OÖ. Heimatblätter 1984, 38. Jahrgang, Heft 4

Ich blieb dort bis zu Anfang September, dann reiste ich durch Mecklenburg nach Lübeck. Zu beiden Seiten des Zuges sahen wir schwere, fette Schafe auf der Weide. Es fiel mir auf, daß alle Leute in der Eisenbahn, wenn sich der Zug in Bewegung setzte, zu essen anfingen. Eine mitleidige Frau fragte mich auch gleich, warum ich nicht esse. Ich erklärte ihr, daß ich nichts mit habe, da machte sie gleich eine riesengroße Tasche auf und gab mir Butterbrote und Wurst und eine Flasche Bier. Die gute Frau konnte sich gar nicht genug wundern, daß ich so gut Deutsch spräche, weil ich ihr doch gesagt hatte, daß ich ein Oesterreicher bin. Sie glaubte auch, die Oesterreicher seien alle schwarz und war sehr befriedigt, als sie in meine blauen Augen schaute. Lübeck hat mir sehr gefallen. Recht eigentümlich ist die Domkirche mit den zwei sehr hohen, schmalen Türmen, und das Holstentor. Auf dem Stadtplatz war grad großer Fischmarkt, da konnte ich nicht genug schauen an den vielen Fischen. Der Hafen ist schön und es lagen viele Schiffe dort. In Hamburg fand ich eine ganz ausgezeichnete Herberge. Mein erster Weg war zum Hafen, da war ich ganz weg. Dieses Durcheinander von Schiffen, das läßt sich gar nicht beschreiben. Und erst die herrlichen Bauten, die Nikolaikirche, die neue Elbbrükke, der Zoologische Garten und das riesige Aquarium! Dagegen hat mir Bremen gar nicht gefallen. Wir gingen unser drei Handwerks burschen nun nach Osnabrück, nach Münster ins Westfalenland, nach Dülmen und Düs seldorf. Dort sah ich zum erstenmal den deutschen Rhein! In Köln habe ich wiederum sehr viel gesehen und eine gute Herberge gefunden. Besonders gut gefiel mir Bonn, so ei ne saubere Stadt! Von Bonn weg fing die Gegend an, sehr schön zu werden. Ueberall Wein- und Obstgärten, die Berge mit Ruinen und Burgen, an den beiden Rheinufern eine doppelgeleisige Eisenbahn. Und dann erst der große Verkehr auf dem Strom! Das ist geradezu un glaublich. Wo die Mosel in den Rhein mündet, liegt Coblenz. Es ist eine gar schöne Stadt und es wird dort jetzt ein Denkmal gebaut zur Erinnerung an den Deutsch-französischen Krieg. Von der Schönheit der Gegend kann sich niemand, der es nicht selbst gesehen, ei nen Begriff machen. Stromaufwärts, gegen Bingen zu, ist der Loreleyfelsen, bekannt von dem siebenfachen Widerhall. Caub ist historisch bekannt, weil hier Feldmarschall Blü cher in der Neujahrsnacht 1813 den Rhein überschritt und so die Franzosen überraschte. Diese herrliche Gegend möchte ich in meinem Leben nocheinmal sehen, wer sie ge schaut hat, kann sie niemals vergessen. Bingen ist keine große, aber eine recht liebliche, reinliche und anmutige Stadt. Auch Mainz heißt nicht umsonst das ,goldene'. Ich reiste nun ohne Geld nach Worms und Heidelberg. Da ging es in jenen Tagen hoch her, denn es kam gerade der Deutsche Kaiser Wilhelm. Abends war großartige Beleuchtung und die Stadt mit Menschen über füllt. Ich besuchte das Heidelbergerschloß und das große Faß. In Baden-Baden war großer Betrieb, fremder Verkehr und viele Badegäste. Der Ort mit seinen endlos schönen Promenaden, Villen und Gartenanlagen ist ein Paradies. Wenn man bei Büll aus dem Schwarzwald herauskommt, überschaut man von ei ner Anhöhe aus das ganze Badnerland mit seinen großen Obstgärten. Man sieht bis tief ins Elsaß hin nach Straßburg und das Münster leuchtet heraus. Ich legte mich in den

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