Geister und Verhältnisse durchdrungen und von außen unbeirrt schaffen konnte."® Das Unbehagen des Klerus mit dem historischen Geschehen setzt erst mit dem Ausgang des Mittelalters ein: Als aber der antike Geist wieder gegen den Geist des Christenthums auf stand, da fing die Kunst an, sich . . . vom Christenthum zu emancipiren . . . Auf Dante folgte Petrarca, auf die keuschen Maler folgten die Maler der Nacktheiten . . . Endlich gip felte die Renaissance durch eine providentielle Deductio ad absurdum in der Abge schmacktheit, daß es selbst einem verkommenen Geschlecht zuviel wurde und eine andere Wiedergeburt geschah unter dem Brausen manigfacher Stürme auf politischem und socialem Gebietefi Über die Kunst des Barock, die auch in Oberösterreich damals offiziell we nig geschätzt, aber nie in dem Ausmaß perhorresziert wurde, wie dies etwa in anderen Gebieten des deutschen Sprachraumes der Fall war,^° war man nach Meinung der Christ lichen Kunstblätter schließlich zum platten Akademismus der neuesten Zeit gelangt. Ein kurzer Artikel mit dem Titel; „Urbild (Ideal) des Schönen, für Christen" formuliert dies folgendermaßen: Die Forderung in den christlichen Staaten heißt jetzt: ein christlicher Künstler muß classisch, akademisch, heidnisch gebildet sein, und den Herrgott modele man nach dem Jupiter, Madonna nach irgendeiner Venus, für die Heiligen hat man die schönsten Vorbilder an Laokaon (sie!), Antinous, dem Fechter, dem Torso, Apollo vom Bellevedere, der Aphrodite Kallipygos und ähnlichen Gestalten, in welche die Alterthums freunde in entgeisterter Begeisterung entzückt tun. Der Autor findet dagegen folgende Lö sung: „Wo wird nun wohl das Urbild christlicher Schönheit zu finden sein? Nicht in den Ästhetiken, nicht einmal in Wieckelmann (sie!) und Lessing, sondern in dem, der in Al lem, also auch in der Kunst, uns Lehrer und Vorbild sein soll, in unserem Herrn und Hei lande Jesus Christus!"^^ Angesichts dieser extremen Position, die in scharfem Gegensatz zur allgemeinen Entwicklung der Zeit stand, ist die zunehmende Isolierung der Kirchen kunst vom „profanen" Kunstgeschehen verständlich. Gegen Akademismus und „Neu heidenthum" propagierte man von Seiten der Kirche den spezifisch „christlichen Künst ler", der von handwerklichen Grundlagen ausgehend, Naivität und Innigkeit des Schaf fens mit persönlich untadeliger Lebensführung verbinden sollte und in mittelalterlicher Manier bescheiden hinter sein allein ad maiorem gloriam dei geschaffenen Werk zurück treten mußte.Jede Erneuerung der Kunst konnte daher nach Meinung der Kunstblätter nicht mehr von den bereits moralisch kränkelnden „höheren Classen" ausgehen, sondern muß dem einfachen Volk und seinem Empfinden entspringen: Keine andere als die reli giöse Kunst entspricht dem Instinkt der Massen, der glücklicherweise nicht so leicht in die Irre zuführen ist, oder doch schnell seinen Schwerpunkt wiederfindet, wie der refiectirende Verstand der höheren Classen ... In einigen Landstrichen, wie z. B. den Tyrolerischen und Baierischen Hochgebirgen, dem Schwarzwalde, wo der akademische Mehltau noch nicht alles Wachsthum ertödtet hat, blüht diese Volkskunst in den Bildschnitzern noch fort, trotz aller Ungunst der Zeitverhältnisse und aller Verkehrtheit der herrschenden Ge schmacksrichtung.^^ Hier wird ein weiteres Charakteristikum kirchlichen KunstverständChrKbll.3(1862). S.2. A.a.O. S. 1. Die starke Präsenz des barocken Elementes, die sich im späteren 19. Jahrhundert in der Ausprägung des späthistoristischen Neubarock erneut manifestiert, dürfte als typisch oberösterreichische Konstante an zusprechen sein. ChrKbll. 13 (1872). S.2. Dissertation (zit. Anm. 1). S.312 — 316. ChrKbll. 16 (1875). S. 13f, 17f, 25f, 33f.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2