Transport. Ich mußte nach einigen Tagen nochmals zu einem Beamten, der fragte mich wieder aus, was mich veranlaßt habe, nach Paris zu reisen. Ich sagte ihm, ich hätte gerne in einer französischen Gerberei gearbeitet, um das französische Gerbereiwesen und -verfahren kennenzulernen. Er meinte, daß wir Deutsche doch recht eigentümliche Leu te seien und immer wieder kämen, obwohl wir wüßten, daß wir in Frankreich nicht gerne gesehen sind. Ich sagte ihm, ich bin doch ein Öesterreicher, aber er meinte, das bliebe sich gleich, wir hielten doch alle zu Bismarck. Es sei nur schade, daß Bismarck kein Franzose sei. Uebrigens war dieser Beamte ein guter Mensch, er hat mir zwei Franken gegeben und erzählte mir, daß er bei Sedan gefangen genommen wurde. Seiner Ansicht nach hätten die französischen Soldaten zu wenig Disziplin. Er gab mir einen Diener mit, daß ich mei nen Berliner holen konnte. Dann wurde ich von meinen Kollegen getrennt und kam in eine Zelle, wo nur drei Mann waren. Am andern Tag wurden wir zwischen 7 und 8 Uhr abends herausgerufen und je zwei und zwei mit Handschellen zusammengefesselt und so zum Bahnhof transportiert. Ich kam mit einem Deutschschweizer zusammen, das andere waren Franzosen und scheinen Verbrecher gewesen zu sein. Sie blieben, als wir in den Wagen kamen, gefesselt, ich und der Schweizer, der recht auf Frankreich schimpfte, wur den frei. Ich enthielt mich jeder Aeußerung und ertrug mein Los mit Ruhe, was zur Folge hatte, daß mir einige Erleichterungen gewährt wurden. Wir wußten nicht, wo unsere Fahrt hinging, sie dauerte zwei Tage. Im Waggon war es fürchterlich kalt, aber die beglei tenden Polizisten ließen mich auf den Gang heraus, wo es sehr warm war, denn die hatten tüchtig geheizt. Im Zellenwagen aber haben wir vom Heizen nichts gespürt und um uns warm zu machen, sind wir tüchtig herumgesprungen. So wie alles ein Ende hat, hatte auch diese Fahrt ihr Ende und am 8. Dezember abends um acht Uhr kamen wir nach Munsterol im Elsaß. Es war furchtbar kalt. Der be gleitende Franzose übergab mir hier meine Sachen, die Papiere, Messer und Löffel, und alles, was sie mir in Paris abgenommen hatten. Ich war nun frei, hatte aber keinen roten Pfennig in der Tasche. Ganz fremd war ich auch hier, also ging ich gleich auf einen deut schen Gendarmen los und erzählte ihm meine ganze Parisergeschichte, soweit es mir not wendig schien. Da lachte er und sagte, ich solle ein bißchen warten, dann kam er und führte mich in ein Gasthaus, das war ganz voll mit lauter Beamten und andern Leuten, auch war es dort sehr warm, aber leider konnte ich hier nicht trleiben, der Wirt sagte, daß alles besetzt sei. Wir gingen nun in ein anderes Gasthaus, das gehörte einer Witfrau, da bekam ich vorerst eine Schüssel voll warmer Milch und Rotwein. Dann kam der Wirts sohn nach Hause, der hatte einen kleinen Rausch und da sagte er immer, ich soll ihm ja al les erzählen, er wird mir gut zu trinken geben. Die Frau ist aber dann mit ihm abgefahren. Als mir warm war und ich gegessen hatte, ging ich im Stall schlafen, wo es auch recht gut warm war und ich viel Streu zur Verfügung hatte. Des andern Tages bekam ich wieder ei ne Schüssel Milch mit Brot, dann ging ich zum Bahnhof, weil mich der Gendarm bis 8 Uhr früh dorthin bestellt hatte. Als ich kam, war er schon da und hieß mich dort, wo stand ,Zollamt' hineingehen. Er kam bald nach und erzählte den Beamten dort meine Geschichte und als sie mich über meine Erlebnisse ausgefragt hatten, sagte der Vorstand, so können Sie doch bei 20 Grad Kälte nicht reisen und so sammelte er bei all den Herren, die hier waren, da bekam ich so 4 — 5 Mark, der Gendarm gab mir auch noch 10 Pfennige und dann hat mir der Vorstand noch ein sehr gutes Frühstück extra gekauft und einen
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