Von Nördlingen ging's nach Nürnberg. Diese alte Stadt hat mich gar groß interes siert und die Baudenkmäler haben mir einen unvergeßlichen Eindruck gemacht. Dann reiste ich nach Erlangen und Bamberg, nach Lichtenfels und nach Coburg. Coburg ist sehr schön und hat eine großartige Lage. Diese herrlichen Gartenanlagen und Denkmäler und das prächtige herzogliche Schloß! Auf der Herberge in Coburg fand ich einen Brief für mich vor. Nun ging's wieder zufuß weiter und zwar über Sonneberg nach Gräfenthal, wo ich bei einem Meister Arbeit bekam. Auf dem Wege dahin tat ich mich mit zwei Porzellan malern zusammen, das waren fidele und sangeslustige Kerle. Ich habe auch mit ihnen ge fochten und wir haben es jeder auf 35 Kreuzer gebracht, ein ganz nettes Sümmchen. Die ser Teil des Thüringer Waldes ist herrlich, schön und angenehm zum Reisen und es gab überall so viele und so große Heidelbeeren, daß wir fast nicht zum Marschieren kamen. In Gräfenthal arbeitete ich sieben Wochen. Es ist ein kleines nettes Städtchen mit einigen Porzellanfabriken und unglaublich viel Ziegen! In dem kleinsten Haus haben sie mindestens vier und noch mehr! Ich machte auch das in dieser Gegend sehr gebräuchli che Vogelschießen mit, was sehf lustig und so ähnlich ist wie bei uns ein Volksfest. Als die Arbeitszeit um war, nahm ich den Weg nach Salfeld, ein kleines Städt chen, bekannt von dem Treffen zu Salfeld in den Napoleonischen Kriegen, von dort wan derte ich nach Gera. Da sah ich zum erstenmal in meinem Leben eine Windmühle! Man soll gar nicht glauben, welchen Eindruck eine so einfache Mühle, die den Leuten dort das Selbstverständlichste von der Welt ist, auf einen macht, wenn man so etwas zum ersten mal sieht. In Gera habe ich wieder Arbeit bekommen und blieb bis zur Jahreswende. Gera ist eine ausgesprochene Fabriksstadt, es sind dort Klavier- und Harmoniumfabri ken und fünfunddreißig größere und kleine Gerbereien. Die Stadt ist ganz hübsch, hat 20.000 Einwohner und viele brauberechtigte Bürgershäuser, was für die Einwohner von großem Vorteil ist, denn im Gasthaus kostet ein halber Liter Bier 15 Pfennige, während man in der Bürgergassenschank um dasselbe Geld einen Liter erhielt. Mit dem Meister besuchte ich die Leipziger Micheli-Ledermesse, das hat mir großartig imponiert und es ist gar nicht zu beschreiben, was da für ein Geschäft geht, was da an Rohware und an ge arbeitetem Leder verkauft wurde. Leipzig ist sehr schön, wir besuchten das Theater, das Schützenhaus und den berühmten Rathauskeller. In der Stadt sieht man noch vielfache Spuren von der großen Völkerschlacht, welche gewissermaßen aufbewahrt werden, um den kommenden Geschlechtern die Erinnerung zu erhalten. Von Gera wanderte ich nach Halle an der Saale und blieb in der Herberge ,Zur Heimat' übernacht. Es geht in diesen Herbergen sehr ordentlich zu, man kann alles ha ben zu ganz billigen Preisen, nur keinen Schnaps, dafür halten sich dann auch keine Stro mer dort auf, sondern viele lustige, reisende Handwerksburschen gleich mir. Von Halle gingen wir bei starkem Schneefall nach Alzleben, mußten aber unter wegs in einem Bauernwirtshaus nächtigen und schliefen in der Wirtsstube auf einer Schüft Stroh, aber gut geschlafen haben wir doch! In Alzleben habe ich soviel Wurstsup pe gegessen, wie noch nie in meinem Leben. Immer noch schneite es heftig, bis wir end lich nach Magdeburg kamen. Die Orte, durch die wir marschierten, zeigen alle eine schö ne Ordnung und eine gewisse Wohlhabenheit.
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