39. Jahrgang 200JAHRE
t rX^ OBEROSTERREICHISCHEt-. 39. Jahrgang 1985 Heft 1 Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreicb Rudolf Zinnbobler Wie Linz Bistum wurde Josef Honeder Das Kollegium Petrinum. Ein gescbicbtlicber Überblick Rudolf Zinnbobler Die Katboliscb-tbeologiscbe Hocbscbule Linz. Ein gescbicbtlicber Überblick Jobannes Ebner Das Linzer Ordinariatsarcbiv. Seine Aufgaben in Geschichte und Gegenwart Bernhard Prokiscb Die Christlichen Kunstblätter als Organ für die kirchliche Kunsttbeorie des 19. Jahrhunderts in Oberösterreich Johannes Ebner Die Christlichen Kunstblätter und ihre Redakteure (1860 - 1970) Ein kurzer Überblick Manfred Brandl Franz Seraph Freindallers Briefe an (Bischof) Gregorius Thomas Ziegler Josef Moser Zum Thema Kirchenmusik; Cäcilianische Bestrebungen in der Diözese Linz Margit Lengauer Die Entwicklung der kirchlichen Organisation der Diözese Linz von 1968 bis 1985
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Leiter: W. Hofrat Dr. phil. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexemplare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Wiss. Oberrat Dr. phil. Aldemar W. M. Schiffkom, Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in OÖ., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskultur zentrum Ursulinenhof), Tel. (0 73 2) 27 05 17 0* Jahresabonnement (4 Hefte) S 160,- (inkl. 10 % MwSt.) Hersteller: Buch- + Offsetdruck Friedrich Karrer, 4020 Linz, Reslweg 3 Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweihge Verfasser verantwortüch Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung Mitarbeiter DDr. Manfred Brandl, Konsulent, Kirchengasse 32, 4221 Steyregg Dr. Johannes Ebner, Diözesanarchivar, Harrachstraße 7, 4020 Linz GR Dr. Josef Honeder, Kollegium Petrinum, Petrinumstraße 12, 4040 Linz Dr. Margit Lengauer, Stadtplatz 4,4360 Grein Dr. Josef Moser, Traunsteinstraße 155, 4810 Gmunden cand, phil. Bernhard Prokisch, ChristianCoulinstraße 5, 4020 Linz Univ.-Prof. Dr. Rudolf Zinnhobler, Institut für Kirchengeschichte und Diözesangeschichte der Kath.-Theol. Hochschule, Harrachstraße 7, 4020 Linz Prof. Dr. Katharina Dobler, Muldenstraße 21, 4020 Linz Mag. Karl Mitterschiffthaler, Hafnerstraße 13, 4020 Linz W. Hofrat i. R. Prof. Dr. Aldemar Schiffkorn, Stockhofstraße 33a, 4020 Linz Mag. phil. Elisabeth Schiffkorn, Akaziengang 8, 4040 Puchenau ISBN 3-85-393-031-X Titelbild Schlüssel zum Linzer Dom, Stahlschnitt von Michael Blümelhuber 1924. Widmungsgabe des Landes Oberösterreich zur Domweihe. Zum 200-Jahr-Jubiläum der Diözese Linz am 25. Jänner 1985 von Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck an Diözesanbischof Maximi lian Aichern übergeben. Foto: Diözesanbildstelle
Wie Linz Bistum wurde Von Rudolf Zinnhobler Zumindest seit 739, dem Jahr, in dem der hl. Bonifatius das Stammesherzogtum Bayern kirchlich durchorganisierte, gehörte das Gebiet des heutigen Bundeslandes Oberösterreich zum Bistum Passau, das bald Ausmaße annehmen sollte, die es zur aus dehnungsmäßig größten Diözese des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation machten. Es waren nicht nur die organisatorischen und verwaltungstechnischen Proble me, sondern auch die politischen Verhältnisse, die für die österreichischen Anteile der Riesendiözese, die sich bis an die ungarische Grenze erstreckte, Verselbständigungstendenzen aufkommen ließen. Sie kamen aber nie recht zum Tragen. Erst unter der tatkräf tigen Regierung des jungen Monarchen Joseph II. wurde auf Realisierung dieser alten Pläne gedrängt. Der Kaiser nahm aber immerhin Rücksicht auf den greisen Passauer Oberhirten Kardinal Leopold Ernst Graf von Firmian (1763 - 1783). Als dieser jedoch am 13. März 1783 um 3 Uhr früh seine Augen schloß, ging Joseph 11. sofort an die Errich tung der Bistümer Linz und St. Pölten, ohne die Zustimmung durch Rom und Passau ein zuholen oder auch nur entsprechende Kontakte mit diesen kirchlichen Instanzen aufzu nehmen. Schon hatten Eilboten in Passau gewartet, um die Nachricht vom Tod Firmians den interessierten Stellen weiterzuleiten. Sie traf am 15. März in Wien ein. Sofort ernann te der Kaiser den bisherigen Passauer Offizial in Wien, Emest Johann N. Reichsgraf von Herberstein, zum „Bischof von Linz und ganz Oberösterreich". Wenige Stunden später wurden der Diözese Passau alle Jurisdiktionsakte im Lande untersagt. Am Tag darauf wurde Herberstein sein Ernennungsdekret überreicht. Das Schreiben ist überaus charakteristisch für das josephinische System. Es handelt sich um eine formlose, briefliche Mitteilung der kaiserlichen Kanzlei. Sie enthält den bezeichnen den Passus, der Bischof möge „den Bischöflichen Obliegenheiten in dieser neuen Dioeces sich sogleich unterziehen, und daher seine Residenz zu Linz, wozu auch seiner Zeit der behörige Platz wird angewiesen werden, ehestens antretten, und übrigens das diesfalls et wa weiters Nöthige zu Rom selbst zu besorgen werde bedacht seyn wollen". Das heißt im Klartext nichts anderes, als daß Herberstein den Auftrag erhielt, die Leitung des Bistums sofort zu übernehmen, obwohl noch nicht einmal für eine bischöfliche Residenz gesorgt war. Wie unbekümmert man hinsichtlich der Zustimmung des Papstes (kanonische Er richtung) war, beweist die Aufforderung an den neuen Bischof, die ganze Angelegenheit („das diesfalls etwa weiters Nöthige") selbst mit Rom zu regeln. Es ging also alles sehr schnell. Eine formelle staatliche Errichtung des Bistums er folgte damals übrigens gar nicht, sie wurde erst mit Urkunde vom 18. Jänner 1789 (!)
nachgeholt. Dieses Dokument gelangte außerdem nie nach Linz, sondern wird bis heute in Wien verwahrt. Herberstein, der schon 1767 die Bischofsweihe als Freisinger Weihbischof erhal ten hatte, stand nun vor einer schwierigen Situation. Er wollte loyal gegen Rom sein, hat te aber anderseits den kaiserlichen Auftrag, sofort sein neues Amt anzutreten. Tatsäch lich zögerte er mit der Übersiedlung nach Linz, offenbar um das Einlangen der päpstli chen Bullen abzuwarten. Dadurch zog er sich aber in manchen „aufgeklärten" Kreisen herben Tadel zu. Man bezichtigte ihn der Illoyalität gegenüber dem Kaiser. Am 4. Juli 1784, also Fünfvierteljahre nachdem Fassau vom Kaiser alle Jurisdiktionsakte über das oberösterreichische Territorium untersagt worden waren, kam endlich ein Vertrag zwi schen Joseph II. und dem neuen Passauer Fürstbischof Joseph Anton von Auersperg (1783 — 1795) zustande, wodurch dieser auf die Ausübung von Diözesanrechten in Öster reich ob und unter der Enns Verzicht leistete. Das war aber nicht das gleiche wie die Ge bietsabtretung („Zessation"), die noch lange auf sich warten lassen sollte und erst nach mehrmaligen konfliktgeladenen Interventionen Herbersteins am 20. April 1785 erfolgte. So lange aber hatte Herberstein schon mit Rücksicht auf die Oberösterreicher nicht mit der Übersiedlung nach Linz warten können. Er nahm diese im Oktober 1784 vor. Am 28. Jänner 1785 wurde im „Nachziehverfahren" endlich auch die päpstliche Errichtungsurkunde („Romanus Pontifex") für das neue Bistum ausgestellt. Die römi sche Bestätigung Herbersteins zum Diözesanbischof trägt sogar erst das Datum vom 14. Februar 1785. Wie schon gesagt wurde, hatte damals aber Passau immer noch die Ge bietsabtretung nicht vollzogen. Das führte zu einer Auseinandersetzung in der Karwoche 1785. Da sich Herberstein bereits für den rechtmäßigen Bischof hielt, wollte er die Weihe der Heiligen Öle „in eigener Vollmacht" (potestate propria) durchführen und kündigte das den Dechanten seiner Diözese auch an. Dagegen erinnerte der Passauer Fürstbischof Auersperg mit Schreiben vom 23. März - dem Vortag (!) der Ölweihe - Herberstein daran, daß er hierzu „nicht die mindeste Befugniß" habe. Herberstein führte die Ölweihe trotzdem durch und bestand die Kraftprobe mit seinem Passauer Kollegen. Am 20. April unterzeichnete Auersperg endlich die Zessationsurkunde. Der längst fälligen Inthronisation Herbersteins stand nun nichts mehr im Wege. Nach der Mit te März erteilten kaiserlichen Genehmigung des vorgesehenen Zeremoniells wurde die Regelung der Einzelheiten dem Einvernehmen zwischen dem obderennsischen Regie rungspräsidenten und dem Bischof überlassen. Die feierliche Inthronisation war für Sonntag, 1. Mai 1785, angesetzt. Am Tag zuvor, um 10 ühr, fanden sich Regierungsrat Eybel sowie der Bürgermeister von Linz in der Domkirche ein, um eine letzte Inspektion vorzunehmen, ob man den staatlichen Vorschriften auch wirklich entsprochen habe. Auch das ist typisch für die Zeit des Josephinismus. Mit der offiziellen Amtsübernahme waren keineswegs alle offenen Fragen ge klärt. Selbst das Diözesangebiet stand nicht zweifelsfrei fest. Nach dem Willen des Kai sers sollte die neue Diözese genau mit dem Land ob der Enns übereinstimmen. Bei Durchführung dieses Projektes ging man jedoch erschreckend leichtfertig vor. Aus Pas sau wurde ein „Elenchus" über das abzutretende Gebiet angefordert. Das dort am 26. Oktober 1784 unterfertigte Dokument war aber nur ein Auszug aus den alten Bistumsma trikeln und erfaßte daher das sogenannte „Offizialat ob der Enns", das aber auch noch die ehemals passauischen Pfarren Aussee und Straßwalchen, vor allem aber die zahlreichen zum Dekanat Enns gehörenden Pfarrorte in Niederösterreich (Mostviertel) betraf, üm-
gekehrt fehlte das ehemals zum Erzbistum Salzburg gehörende Gebiet der Altpfarre Ostermiething und andere benachbarte Pfarren. Der Elenchus war also alles eher als ein verläßliches Verzeichnis der Pfarreien im Land ob der Enns und daher als Beschreibung des neuen Diözesangebietes völlig ungeeignet. Die notwendigen Korrekturen konnten erst später in mühsamen Verhandlungen erfolgen. Was die bischöfliche Dotation betrifft, so war ursprünglich ein Jahresgehalt (aus zuzahlen in vier Raten) von 12.000 fl. vorgesehen. Später sollte die Umwandlung der ur sprünglichen Gelddotation in eine Realdotation erfolgen, was aber erst Herbersteins Nachfolger Gall zuwege brachte. Das einzurichtende Domkapitel sollte, um Geld zu sparen, nach einem Vor schlag der Regierung vom 30. Mai 1783 aus den Konventualen des Stiftes Kremsmünster rekrutiert werden. Schließlich entschied sich jedoch der Kaiser für sieben Domherrn aus dem Weltpriesterstand, die ab 1783 nominiert wurden, ohne daß für ihre Unterkunft schon gesorgt gewesen wäre. Bezüglich der Domkirche und des Bischofshofs hatte Kaiser Josef II. am 29. Jän ner 1784 verfügt: „Die Linzerpfarrkirche ist zur Domkirche zu bestimmen und das große und nicht nothwendige Haus vom Kremsmünster'schen Stift, so sich in Linz befindet, ist dem Bischofen zu seiner Residenz ... zu widmen". Während Herberstein mit der ihm angewiesenen Residenz einverstanden war, schlug er als Kathedrale die Jesuitenkirche, die hiefür weit besser geeignet war, vor. Die ses Gesuch genehmigte der Kaiser am 4. Dezember 1784. Daß man in der Frage der Domkirche eine Änderung vorgenommen hatte, wurde Rom nicht einmal mitgeteilt. So kommt es, daß in der päpstlichen Errichtungsbulle vom 28. Jänner 1785 noch die Stadt pfarrkirche von Linz als Kathedrale aufscheint. Erst Bischof Gregorius Thomas Ziegler (1827 — 1852) fand es der Mühe wert, sich durch Rom die Jesuitenkirche als Domkirche bestätigen zu lassen (18. Juni 1841). Auf dem knappen Raum, der für unsere Darstellung zur Verfügung steht, konn ten nur einige der Probleme angedeutet werden, die bei der abrupten Bistumsgründung noch offen blieben. Die ersten Jahre der neuen Diözese waren jedenfalls, kirchlich gese hen, alles eher als ruhige Zeiten. Bischof Herberstein versuchte, die anstehenden Fragen mit Umsicht zu lösen und entstandene Konflikte mit der Mutterdiözese Passau und den politischen Instanzen zugunsten des neuen Bistums Linz auszutragen. Die Quellen lassen den ersten Bischof als eine profilierte Persönlichkeit erken nen, die ihre Ziele mit Zähigkeit verfolgte. Für das junge Bistum sehr wichtige Angele genheiten konnten schon unter seiner Regierung positiv erledigt werden. So gelang unter seiner tatkräftigen Mithilfe die juridische Absicherung der Bistumsgründung, die Ab grenzung des Diözesanterritoriums, die Errichtung des Domkapitels, die Bestimmung der Domkirche und der bischöflichen Residenz etc. Dem Bischof war jedoch für sein Wirken in Linz nur ein knapper Zeitraum zuge messen. Er starb am 17. März 1788 (fast genau fünf Jahre nach seiner Ernennung durch Kaiser Joseph II. und knapp drei Jahre nach seiner Inthronisation) an den Folgen eines Aderlasses. Seine kurze Amtsdauer macht es verständlich, daß dem Nachfolger noch viel zu tun übrig blieb. So mußten z.B. die bischöflichen Dotationsgüter erst ausgehandelt, ein Priesterseminar errichtet und eine neue Gottesdienstordnung durchgeführt werden. Bei der Energie, mit der Herberstein in der schwierigen Phase des Neubeginns ans Werk gegangen war, hätte man, wäre er länger Bischof gewesen, voraussichtlich mit einer noch
größeren Erfolgsbilanz rechnen dürfen. So aber war es erst seinem Nachfolger Joseph Anton Gall (1788 - 1807) gegönnt, die Konsolidierung der Diözese herbeizuführen, wes halb er oft als der „eigentliche Organisator des Bistums Linz" bezeichnet wird. Weiterführende Literatur zur Diözesangeschichte Heinrich Ferihumer: Erläuterungen zum historischen Atlas der österreichischen Alpenländer. II. Abt: Die Kirchen- und Grafschaftskarte. V.Teil: Oberösterreich. Wien 1956. Oers.: Die kirchliche Gliederung des Landes ob der Enns im Zeitalter Kaiser Josefs II. Haus Österreich und Hochstift Passau in der Zeitspanne von 1771 bis 1782. (= Forschungen zur Geschichte Oberöster reichs 2). Linz 1952. Ders.: Die Seelsorgestationen der Diözese Linz (= Austria Sacra. I.Reihe. II.Band. 4.Lieferung). Wien 1974. Mathias Hiptmair: Geschichte des Bistums Linz. Linz 1885. Rudolf Hitlmair: Der josefinische Klostersturm im Land ob der Enns, Freiburg i. Br. 1907. Harry Slapnicka: Oberösterreich unter Kaiser Franz Joseph 1861 — 1918. Linz 1982. Ders.: Oberösterreich von der Monarchie zur Republik 1918 — 1927, Linz ^1975, Ders,: Oberösterreich zwischen Bürgerkrieg und „Anschluß" 1927 — 1938, Linz 1975, Ders,: Oberösterreich als es „Oberdonau" hieß 1938 — 1945, Linz 1978, Ders,: Christlichsoziale in Oberösterreich, Linz 1984, Kurt Wimmer: Liberalismus in Oberösterreich, Linz 1979, Rudolf Zinnhobler — Margit Lengauer: Beiträge zur Geschichte der kirchlichen Organisation in Oberöster reich, (= Forschungsbericht zur Karte „Entwicklung der kirchlichen Organisation" im „Atlas von OberÖsterreich", 4, Lieferung, 4 Karten, 6 Listen), In: Veröffentlichungen zum Atlas von Oberösterreich. Bd. 8. Linz 1970. Rudolf Zinnhohler: Die Passauer Bistumsmatrikeln für das westliche Offizialat. (= Neue Veröffentlichung des Institutes für Ostbairische Heimatforschung Nr. 31 a, b u.c. Band 1: Einleitung. Die Archidiakonate Passau und Interamnes, Passau 1978, - Band 2: Die Archidiakonate Lorch, Mattsee und Lambach, Passau 1972, - Band 3: Register,) Passau 1984, Ders,: Beiträge zur Geschichte des Bistums Linz, {= Linzer Phil,-theol, Reihe. Bd.8). Linz ^1978. Ders.: (Hg.) Das Bistum Linz im Dritten Reich. (= Linzer Phil.-theol. Reihe. Bd. 11). Linz 1979. Ders.: (Hg.) Theologie in Linz. (= Linzer Phil.-theol. Reihe. Bd. 12). Linz 1979. Ders.: (Hg.) Lorch in der Geschichte. (= Linzer Phil.-theol, Reihe, Bd, 15), Linz 1981. Neues Archiv für die Geschichte der Diözese Linz: 1. Jg. (1981/82). 2. Jg. (1982/83). 3. Jg. (1983/84). In Vorbereitung Kirche in Oberösterreich — 200 Jahre Bistum Linz. Katalog zur Landesausstellung in Garsten. Hg. Land Oberösterreich. Linz 1985. Rudolf Zinnhobler (Hg.): Die Bischöfe von Linz. Linz: OÖ. Landesverlag 1985,
Das Kollegium Petrinum Ein geschichtlicher Üherblick Von Josef Honeder Erste Versuche zur Grüudung eiues Knabenseminares Der geringe Bildungsstand des Klerus war zweifellos eine wichtige Ursache für die rasche Verbreitung des Protestantis mus im 16. Jahrhundert. Um in Zukunft dem Protestantismus erfolgreich entgegen treten zu können, mußte ein Hauptanlie gen der katholischen Reform eine gediege ne Priesterausbildung sein. Das Konzil von Trient verpflichtete die Bischöfe, in ihren Diözesen Priester- und Knabenseminare zu errichten. Der Weg vom Beschluß bis zur Ausführung war aber weit. Bald nach Beendigung des erberöster reichischen Bauernkrieges gründeten die Jesuiten im Auftrag des österreichischen Landesfürsten 1628 eine Anstalt zur Her anbildung von Priesterstudenten. Ab 1632 befand sich dieses „Ignatiusseminar" in der Domgasse in jenem Haus, das heute Besitz des Oberösterreichischen Volkskredites ist. Eine zweite Anstalt dieser Art ent stand 1651 ebenfalls durch die Jesuiten in Steyr unter dem Namen „Seminar zu den heiligen Schutzengeln". An diesen beiden Anstalten besorgten während der Barockzeit durch rund 150 Jahre Jesuiten die Erziehung und den Un terricht der Knaben, die Priester werden wollten. Dem Geist der Aufklärung, dem zwar die Diözese Linz ihre Gründung verdankt, fielen diese beiden Anstalten 1785 zum Op fer. Erst im Revolutionsjahr 1848 gelang dem vierten Bischof von Linz, Gregorius Thomas Ziegler, die Gründung eines bi schöflichen Knabenseminares an der Ecke Kapuzinerstraße - Steingasse. Es trug den Namen „Gregorianum" und beherbergte nur sechs bis acht Studenten, die das Gym nasium in Linz besuchten. Um eine Vergrößerung dieser Anstalt zu erreichen, wurde der Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian ge beten, die Räumlichkeiten im runden Turm am Freinberg, wo die Jesuiten vor 1848 eine Niederlassung hatten, dem Kna benseminar zur Verfügung zu stellen. Der Erzherzog machte seine Zusage von der Erfüllung der Bedingung abhängig, daß Je suitenpatres den Studenten Hausunterricht erteilen und sie so für die Schlußprüfungen am k.k. Gymnasium in Linz vorbereiten. Mit 12. März 1851 wurde der Studien betrieb auf dem Freinberg eröffnet. Die Leitung dieses Knabenseminares lag in den Händen der Jesuiten, während der Bischof durch einen Domherrn die Oberaufsicht führen durfte. Die Zahl der Studenten stieg rasch an. 1860 erhielt das „Bischöfliche Gymnasium am Freinberg" das Recht, staatsgültige Zeugnisse auszustellen und Maturaprüfungen abzunehmen. Somit
schien die Existenz eines Knabenseminares für die Zukunft gesichert zu sein. Belastend für die Anstalt wurde aber ein von 1861 bis 1865 dauernder Rechts streit zwischen Bischof Rudigier und der Gesellschaft Jesu. Die Jesuiten hatten die Anstalt zu ihrem Konvikt erklärt, während der Bischof am Recht eines diözesaneigenen Seminares festhielt. Noch schwerer traf das Seminar am Freinberg in der Zeit des kirchenfeindlichen Liberalismus der Entzug des Öffentlichkeits- und Reifeprüfungsrechtes im Jahre 1868. Die Freinberger Studenten mußten in Zukunft vor fremden Professoren am Staatsgymnasium in Linz ihre Matura able gen. Dies hatte zur Folge, daß nicht wenige Studenten vorzeitig die Anstalt verließen. Die Zahl der Priesterstudenten am Frein berger Knabenseminar ging stark zurück. Als Bischof Franz Maria Doppelbauer 1889 die Leitung der Diözese übernahm, war der Priestermangel drückend. Mit viel Energie und Umsicht griff der Bischof nun den Plan auf, ein großes, den Frfordernis sen der Kirche entsprechendes, Knabense minar zu gründen. Im November 1893 setzte der Bischof die Öffentlichkeit von diesem Vorhaben in Kenntnis. Diesem zu errichtenden Kna benseminar sollte ein humanistisches Gym nasium mit Öffentlichkeitsrecht angeglie dert werden. Die Gründung des Kollegium Petrinum und seine erste Blüte (1894 bis 1914) Als entfernte Vorbereitung zur Grün dung eines bischöflichen Knabenseminares stellte der Bischof begabte Weltpriester zum Universitätsstudium frei und ließ in Linz und in Freistadt Studentenkonvikte gründen. 1894 konnten durch Ankauf mehrerer Bauerngüter am Fuß des Pöstlingberges die notwendigen Bau- und Wirt schaftsgründe im Ausmaß von ungefähr 100 Joch gesichert werden.
Stand der Bauarbeilen im Oktober 1895 Nach eingehenden Beratungen wurde im Frühjahr 1895 mit dem Riesenbau be gonnen. Am 29. Juni 1895 nahm der Bi schof den Spatenstich vor. Das Holzkreuz, das zu diesem Anlaß auf der Baustelle er richtet wurde, befindet sich heute auf dem Gang der Volkskapelle. Durch die Bestellung von P. Lambert Guppenberger zum Direktor des neuen Knabenseminares erhielt dieses einen sehr fachkundigen und tatkräftigen Leiter. Am 30. Mai 1896 gab der Bischof den Namen des neuen Knabenseminares be kannt. Mit dem Namen „Petrinum" bekun dete der Bischof in der Zeit der Los-vonRom-Bewegung die enge Verbundenheit der Diözese mit Rom. Das Fest der Grund steinlegung wurde am 2. Juli 1896 beganai p. i ,■.. M Feierliche Grundsteinlegung durch Bischof Doppelbauer am 2. Juli 1896 "i
gen. Der Grundstein stammt aus dem Fel sen am Ölberg und wurde in der gangseitigen Wand des Festsaales eingemauert. Er trägt die Inschrift „Petra ex Gethsemani". In kaum zwei Jahren wurde der gewaltige Bau aufgeführt, der eine Länge von 95.90 m und eine Breite von 80 m aufweist. Die Mauern mit den drei Stockwerken ha ben an der Südseite eine Höhe von 18 m und an der Nordseite eine Höhe von 22.50 m. Die Fensterzahl beträgt 957. Die gesamte Bausumme bezifferte sich auf 2,065.200 Kronen. Die Mittel dafür stammten zum Großteil aus Spenden von Volk und Klerus der Diözese. Bischof Doppelbauer war es gelungen, das erwachte Selbstbewußtsein des gläubi gen Volkes nach der Zeit des kulturkäm pferischen Liberalismus in einem großen Werk zum Ausdruck zu bringen. Bischof, Klerus und Volk waren bei der Gründung des neuen Knabenseminares zusammenge standen. Der Geist der Opferbereitschaft, der die Diözese ergriffen hatte, war die Voraussetzung für die Weckung zahlrei cher Priesterberufe. Von großer Bedeu tung war es auch, daß man sich bei der Er richtung des Petrinums nicht mit einem Provisorium abfand, sondern großzügig dachte. Die Heranbildung des künftigen Klerus sollte in Zukunft nicht in Ghettoen ge, sondern im Bewußtsein geistiger Gleichberechtigung erfolgen. Am Todes tag der heiligen Theresia vom Kinde Jesu zogen am 30. September 1897 die Studen ten in die neue Anstalt. Das Petrinum be herbergte damals bereits 340 Studenten. Die Kompetenzfrage im Haus wurde durch den Bischof folgenderart geregelt: Ein Direktor hatte die Lehranstalt zu lei ten, ein Generalpräfekt erhielt die Füh rung des Internates, ein Verwalter wurde mit der Regelung der materiellen Angele genheiten betraut und ein Domherr hatte als bischöflicher Kommissär die Wünsche des Bischofs und der Diözese wahrzuneh men. Den Höhepunkt im 1. Schuljahr bilde te die feierliche Einweihung des Hauses am 2. und 3. Mai 1898. An dieser Feier nah men neben vielen anderen Festgästen zwei Kardinäle, drei Bischöfe und die Äbte der oberösterreichischen Stifte teil. »1 ( Das Petrinum nach einer Zeichnung vom Jahre 1895
Mit 30. Dezember 1899 wurde dem bi schöflichen Privatgymnasium zunächst für die Dauer von drei Jahren das Öffentlichkeits- und Reifeprüfungsrecht verliehen. Diese beiden Rechte erhielt das Petrinum mit Erlaß des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 15. Jänner 1903 auf Dauer zuerkannt, solange die gesetzlichen Bedin gungen erfüllt werden. Den Gründer des Petrinums, Bischof Doppelbauer, erfüllte das Aufblühen der Anstalt mit innerer Freude. Mit Stolz zeig te er als Schulerhalter in Linz weilenden Bi schöfen der Monarchie und anderen hoch gestellten Persönlichkeiten das Haus. Als besondere Auszeichnungen für das Haus können die Besuche der Kaisertochter Erz herzogin Maria Valerie mit ihrem Gemahl im Mai 1901 und Seiner Majestät des Kai sers Franz Joseph I. am 3. Juni 1903 ange sehen werden. Dieser rasch aufgeblühten Anstalt, in der neben den schulischen Anforderungen auch die Ausbildung der Studenten in Sport, Musik und Theaterspiel einen brei ten Rahmen einnahm, bereitete der Gang der Weltgeschichte ein rasches, wenn auch nur vorübergehendes Ende. Am Sonntag, dem 28. Juni 1914, sollte im Petrinum eine Gedenkfeier an die Jahre 14, 814 und 1814 abgehalten werden. In Reden, Gedichten und Musikstücken soll te die Bedeutung von Kaiser Augustus, Karl dem Großen und der Sturz Kaiser Na poleons gewürdigt werden. Kurz vor Be ginn dieser Feier traf die Nachricht von der Ermordung des Thronfolgerehepaares in Sarajevo ein. Die geplante Feier wurde ab gesagt und auf eine spätere Zeit verscho ben. Wegen des unterdessen ausgebroche nen Weltkrieges kam diese Feier nicht mehr zustande. Jahre der Verbannung und Heimkehr (1914 bis 1920) Unmittelbar nach Ausbruch des I. Weltkrieges wurde im Petrinum ein Militär-Reservespital für verwundete Soldaten eingerichtet. Da das Knabenseminar während des Krieges weitergeführt werden sollte und im Raum von Linz kein geeignetes Gebäude zu bekommen war, wurde folgende Notlö sung getroffen: Die Studenten der 4. bis S.Klasse fanden Unterkunft in den Räu men des ehemaligen Benediktinerstiftes Gleink, das dem Bischof als Sommersitz diente, während die ersten drei Klassen im Stift Schlierbach untergebracht wurden. Die Opfer und die Einschränkungen, die sich in dieser Zeit Studenten, Erzieher und Professoren auferlegen mußten, waren groß. Zur allgemeinen Raumnot kam das Fehlen von Schulbehelfen, Sportplätzen, Bädern, Heizmaterial und Lebensmitteln in ausreichender Menge. Die Zahl der Studenten im Obergym nasium sank durch die Einberufungen rasch. Von den 171 eingerückten Studen ten fanden 22 den Tod. Während des Krie ges verringerte sich die Studentenzahl um die Hälfte und betrug bei Kriegsende nur mehr 199. Infolge der schlechten Ernährungslage brach unter den Studenten in Gleink und Schlierbach im Oktober und November 1918 eine gefährliche Grippeepidemie aus, die sogar ein Todesopfer forderte. Vor übergehend mußte der Unterricht einge stellt werden. Da wegen der allgemeinen Radikali sierung nach Kriegsende die Sicherheit der Studenten in Gleink nicht mehr gegeben war, wurden die Schüler in der Zeit vom II. bis 21. Jänner 1919 nach Hause ge schickt. Für den Bischof war es eine große Ent täuschung, als nach Kriegsende das Gebäu-
r i#; Verwundete Soldaten im Militär-Reservespital Petrinum während des I. Weltkrieges de des Petrinums der Diözese nicht zu rückerstattet wurde. Das Haus blieb wei terhin teilweise Reserve-Spital, teilweise diente es als „Zerstreuungsstation" für Heimkehrer und als Schulungsheim für Kriegsbeschädigte. Vorübergehend be stand der Plan, im Haus Mietwohnungen einzurichten. Da deshalb eine baldige Rückkehr der Anstalt nach Linz zweifelhaft schien und man einer längeren Trennung in zwei Ab teilungen ein Ende setzen wollte, wurde das Petrinum im Herbst 1919 in das völlig leerstehende Gebäude der ehemaligen Militär-Unterrealschule nach Enns verlegt. In dieser Zeit traf der Bischof eine wichtige Entscheidung in der Anstaltsfüh rung: Dr. Johann Zöchbaur, der seit 19(X) bereits Direktor des Gymnasiums war, er hielt als Regens die Gesamtleitung der An stalt. Damit wurden die Agenden der Re gentie und der Direktion in einer Hand ver einigt. Das Amt eines bischöflichen Kom missärs wurde aufgelassen. Durch die Übersiedlung nach Enns war zwar die gesamte Anstalt wieder verei nigt worden, aber bald auftretende Mängel ließen diese Entscheidung nicht als Dauer lösung erscheinen. Im April 1920 wurde von der Regie rung in Wien der Plan aufgegriffen, im Ge bäude der ehemaligen Militär-Unterrealschule in Enns eine staatliche Erziehungs anstalt oder eine Heeresführerschule zu er richten. Damit setzten von der Bundesre gierung Bestrebungen zur Rückgabe des Petrinums ein. Eine Kommission unter Vorsitz des Landeshauptmannes Johann Nepomuk Hauser beschloß am 12. April 1920 die Freigabe des Petrinums für den ursprüngli chen Zweck. Nun stand einer Rückkehr ins eigene Haus nichts mehr im Wege, wenn auch Vertreter der Linzer Sozialdemokratischen Partei die Verlegung der Brünner Techni schen Hochschule oder der Wiener Hoch schule für Bodenkultur ins Petrinum lieber gesehen hätten.
Neuerliche Blüte der Anstalt (1920 bis 1938) Am 20. September 1920 zogen 242 Stu denten wieder ins Petrinum ein. Trotz mancher Anfangsschwierigkeiten konnten Internat und Schule die Kriegsschäden im eigenen Haus rasch überwinden und den früheren Stand erreichen. Zum Dank für die glückliche Rück kehr stellte der Bischof das Haus und seine Bewohner in einer Feier im Februar 1921 unter den besonderen Schutz des heiligen Herzen Jesus. Daran erinnert noch heute eine Herz-Jesu-Statue in der Nische über dem Grundstein des Hauses. Vom 11. bis 13. Oktober 1922 wurde das 25jährige Bestandsjubiläum des Petrinums festlich begangen. Die Feier trug ei nen ausgesprochen familiären Charakter. Ein Mittagessen im Festsaal vereinte 150 ehemalige Petriner mit ihren Erziehern und Professoren. Der Direktor gab zu die sem Anlaß eine umfangreiche Festschrift heraus. Das Fest der Domweihe vom 29. April bis I.Mai 1924, an dem die Studenten re gen Anteil nahmen, warf seinen Glanz auch auf das Petrinum. Am 2. Mai besuch ten der Päpstliche Legat Kardinal Frühwirth und Kardinal Faulhaber von Mün chen die Anstalt. Am 4. Oktober 1926 brach um 2.30 Uhr im Meierhof ein Brand aus, dem das ganze Wirtschaftsgebäude zum Opfer fiel. In baulicher Hinsicht wurde in der Zwischenkriegszeit besonderer Wert auf die Neuausstattung der Studenten- und der Volkskapelle gelegt. Zwischen 1927 bis 1930 erhielten die drei Seitenaltäre, der Al tar des heiligen Aloisius, des heiligen Franciscus Salesius und des heiligen Karl Borromäus, neue Altaraufsätze in Form von Holzreliefs, Arbeiten des Bildhauers Josef Furthner aus Zell an der Pram. Zugleich wurden die über den drei Seitenaltären be findlichen Glasfenster von der Fa. Raa kamp neu gestaltet. Während des Som mers 1931 wurde die Studentenkapelle aus gemalt. Bei dieser Gelegenheit erhielt der A I 4 l ■■ Die Studentenkapelle nach der Neuausslallung während der Zwischenkriegszeit
Deckenschmuck durch sechs kreisförmige Gemälde mit Szenen aus dem Leben des heiligen Petrus eine Bereicherung. Während der Sommerferien 1935 kam es zur Vergrößerung der Volkskapelle durch Einbeziehung des früheren Sakri steizimmers. Dadurch wurde der Kapellen raum um die Hälfte vergrößert. Am 5. Oktober 1931 war Prälat Johann Zöchbaur gestorben. Er war seit 1900 Di rektor und seit 1919 Regens der Anstalt. Während dieser Zeit hatte er dem Petrinum entscheidend die geistige Formung ge geben. Sein Nachfolger wurde Dr. Eranz Eibelhuber. Während des Bürgerkrieges im Febru ar 1934 war das Petrinum für 24 Stunden von Schutzbundtruppen eingeschlossen. Als elf unbewaffnete Soldaten ins Petrin um flüchteten, drangen drei bewaffnete Schutzbündler ins Haus. Diese wurden ent waffnet und gefangengehalten. Durch eine Geiselnahme erzwangen die Schutzbund truppen die Freilassung der Gefangenen. Vorübergehend waren zwei Maschinenge wehre gegen das Petrinum in Stellung ge bracht worden. Am 13. Februar befreiten Heimwehrverbände das Petrinum. Zum 150jährigen Bestandsjubiläum der Diözese am 29. September 1935 hielt Regens Dr. Eibelhuber beim Festakt in der Südbahnhofhalle die Festansprache. Die ses Fest fand auch im Petrinum einen wür digen Ausklang durch den Besuch von Kardinal Dr. Theodor Innitzer aus Wien. Mit dem Petrinum war es damals gut bestellt. Die Schülerzahl war auf 320 gestie gen. Die Schulkabinette und die Bibliothek befanden sich in gutem Zustand. Die frü here Form der Anstalt war wieder erreicht. Als zum Abschluß des Schuljahres 1936/37 das 40jährige Bestandsjubiläum des Petrinums begangen wurde, ahnte nie mand, welch schwere Zeiten dem Hause unmittelbar bevorstanden. Vorläufiges Ende und Enteignung (1938 bis 1945) Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in den Märztagen des Jahres 1938 gingen die neuen Machthaber mit großer Konsequenz daran, der Kirche allen Ein fluß auf Jugenderziehung und Schulbil dung zu entziehen. Durch eine Reihe von Maßnahmen wurde dies auch sehr bald er reicht. Dabei war man bestrebt, nach au ßen den Schein der Legalität zu wahren. Das freie Verfügungsrecht über das Petrin um wurde immer mehr eingeschränkt. Gleich nach dem Einmarsch der deut schen Truppen mußte das Haus Militär aufnehmen. Es folgten dann Einheiten der Schutzpolizei und eine Flak-Batterie. Bei größter räumlicher Einschränkung konnte der Internats- und Schulbetrieb bis zum Ende des Schuljahres 1937/38 geführt wer den. Bedenklich für den weiteren Bestand des Hauses aber war, daß mit 3. Juni 1938 der Magistrat Linz das gesamte Haus zur Unterbringung von Militär anforderte. Der 19. Juli 1938 brachte für die geistli chen Schulen den Entzug des Öffentlich keitsrechtes. Vorübergehend dachte man an die Fortführung des Petrinums als Pri vatgymnasium in einem der Stifte Ober österreichs. Am 9. September 1938 verfüg te aber der Landesschulrat die Schließung des Petrinums. Damit war für Jahre die Idee eines bischöflichen Knabenseminares ausgelöscht. Das Gebäude aber fand für verschiedene Zwecke Verwendung. Zunächst diente das Petrinum zur Un terbringung militärischer Verwaltungsstel len. Diese aber mußten das Haus verlas sen, als Adolf Hitler am 3. März 1939 das Gebäude und das Gelände des Petrinums für die in Linz zu errichtende Technische Hochschule als Bauplatz bestimmte. Die Landeshauptmannschaft Oberdonau war nun bestrebt, das Petrinum und den dazu gehörenden Grund käuflich zu erwerben.
5-'^ : Die Sliiclentenkapelle als Ahslellraum nach der Rciumiinf; des Hauses im Jahre 193h. Der Bischof aber verweigerte beharrlich die Zustimmung zu einem freiwilligen Ver kauf des Petrinums. So verfügte die Lan deshauptmannschaft Oberdonau am 29. Februar 1940 die Enteignung des Hau ses. Gegen diese Enteignung war kein Rechtsmittel statthaft. Es bestand aber die Möglichkeit, eine gerichtliche Festsetzung der Entschädigungssumme zu beantragen. Ein langdauernder Prozeß kam ins Rollen, der durch die Vertreter der Diözese, DDr. Franz Zauner und Rechtsanwalt Dr. Josef Stampfl, mit außerordentlicher Geschick lichkeit, großem Mut und persönlichem Einsatz geführt wurde. Durch geschickt vorgebrachte Einwände gegen die Höhe der Entschädigungssumme wurde der Pro zeß hinausgezögert, bis das Ende des Na tionalsozialismus gekommen war. Da durch konnte verhindert werden, daß das Petrinum deutsches Eigentum wurde. Das 1941 entworfene Model! zum Bau einer Tech nischen Hochschule im Petrinum. Da die Errichtung der Technischen Hochschule wegen des Krieges auf sich warten ließ, wurde das Petrinum für die Unterbringung von Kanzleiräumen ver schiedener Landesämter verwendet. Als im letzten Kriegsjahr die Fronten immer näher rückten, forderte der Reichs statthalter in seiner Eigenschaft als Reichs verteidigungskommissar im Jänner 1945 das Petrinum als Kriegslazarett an. Diesem Zweck diente das Haus in den letzten Kriegsmonaten. Auch nach dem Einmarsch der ameri kanischen Truppen verblieb das Petrinum weiterhin Lazarett. Erst auf die Nachricht hin, daß die Sowjettruppen das ganze Mühlviertel besetzen werden, verließen Mitte Juli 1945 Verwundete und Pflegeper sonal binnen kürzester Zeit das Haus. In das völlig leerstehende Gebäude rückten am 31. Juli 1945 sowjetische Besat zungstruppen ein, die fast ein ganzes Jahr lang, bis 29. Juni 1946, dort verblieben. Wiederaufbau und innere Konsolidierung (1945 bis 1%5) Bald nach Ende des Krieges zeichnete sich vorübergehend die Möglichkeit einer Rückkehr des Knabenseminares in das ei gene Haus ab. Es bestand der Plan, im Herbst 1945 mit den vier unteren Klassen
und einer Abschlußklasse ins Petrinum ein zuziehen. Diese Hoffnungen wurden aber bald zunichte gemacht, als Ende Juli 1945 sowjetische Besatzungstruppen das Haus bezogen. Nun wurde das Stift Lambach zum Retter. In den leerstehenden Räum lichkeiten der ehemaligen NAPOLA (Na tionalsozialistische Politische Lehranstalt) fanden die 1. und die 2. Klasse Aufnahme, während die Studenten für die 3. Klasse mit der 3. Klasse des Stiftsgymnasiums Wilhering vereinigt wurden. So konnte im Schuljahr 1945/46 mit den drei unteren Klassen ein bescheidener Anfang gesetzt werden. Das Petrinum zählte damals in Lambach 99, in Wilhering 19 Studenten. ■ - 7 ! «"»TW .M' Die Studentenkapelle nach dem Abzug der So wjettruppen: Die Tabernakeltüren waren erbro chen, die Möbel zerschlagen, der Raum diente als Ablagerungsstätte für alle möglichen Abfälle. Der geplünderte Magazinraum im I. Stockwerk Am 29. Juni 1946, dem Patroziniumsfest des Hauses, räumte die sowjetische Besatzungsmacht überraschend das Petrin um. Sofort wurden die Arbeiten aufge nommen, um das Haus in bewohnbaren Zustand zu bringen. Ls bestanden aber schwere Bedenken, ob es innerhalb so kur zer Zeit bei den damaligen Verhältnissen gelingen werde, diese Arbeiten zeitgerecht zu leisten. Denn das Haus hatte in den letz ten Jahren sehr gelitten. Dank des großen persönlichen Einsat zes von Direktor Dr. Lranz Libelhuber und den Verwaltungsadjunkten Dr. Hermann Lhrengruber konnten diese umfangreichen Arbeiten termingerecht abgeschlossen werden. Am 14. Oktober 1946 zogen, nach achtjähriger Unterbrechung, 169 Studen ten des Untergymnasiums in das Petrinum ein. An diesem Tage der Rückkehr aber er krankte der Regens und Direktor der An stalt schwer. Er sollte sich von dieser Krankheit nicht mehr erholen. Neben den zurückgekehrten Studen ten beherbergte das Haus noch eine Gen darmerieschule und die städtische Volks schule Karlhof. Das erste Schuljahr im Pe trinum war von manchen Notzuständen be gleitet. Schwierig war die Lebensmittelver sorgung. Der Brennstoffmangel führte schließlich zu einer beträchtlichen Verlän gerung der Weihnachtsferien. Nachdem im ersten Schuljahr die An fangsschwierigkeiten verhältnismäßig gut überstanden waren, wurde in den folgen den Jahren Internat und Schule konse quent ausgebaut, um den früheren Stand wieder zu erreichen. Für diese Wiederin standsetzung des Petrinums hatte die Diö zese einen Betrag von ca. 2 Millionen Schilling aufgebracht. Die für entstandene Schäden gewährte Entschädigungssumme aber betrug nur 50.000 Schilling. Drückend wurde im Haus sehr bald die Raumnot. Mit Ende des Schuljahres 1950/ 51 — es fand wieder die erste Matura nach
!■■ ! ii. • II Ii I '■|-| ■Jl' QIL- i-.fi J-..I i-i ("-..i"- h !■ cf'.- !-■ i ■Sl«-- Das Pelrinum am Fuß des Pöstlinf^herges * * dem Krieg statt — war die Zahl der Studen ten auf 347 gestiegen. Für diese hohe Schü lerzahl stand aber nicht das ganze Haus zur Verfügung. Rund ein Viertel der Räum lichkeiten wurde von der Gendarmerie schule und der Volksschule Karlhof be nutzt. Im Sommer 1955 räumte die Gendar merieschule das Gebäude, die Karlhof schule gab erst 1960 die benutzten Räume frei. Unterdessen war dem Petrinum ein von den ehemaligen nationalsozialistischen Machthabern zugefügtes Unrecht beseitigt worden: Mit Erlaß vom 11. Februar 1953 verlieh das Bundesministerium für Unter richt dem bischöflichen Privatgymnasium das Öffentlichkeitsrecht auf Dauer, solan ge die gesetzlichen Bedingungen erfüllt werden. Am 4. Mai 1950 war Dr. Franz Eibelhuber, Regens und Direktor des Hauses, nach langer und schwerer Krankheit ge storben. Ihm folgte in diesen Ämtern Dr. Johann Reitshamer. In der Schule wurde auf die Vermitt lung eines gediegenen Wissens Wert ge legt. Darüber hinaus wurden aber, derTradition des Hauses folgend, im Rahmen von Schule und Freizeit besonders Gesang, Musik, Theater und Sport gepflegt. Für die religiöse und geistige Führung des Internates waren die Lehrsätze desTridentinums richtungsweisend. Die entschei dende Priesterpersönlichkeit, die mit den geistlichen Präfekten in diesem Sinne wirk te, war der damalige Spirtual Dr. Karl Böcklinger. Er prägte durch 16 Jahre (1947 bis 1963) die geistige und religiöse Form des Hauses. Die feste Form und Ordnung,
die er in Internat und Schule vorfand, ge dachte er nicht zu ändern, sondern durch persönlichen Einsatz möglichst lebendig und überzeugend zu gestalten. Die allge mein anerkannte Persönlichkeit des Spirtuals und die damals noch nicht in Frage ge stellten Grundsätze geistiger und religiöser Ausbildung waren wohl entscheidend da für, daß ein verhältnismäßig hoher Pro zentsatz der Maturanten den Priester- oder Ordensberuf wählte. Die nachkonziliare Zeit (ab 1965) Das II. Vatikanische Konzil brachte in die Kirche eine große Aufbruchsbewe gung. Überkommene Formen wurden rasch aufgegeben, während der innere Frneuerungsprozeß nicht immer gelang. Aus einem Gefühl der inneren Leere begann ei ne Flucht in organisatorische und materiel le Werte. Diese Bewegung war weltweit. Auch das Petrinum blieb von dieser Entwicklung nicht verschont. Es begann ein Suchen nach einem der neuen Zeit entsprechenden geistig-religiösen Bildungskonzept. Daß dies nicht im gewünschten Ausmaß er reicht wurde, zeigt der rasche Wechsel der einzelnen Generalpräfekten. Die abnehmende Zahl von Maturan ten, die sich für den Ordens- oder Priester stand entschieden, hatte in weiten Kreisen einen Vertrauensschwund zur Folge. Die Anmeldungen gingen zurück, die Schülerund Klassenzahl sank rasch ab. Was den materiellen Aufwand für das Petrinum anbelangt, waren Bischof und Diözese sehr großzügig. Eine bis dahin nie dagewesene Ausbauphase setzte ein. Diese begann 1967 mit dem Umbau der Studen tenkapelle . Es folgte der Neubau eines Per sonalhauses. Um für die Studenten der oberen drei Klassen bessere Wohnbedin gungen zu schaffen, entstanden ab 1970 im Die Studentenkapelle nach dem Umbau Osten des Hauses drei Internatsbauten. In einem vierten Bau wurden ein Schwimm bad und ein Turnsaal eingerichtet. Nach deren Vollendung kam es zur Modernisie rung des Altbaues. Die großen Schlafsäle wurden in kleinere Einheiten unterteilt und die Waschanlagen erneuert. Mit Ende des Schuljahres 1982/83 traf Bischof Maximilian Aichern* eine wichtige Änderung in der Führung des Hauses; Re gentie und Direktion, die seit 1919 in einer Person vereinigt waren, wurden voneinan der getrennt. Seit Beginn des Schuljahres 1984/85 besteht für externe Schüler die Möglich keit, die Schule des Petrinums zu besu chen. Schlußbemerkung Die Geschichte des Linzer Knabense minars ist ein Spiegel der jeweiligen allge meinen Zeitlage. In der Barockzeit sehen ® Seit Janner 1982 Bischof von Linz
Die neuen Inlernatshauten im Osten des Hauses wir durch die Jesuiten ein erstes bescheide nes Beginnen, dem aber das josephinische Staatskirchentum ein jähes Ende bereitete. Nach dem Revolutionsjahr 1848 folgte ein zaghaftes Wiederbeginnen. Aber erst nach der Zeit des kulturkämpferischen Libera lismus wurde mit dem Erwachen des ka tholischen Volksbewußtseins Ende des 19. Jahrhunderts die Idee eines tridentinischen Knabenseminares durch Bischof Doppel bauer eindrucksvoll verwirklicht. Dieser rasch aufgeblühten Anstalt setzte der Gang der Weltgeschichte durch die beiden Welt kriege ein unverhofftes Ende. Auch in der Nachkriegszeit ist ein Auf und Ab, ein gei stiges Für und Wider unverkennbar. Die Abbildungen wurden vom Verfasser beige stellt. Literatur 26. - 41. Jahresbericht des Kollegium Petrinum (Schuljahre 1922 bis 1938). 40. Jahresbericht des Kollegium Petrinum. Schul jahr 1936/37. S. 11 -34. 42. - 79. Jahresbericht des Kollegium Petrinum (Schuljahre 1945 bis 1983). Gedenkschrift zum 25jährigen Bestand des Diözesanknabenseminares von Linz Kollegium Petrin um. S.1 — 108. Franz Eibelhuher: Werden und Ausbau des Linzer Diözesan-Knabenseminares. In: Linzer Volksblatt vom 28. September 1935. Nr.225. S.22 - 23. Norbert Mika: Geschichte des Linzer Knabensemi nares. S.34 — 37. In: Gedenkschrift zum 50. Schul jahr des bischöflichen Gymnasiums am Kollegium Petrinum. Linz 1954. Johann Reitshamer: Aus der Geschichte des Kol legs. S. 37 - 41. A.a.O. Josef Honeder: Die Schicksale des Kollegium Pe trinum während der Zeit des Nationalsozialismus. (1938 — 1945). In: 71. Jahresbericht des Kollegium Petrinum. Schuljahr 1974/75. S.3 - 90. Josef Honeder: Die Wiederherstellung des Kolle gium Petrinum nach der Zeit des Nationalsozialis mus. In: 79. Jahresbericht des Kollegium Petrinum. Schuljahr 1982/83. S.3-46.
Die Katholisch-theologische Hochschule Linz Ein geschichtlicher Überblick Von Rudolf Zinnhobler Theologische Disziplinen auf Hoch schulebene werden in Linz seit über drei hundert Jahren gelehrt. Es bestand aber nicht von Anfang an eine Vollfakultät, und die konkrete Ausformung der Hochschule hat im Lauf der Jahrhunderte verschiedene Gestalt angenommen. Schließlich war die Zielsetzung der Anstalt nicht immer die gleiche. Im folgenden soll die Entwicklung der Hochschule in ihren einzelnen Phasen kurz aufgezeigt werden. Die Vorgeschichte Solange das Land ob der Enns zum Bistum Passau gehörte, also bis 1783, dem Jahr der staatlichen Gründung der Diözese Linz, erfolgte die theologische Ausbildung des Priesternachwuchses vor allem in Pas sau. In Linz wurde das Fundament für hö here Studien dadurch gelegt, daß die 1574 von Enns hierher transferierte protestanti sche „Landschaftsschule" im Zuge der Ge genreformation eine Umwandlung erfuhr und 1629 mit dem seit 1608 bestehenden Jesuitengymnasium vereinigt wurde. Ein Vertrag der Jesuiten mit den Land ständen vom Jahre 1669 sah die Einfüh rung eines „Studium Philosophicum sambt der Mathesi und Ethica wie auch der Casus Conscientiae" sowie des „Jus Canonicum" vor, d.h. also, daß auch theologische Fä cher gelehrt werden sollten. Als Stätte des Studiums war das Jesuitenkolleg, das heu tige Hauptpostamt, vorgesehen. Ehemaliges Jesuilenkolleg (Nordtnikl des heiiügen Hauptpostamtes), Gymnasium vom 1669 - 1672 und theologische Studienanstalt von 1672 - 1776. Oniinariatsarchiv Linz (Bildarchiv 11/76501. Foto: R. Mair Ab dem Studienjahr 1672/73 konnte man dann in Linz das Theologiestudium wenigstens beginnen, abschließen mußte man es anderswo. 1674 verlieh Kaiser Leo pold 1. der „Hochschule" sogar das Graduierungsrecht, wovon die Jesuiten allerdings keinen Gebrauch machten, um sich nicht selbst Konkurrenz zu machen, standen doch z. B. auch die Universitäten Graz und Wien in ihrem Einflußbereich.
Einen kräftigen Impuls erhielt das Theologiestudium durch Kaiserin Maria Theresia, die 1751 eine Professur „controversiarum oder theologiae polemicae" er richtete, d.h. der „Dogmatik" im damali gen Sinn; sie sollte in erster Linie zur Aus einandersetzung mit dem Protestantismus vorbereiten. 1763 kam eine Lehrkanzel für „Sacra Scriptura" (Bibelwissenschaft) hin zu. Das Vollstudium der Theologie in Linz wurde jedoch erst nach der 1773 erfolgten Aufhebung des Jesuitenordens möglich. Der Ausbau zum VoUstudium und die Auswirkungen des Josephinismus Die Ordensaufhebung bewirkte kein Ende des Theologiestudiums in Linz. Im Gegenteil: Kaiserin Maria Theresia strebte den Ausbau zum Vollstudium an; man soll te also in Zukunft auch in Linz alle damals üblichen theologischen Disziplinen hören können. Nach einer Erklärung der Landesfür stin vom Jahre 1774 sollte man zwar weiter hin mit vier Professoren das Auslangen fin den. Einer von ihnen hatte „die Kirchenge schichte und das kirchliche Recht, ein an derer die hebräische Sprache und die erste Hälfte der Dogmatik, ein dritter die Heili ge Schrift und die zweite Hälfte der Dog matik, der vierte die sogenannte „Theologia moralis" vorzutragen. Es gab aber auch schon so etwas wie das heutige System der Lehrbeauftragten, mußte doch der Gym nasiallehrer der Rhetorik die Theologen des letzten Jahrganges in der geistlichen Beredsamkeit unterrichten. Die Studiendauer betrug fünf Jahre, auf die die einzelnen Gegenstände wie folgt verteilt waren: I.Jahr: Kirchengeschichte und hebräische Sprache; 2. Jahr: Altes und Neues Testa ment, Patristik und „theologische LiterärGeschichte"; 3. Jahr: Moraltheologie und erste Hälfte der Dogmatik; 4. Jahr: Kir chenrecht und zweite Hälfte der Dogma tik; S.Jahr: Polemik und Pastoraltheologie (bestehend aus „geistlicher Beredsam keit", „praktischer Moral" und „Verrich tungen der Seelsorge"). Damit war nun das gesamte Theologie studium, und zwar schon in relativer Differenziertheit, angeboten. Auch organisatorisch hatte sich einiges geändert. Lür jede der vier Abteilungen des „Lyceums" (Gymnasium, Philosophie, Jus, Theologie) wurde ein eigener Direktor bestellt; für die Theologie war dies der Dechant und Stadtpfarrer von Lnns, Propst Alexander Lngl von Wagrain (t 1800), der dieses Amt von 1778 bis 1783 innehatte. Die Lxjesuiten sollten im Lehrbetrieb der Theologie nicht mehr verwendet wer den, was aber de facto nicht hundertpro zentig durchgeführt wurde. Im Zusammenhang mit Lngl von Wa grain sei darauf hingewiesen, daß dieser 1762 in Lnns ein Priesterhaus errichtet hat te, das sogenannte „Collegium Laureacense", in dem jeweils einige Neupriester auf die praktische Seelsorge vorbereitet wer den sollten. Es handelte sich also um eine Institution, die im Rahmen des gegenwärti gen Theologiestudiums mit dem „Pastoral jahr" vergleichbar ist. Man ging aber bald über diese Zielsetzung hinaus und nahm auch Nichtordinierte zur theologischen Ausbildung auf. Neben den Priestern scheinen sich im Lnnser Seminar in der Re gel vier bis zehn Weihekandidaten befun den zu haben. Im Zusammenhang mit der Auflösung des Jesuitenordens (1773) und der 1774 er folgten Neuordnung des Studienwesens in Linz dachte Maria Theresia u.a. daran, das Lnnser Seminar in die Landeshauptstadt zu verlegen. Man einigte sich aber schließ lich, daß die Kandidaten der Theologie in Linz ihre theoretische und in Lnns ihre
praktische Ausbildung erhalten sollten.* Als 1778 Graf Engl auch zum Direktor der geistlichen Studien in Linz ernannt wurde, schien eine Koordination der beiden An stalten gewährleistet zu sein. Die Auswir kungen des Josephinismus führten jedoch zu einer anderen Konzeption, die zwar kurzfristig zum Ende des regulären Theo logiestudiums, gleichzeitig aber zur „Er richtung" des ersten Priesterseminars in der Landeshauptstadt führte. Im Zuge der geplanten Verlegung des Ennser Priesterhauses in das während des josephinischen Klosterturms aufgehobene Linzer Karmelitinnenkloster (heute Kran kenhaus der Barmherzigen Brüder), zogen hier mit Beginn des Studienjahres 1782 die ersten vier Alumnen ein. Zum ersten Rek tor (Regens) wurde Josef Himmelreich, Professor für Kirchengeschichte, Kirchen recht und Pastoral, bestellt. Aber noch be vor die Übersiedlung abgeschlossen war, änderte sich die Situation grundlegend durch die Gründung der Generalseminarien (Hofdekret vom 30.März 1783). Alle Theologiestudenten, die bisher an kirchli chen Anstalten ausgebildet wurden, muß ten nun in diese Seminare übersiedeln, von denen aus sie die entsprechenden Vorle sungen an einer Universität besuchten. Die Linzer Priesteramtskandidaten kamen nach Wien, wo das Generalseminar im ehemaligen Jesuitenkolleg (jetzt Ignaz-Seipel-Platz 1) untergebracht war. Die Stu diendauer war zunächst mit sechs Jahren anberaumt. Die wenigen Jahre des Bestands der Generalseminarien (sie wurden 1790 wie der aufgelöst) sind durch eine radikale Ab nahme der Priesterberufe gekennzeichnet. Studierten 1784 noch 68 Oberösterreicher (einschließlich der Ordensleute) in Wien, so wären es 1785 deren 46 und 1788 nur mehr 21. Nach Absolvierung des Theologiestu diums in Wien mußten die Kandidaten für etwa ein Jahr,später nur mehr für ein hal bes Jahr, in das Linzer Priesterhaus zurück kehren, um sich auf die praktische Seelsor ge vorzubereiten. H. Ferihumer hat vermu tet, daß sich diese Praxis am Modell des „Collegium Laureacense" orientierte. Im Herbst 1785 kamen die ersten zehn Alum nen, die inzwischen ihr Theologiestudium in Wien abgeschlossen hatten, nach Linz zurück. Auch war eine Reduktion der Stu dien auf fünf Jahre erfolgt. 1787 übersiedelte das Linzer Priester haus in das ehemalige „Seminarium" der Jesuiten (Volkskreditbankgebäude in der Domgasse), weil sich das ehemalige Kar melitinnenkloster als völlig ungeeignet er wiesen hatte, wurde es doch auch als Depot für „kirchliche und weltliche Gegenstände und Waaren" verwendet (Strigl). Der Josephinismus hatte also, was die Priesterausbildung in Linz betrifft, zwei scheinbar gegenläufige Auswirkungen ge habt. Er brachte das Ende des theologi schen Vollstudiums, gleichzeitig aber auch den Anfang des Priesterseminars. Die k.k. Studienanstalt für Theologie Als 1790 unter Kaiser Leopold II. (1790 - 1792) die Institution der General seminarien wegen zu hoher Kosten, aber auch wegen vorgekommener Unzuläng lichkeiten wieder aufgelöst wurde, machte es sich der Linzer Bischof Josef Anton Gall (1788 - 1807) zur Aufgabe, sowohl die Frage eines Seminars in Linz als auch die des Theologiestudiums zu lösen. An und für sich war der Bischof, der der josephini schen Geistesrichtung verpflichtet war, ein Befürworter der Generalseminarien geweIn Linz war seit 1776 die „theologische Abteilung des k.k. Lyceums", also das theologische Stu dium, im ehemaligen Garstener Stiftshaus (Pfarr platz 17) untergebracht.
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