OÖ. Heimatblätter 1985, 39. Jahrgang, Heft 1

wobei weniger das „Ländliche Wohnen", über das bereits gute Untersuchungen vorliegen, als viel mehr die neuen „Industriesiedlungen" und „Arbei terkasernen" von besonderem Interesse wären, die aber relativ kurz behandelt werden. Das Verhältnis von „Wohnen und Einkommen" bringt wieder in teressante Details, so etwa, daß im lü. Jahrhundert selbst in vornehmsten Ringstraßenhäusern die Mie te pro Quadratmeter niedriger war als in Kleinstwohnungcn. Die Zusammenfassung dieser für jeden Hei matforscher, der sich mit der Geschichte unserer Alltagskultur auseinandersetzt, bedeutenden Ar beit steht unter dem Titel „Konsumgüterverbrauch und industrielle Revolution. Ein Ausblick". Sie schließt mit dem Passus: „Was im 18. Jahrhundert in den Anfängen diskutiert wurde, erleben wir heu te im Endstadium. Ein Fortgang der Prosperität ist nur gewährleistet, wenn der Tanz ums Goldene Kalb ständig neuer Bedürfnisse der Verbraucher anhält. Bedürfnisse lassen neue industrielle Pro dukte entstehen, die neuen Produkte ihrerseits er zeugen wieder neue Bedürfnisse. In populärer Ver allgemeinerung und Vergröberung nennen wir dies Zivilisation." Dietmar Assmann Paul Mesli, Franz Schreiber, Georg Wildmann (Hrsg.): Filipowa — Bild einer donauschwäbischen Gemeinde. Band5: Familienleben. Wien: Eigenverlag 1984. 240 Seiten. Leinen. S420,—. (Zu bestellen bei Paul Mesli, Ispergasse 20, A — 1210 Wien.) Heimweh klingt an, ist spürbar beim Durchle sen des Buches, aber kein Wort von Revanchismus kommt vor, nirgends läßt sich eine Anklage heraus lesen. Die Donauschwaben wollen die Erinnerung an ihre verlorene Heimat aufrecht erhalten. Das Dorf Filipowa soll wenigstens in Büchern erhalten bleiben. In der Reihe sind bis jetzt „Geschichte und Wirtschaft", „Gesellschaftsleben", „Kultur- und Gemeinschaftsleben", „Brauchtum" erschienen. Band ,5 ist der Familie gewidmet, nach eigener Aus sage einer der wichtigsten Faktoren im Dorfleben von einst. Die hierarchischen Strukturen blieben bis zur Vertreibung 1944 erhalten, die Familienmitglie der wußten, was gemäß ihrer Rolle von ihnen er wartet wurde. Denn es war entscheidend, in welche Familie man geboren wurde. Ein Auf oder Ab zwi schen den einzelnen Schichten war kaum möglich. Mit einer Ausnahme: die geistlichen Berufe. Für ih ren Kinderreichtum waren die Filipowaer noch in der alten Heimat bekannt und jede Familie wünsch te, daß ein Sohn Priester wurde und Töchter Geistli che Schwestern. Die liebevoll zusammengetragenen Familien photos lassen eine längst vergangene Welt wieder auferstehen. Einer der Verfasser, Paul Mesli. hat ei ne Dokumentation angelegt. Er hatte die Landsleu te in aller Welt ersucht, ihm ihre alten Photos zur Verfügung zu stellen. Das älteste Familienbild stammt aus dem Jahre 1894 und zeigt sehr gut die alte Tracht. Wie über haupt diese Bildereine Fundgrube für die Trachten forschung darstellen, da sie alle datiert sind. Sie ma chen einen Vergleich zwischen Bauern-, Handwer ker- und Tagelöhnertracht möglich. Auch wird in der schriftlichen Darstellung stets Bezug auf die Schichtung der Dortbewohner genommen und auf keinen Fall verallgemeinert, deutlich gemacht durch die Kapitelüberschriften: „Familienform und ständische Gliederung", „Ständische Unterschiede im Heiratsalter", „Handwerkliche Produktionswei se und Familienstruktur". Einen nicht geringen Teil umfaßt das Verzeich nis der „Weitergeschulten", die noch in Filipowa ge boren worden waren. Darunter werden alle jene verstanden, die eine über das dörfliche Bildungsan gebot hinausgehende Schulbildung erhalten hatten. Auf die „Intelligenz", wie diese Personengruppe ge nannt wurde, war und ist man immer noch beson ders stolz. Der Bildungswille der Dorfbewohner war überdurchschnittlich groß. Diese Schilderung der einstigen Dorfkultur ist eine Selbstdarstellung, die sich der Schwächen und Vorteile einer so starr gegliederten Gesellschaft aus heutiger Sicht durchaus bewußt ist. Eine Beweih räucherung einer versunkenen Welt wird nicht vor genommen, aber das Bewußtsein über die Vergan genheit seines Dorfes ist sicher mit ein Beitrag zur Identitätsfindung des einzelnen Heimatvertriebe nen. Elisabeth Schiffkorn Siegfried Kienzle: Schauspielführer der Gegenwart. Stuttgart: Kröner 1984. 686 Seiten. DM 38, — . ISBN 3-520-36904-4. Mit der 4. Auflage seines erstmals 1966 erschie nenen Schauspielführers (Modernes Welttheater) legt uns der gebürtige Grazer Verfasser Dr. Sieg fried Kienzle, seit 1979 Leiter der Theaterabteilung beim ZDF in Mainz, ein Handbuch für den Thea ter- und Literaturfachmann wie für Freunde zeitge nössischer Bühnenstücke vor. An ausführlichen In haltsangaben, die zudem gut lesbar sind, wie an edi torischer Sorgfalt läßt dieses neue Krönersche Ver lagswerk kaum Wünsche offen; dafür bürgt schon der Name des Verfassers. Er hat mit einer Disserta-

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