OÖ. Heimatblätter 1985, 39. Jahrgang, Heft 1

nisses faßbar: die mangelnde Bereitschaft kirchlicher Kreise, sich mit aktuellen Entwick lungen auseinanderzusetzen, zieht notwendigerweise deren Rückzug ins „Provinzielle" nach sich, wie er auch in Oberösterreich sehr stark ausgeprägt ist. Es sei jedoch ange merkt, daß diese Betonung des provinziell-einfachen Elementes, das eine Verklärung naiver, „unschuldiger" Simplizität als ästhetische Qualität der „Anmut" darstellt, letzt lich romantischen Ursprunges ist und sich auch außerhalb der kirchlichen Kunst verschie dentlich wiederfindet. Die hier angeführten Textstellen, die sich vorwiegend auf den Problemkreis des der katholischen Kirche dieser Zeit eigenen Geschichtsverständnisses und ihres Verhält nisses zur Kunst beziehen, mögen lediglich Einblick in die Art und Weise der Auseinan dersetzung und in den „Stil" derselben bieten. Neben historischen Fragen waren es vor al lem Abgrenzungsprobleme sowie Fragen des Selbstverständnisses kirchlicher Kunst, die die meist anonymen Autoren beschäftigten. Man war bestrebt, in Äquidistanz zum einfa chen Handwerk und zur Kunstindustrie einen Weg zu definieren, der alle Antinomien, nicht zuletzt die von christlichem Kunstschaffen und dieses bedingender ökonomischer Grundlage, aufheben sollte. Darüber hinaus beschäftigte natürlich die für den Historis mus obligate Stildiskussion die Geister, wenn auch ihre Intensität für den oberösterreichi schen Raum vergleichsweise gering ausfällt. So sind die Christlichen Kunstblätter nur in der Anfangszeit als Sprachrohr einer doktrinären Neugotik in der Nachfolge August Reichenspergers anzusprechen. Diese Haltung dürfte, wie die gesamte Anlehnung an den rheinischen Kirchenhistorismus, wie sie in den Fünfziger- und Seehzigerjahren vorwie gend von Florian Wimmer und dem ersten Redakteur der Kunstblätter, dem früh verstor benen Moraltheologen Max Pammesberger (1820 — 1864) getragen wurde, ursächlich mit der Planung und beginnenden Verwirklichung des Dombaues in Zusammenhang ste hen, der durch die beherrschende Persönlichkeit des Architekten Vinzenz Statz die ganze Aufmerksamkeit der Kunstsachverständigen der Diözese auf die „kölnische Richtung" der Kirchenkunst gelenkt haben. Bereits ab den späten Sechzigerjahren — ein Artikel Wilhelm Paillers mit dem Titel „Ein Wort für die Malerei"^" markiert einen ersten Ansatz zur Wende - macht sich eine größere Offenheit gegenüber anderen Stilformen bemerk bar. Das in Oberösterreich durch die starke nachbarocke Tradition auch im Sakralbe reich erklärbare, weitgehend positive Verhältnis zur Barockkunst prädestinierte die Christlichen Kunstblätter zu einer entwicklungsgeschichtlich frühen Propagierung des Neubarock als kirchlichem Stil, die ab den Achtzigerjahren zu verfolgen ist. Der damali ge Redakteur Matthias Hiptmair sekundierte dem Grazer Theologieprofessor und pro minenten Kunstkritiker Johann Graus in seinen Bemühungen um eine Rehabilitierung der Barockkunst im kirchlichen Bereich^®, wie sie auch von der k. k. Zentralkommission in Wien massiv unterstützt wurde. Drei Jahre später erschien schließlich unter dem Titel „Roccoco und ,Stil' überhaupt"^® eine grundsätzliche Abhandlung, die einen gewissen Abschluß der Diskussion um eine Pluralität der stilistischen Erscheinung kirchlicher Kunstwerke bildet; das Nebeneinander unterschiedlicher „Stilmodi", die einer struktur ell unveränderten Grundform aufgelegt werden, darf somit seit dieser Zeit als selbstver ständlich bezeichnet werden. ChrKbll.7(1866). S.46. ChrKbll.27(1886). S. 19. ChrKbll.30(l889). S.81.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2