Componisten, sondern auch die alten Classiker her abgesetzt werden. Als Witt die Zusage aus verschiedenen österreichischen Kronlän dern für seinen Verein hatte, schrieb er mir vor Freude, daß mir in diesen Ländern der Boden für meine Zeitschrift entzogen ist. Das ist doch deutlich geredet, um was es sich bei ihm handelt: der deutsche Cäcilien-Verein will in Oesterreich dominiren, darum muß das österreichische herabgesetzt wer den. Die Oesterreicher sollen zur Ueberzeugung gebracht werden, daß Oesterreich auf Deutschland ansteht, ohne Deutschland nichts reformiren kann; darum Deutsch land über Alles! Daß die Reform aber vielfach keine Re form ist, wenn man nämlich an Stelle einer schlechten Instrumentalmusik eine Vocal musik ohne Geist gesetzt hat, ist doch klar. Reform bedeutet doch ein Setzen eines Bes seren an Stelle eines Schlechteren. Es haben also in diesen Fällen die Bettelleute doch nur ihre Stöcke ausgetauscht, wie man im Sprich worte sagt. Von der Musik Mozart's, Haydn's, Beethoven s kann hingegen Niemand be haupten, daß sie keinen Geist, keinen Cha rakter, keine Individualität besitze. Mozart's Requiem z. B. wiegt allein die ganze Cäcilien-Vereins-Literatur weit auf. Man zeige nur ein Werk aus dem deutschen Cäcilien-Vereine, das man mit ihm nur annä hernd, nur von Weitem vergleichen kann . . . Unsere Kirchenmusik ist katholisch nach ihrem Text, weil man sie auf der gan zen Welt versteht. . . Ein Bischof in Amerika sagte, wie ein Bischof in der Schweiz und wie ein Bischof in Oesterreich: „Die Cäcilianer thäten bes ser daran, wenn sie Werke Mozart's, Haydn '5 und Beethoven 's studiren würden, statt daß sie über dieselben schimpfen." Das ist wohl eine Forderung, die viele Cäcilianer nicht erfüllen können, weil — sie keine Bartitur lesen können . . . Wie viele können den C-Schlüssel lesen? . . . Ich glaube vielmehr, daß es in Oester reich besser stünde, wenn man in den letzten 20 Jahren „zusammengehalten" hätte, statt das Oesterreicher die Oesterreicher be kämpfen. Wenn Zwei streiten, freut sich der Dritte, und dieser ist in Deutschland drau ßen. Auf diesem Wege wird man in Oester reich auch in der Zukunft nichts erreichen, mag sich der deutsche Cäcilien-Verein ne uen, wie er will. . . Hat man denn in Deutschland ein Recht, so wegwerfend über Oesterreich zu schreiben? Ich habe schon gesagt, daß der Katalog des Vereines viel zu wünschen üb rig läßt. . . Ein hochgestellter Geistlicher schrieb mir: Dem Katalog kann man nicht trauen, man müßte sich ja Alles zuerst brin gen lassen, um selbst zu sehen, ob das wahr ist, was dort gesagt ist". . . Insbesondere Herr Haberl hätte alle Ur sache, seine Zeit auf eine bessere Redaction der Choralbücher zu verwenden. Die Kla gen, daß die einzelnen Ausgaben ein und desselben Buches nicht stimmen, werden immer mehr. Ja, in der deutschen Ausgabe seines Charwochenbuches ist ein und diesel-
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