kein Wort Deutsch verstanden. Man wollte uns kein Quartier und kein Essen geben und die Weiber kreischten in einemfort: ,0, ces sont Prussiens, Prussiens!' Wir wichen aber nicht und endlich kam ein Herr, ein hier vor dreißig Jahren eingewanderter Mecklenbur ger, der uns den Dolmetsch machte. Als sie erfuhren, daß ich ein Oesterreicher sei, be kamen wir alles, was wir wollten, und sie entschuldigten sich, aber vor den Preußen fürchten sie sich halt so. In Genf kamen wir spät abends an und übernachteten in der deutschen Herberge zum ,Roten Ochsen'. Der See und die Alpenaussicht machten uns einen unauslöschli chen Eindruck. Überall herrliche Obst- und Weingärten und so warm! Obwohl es schon gegen Ende Oktober war, badeten wir noch im See. Nicht umsonst wird diese reizende Stadt Klein-Paris genannt. Großartige Hotels, Kaufmannshäuser, herrliche Villen wech seln miteinander, sogar eine russische Kirche gibt es. Auf dem österreichischen Konsulat bekam ich nach längerem Ritt auf dem lieben Amtsschimmel eine Brotkarte auf 5 Pfund, ein paar Franken und eine Fahrkarte auf dem Dampfschiff nach Lausanne. Das hat erst eine schöne Aussicht auf den Genfersee und in die Alpen. Ich ging nun nach Freiburg, dem zweiten auf meiner Wanderschaft. Da ist es ganz sonderbar, man kommt durch ei nen Ort, wo alles deutsch spricht, ein paar Kilometer weiter wieder lauter Franzosen. In Freiburg habe ich zum erstenmal Schweizer Militär gesehen, gefiel mir aber gar nicht, denn es klappte nicht beim Exerzieren. Sonst ist Freiburg prächtig gelegen, besonders in teressant die zwei Kettenbrücken, die über die Saane gehen. Von Freiburg ging ich nach Bern und habe mir dort neben den vielen öffentlichen Gebäuden auch den Bärenzwinger, das Wahrzeichen der Stadt ist ja der Bär, angeschaut. Nun ging's nach Luzern. Als wir auf dem Weg unter Bäumen rasteten, kam ein Mann mit einem Korb, er schien sehr angeheitert. Er setzte sich zu uns, gab uns aus einer Bierfla sche zu trinken, das war aber kein Bier, sondern ein starker Weinbrand, dann paekte er den Korb aus, da quollen die leckersten Würste heraus und ein Laib Brot und er sagte, wir sollen das aufessen. Dabei erzählte er uns, er sei ein Schneider und eben auf dem Heimweg von einer Chilbi (Kirtag). Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und in kurzer Zeit war der Korb leer. Je leerer aber der Korb wurde, desto nüchterner wurde der edle Spender, bis er auf einmal zu schimpfen begann und Geld von uns verlangte. Er gab uns alle Namen, drohte mit den Landjägern, da wurde es uns zu dumm und wir hauten ihn gründlich durch. Unangefochten kamen wir in das schöne Luzern, wanderten den Vierwaldstättersee entlang, sahen den Tellsfelsen und kamen auch zu dem Bache, an dem das Bild steht zur Erinnerung, daß hier Rudolf von Habsburg einem Priester, der mit der Wegzeh rung zu einem Kranken eilte, sein Pferd gab. Hier war es recht gemütlich zum reisen, überall bekam man leicht und mit Freundlichkeit, was man zum Leben brauchte. Und reichlich. In dem großen Wallfahrtsort Maria Einsiedeln blieben wir im Kloster übernacht, da war es sehr gut. Ich ging dann zum Zürichsee hinab und nach Zürich, das ist eine schö ne, große und vornehme Stadt. In Winterthur hatte ich in der Herberge ein schönes Abenteuer. Wir schliefen unser zehn Mann in einem Zimmer und allen, bis auf einen und mir wurden des nachts sämtliche Kleider und Habseligkeiten gestohlen, sodaß sie nur im Hemde dastanden. Ich hatte gescheiterweise alles immer unter dem Strohsack, da kann
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