Jakobiner in Oberösterreich Von Helmut Reinalter Es ist bis zum 2. Weltkrieg von der Geschichtsschreibung kaum beachtet wor den, daß in Europa zur Zeit der Französischen Revolution zahlreiche Jakobiner im Sinne der Revolutionsideen wirkten und eine Umwandlung der bestehenden gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse ins Auge faßten. Daß über die Jakobinerbewegung in der Habsburgermonarchie erst relativ spät geforscht und gearbeitet wurde, hängt mit dem Umstand zusammen, daß bis zum Zusammenbruch der Monarchie dynastische Interes sen jede Einsichtnahme in die Hauptquellen der Wiener Jakobiner zu verhindern wuß ten. Der Bestand „Vertraulicher Akten" wurde nämlich auf Weisung Kaiser Franz II. lange Zeit in der Hofburg als Geheimsache aufbewahrt und damit dem Zugriff der For schung entzogen. Auch als Kaiser Franz Joseph im Jahre 1878 dieses Quellenmaterial an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv überstellen ließ, durfte niemand an die Archivalien her an, da er ausdrücklich verfügte, sie undurchsucht dort deponiert zu lassen.^ Auch nach 1918 fand sich kein Historiker, die Bearbeitung dieses noch brachlie genden Materials in Angriff zu nehmen. Erst nach dem 2. Weltkrieg begannen dann lang sam einige Historiker-in erster Linie Ausländer-die bisher unberührten archivalischen Schätze zu durchforschen und SpezialUntersuchungen zu veröffentlichen. Erst in jüng ster Zeit, naehdem seit dem Prozeß gegen die Wiener Jakobiner sechs Generationen ver strichen sind, setzt nun die Jakobinerforschung auf breiterer Basis ein. Die neuesten Ar beiten versuchen dabei aus verschiedenen Perspektiven die Zielvorstellungen der Jako biner zu interpretieren und den oft abenteuerlichen Spuren ihrer Tätigkeit zu folgen.^ Aufgrund des vorhandenen Quellenmaterials wissen wir, daß jakobinische Zu sammenkünfte höchstwahrscheinlich in allen Ländern der Habsburgermonarchie statt gefunden haben, genauere Details sind uns allerdings nur dort bekannt, wo die Polizei eingreifen mußte, wie in Wien, in Ungarn, in Kärnten und Krain, in der Steiermark, in Qberösterreich, Tirol, Welschtirol und Vorarlberg.^ In disem Zusammenhang muß na türlich zwischen den Sympathisanten der Französischen Revolution und den relativ we1 Über die Quellenlage und das Schicksal der Vertraulichen Akten (VA) vgl.: Ludwig Bittner (Hg.): Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs. Bd. 2. Wien 1937. S. 117 ff., bes. 142 ff. 2 Vgl. dazu die Literaturhinweise bei Helmut Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. Zur Ge schichte des Jakobinertums und der frühdemokratischen Bestrebungen in der Habsburgermonarchie. (— Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. 68) Wien 1980. S.23 ff. 3 Siehe dazu die erste Gesamtdarstellung bei Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. S.229 ff.
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