OÖ. Heimatblätter 1984, 38. Jahrgang, Heft 4

Magdeburg ist zwar eine alte und historisch bekannte Stadt, aber mir hat es nicht gefallen. Da gefiel mir meine nächste Station, Brandenburg an der Havel schon besser, besonders die vielen Schwäne auf der Havel und der starke Schiffsverkehr. Es wohnen dort auch herzensgute Leute und als ich mir eine Zigarre kaufen wollte und mit dem La deninhaber ins Gespräch kam, sagte er mir, er habe zwar bei Königgrätz von einem Oesterreicher eine fürchterliche ,Watschen' bekommen, aber sonst keinen Schaden ge litten und schenkte mir zum Andenken daran 10 gute Zigarren und noch zehn Groschen. Nun kamen wir nach Potsdam. Das ist eine sehr feine Stadt und berühmt durch das vom großen Fritz erbaute Schloß Sanssouci. Von Potsdam kam ich dann endlich nach Berlin. Das hat so seine achthunderttausend Einwohner und ist eine großartige Handels und Fabrikstadt, Residenz des deutschen Kaisers und Königs der Preußen. Berlin hat große Sehenswürdigkeiten, z. B. das Alte Königliche Schloß, das neue ist ein sehr einfa cher Bau, dann das Zeughaus, welches kaum von irgend einem andern übertroffen wer den könnte, und dann die riesengroßen Denkmäler, ganz aus Marmor oder Bronze. In den Straßen ist ein lebhafter Droschkenverkehr und auf der Spree viel Schiffahrt. Berlin ist auch keine teure Stadt, ich mußte mich zwar bescheiden, habe aber mit meinem Weni gen recht gut gelebt. Mittags ging ich gern in eine der vielen Kellerwirtschaften und aß dort ein ,Eisbein', das sind gesottene Schweinsfüßl, damit hat man sich um 25 Pfennig aber schon recht gut sattessen können. Den deutschen Kaiser habe ich auch zu sehen be kommen, den Kronprinzen samt Gemahlin und Feldmarschall Moltke und Fürst Bis marck, alle hoch zu Roß, als sie in den Tiergarten ritten. Ich blieb acht Tage in Berlin und habe mir vieles angeschaut und habe mich überall trotz der großen Stadt recht leicht zu recht gefunden. Und nichts von dem ist eingetroffen, was mir von reisenden Kunden vor ausgesagt wurde. Aber auch ein Briefträger, den ich einmal um eine Straße fragte, hat mich in beweglichen Worten vor den Bauernfängern, deren sich in Berlin eine Menge herumtreiben, gewarnt. Um einen Taler fuhr ich mit der Eisenbahn von Berlin nach Stettin, vierter Klas se. Da in der Herberge ,Zur Heimat' kein Platz mehr war, ging ich in die Bäckerherberge, da habe ich es aber nicht gut getroffen. Im Stettiner Hafen sah ich schon sehr große Schif fe, der Hafen war fast zugefroren. In der großen Vulkanschiffswerft wurde gerade der Panzerkreuzer ,Preußen' gebaut. Von Neuwarp, wo ich die schlechteste Herberge antraf, ging ich über das gefrorene Haff nach Altwarp, da sah ich zum erstenmal die Eisfischerei. Die Netze wurden von Pferden gezogen. Nach Ückermünde mußte ich einige Stunden durch den Wald gehen, da traf ich einen jungen Burschen, der ging auch nach Ückermün de, so waren wir beide froh, miteinander gehen zu können. Mitten im Wald setzte ein großer Trupp Hirsche über unsern Weg. Wir kamen zu einer Försterei und da ich einen ganz gewaltigen Hunger verspürte, ging ich hinein und sprach um ein Essen vor. So gut hatte ich es auch noch nie getroffen. Ich bekam Brot, Butter, Wurst und Käse und Bier dazu. Da sagte ich der guten Frau Försterin, daß draußen einer auf mich wartet, da holte sie den Kleinen auch gleich herein und er bekam dieselben guten Sachen. Als wir tüchtig satt waren, bedankten wir uns auch schön und langten wohlbehalten in Ückermünde ein. Der gute Herbergswirt wies mich nach Rochow und dort bekam ich wirklich Arbeit in ei ner sehr braven Familie, beim Meister Kolbe, wo ich auch sehr viel lernen konnte.

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