-2. OBEROSTERREICHISCHE 38. Jahrgang 1984 Heft 4 Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpfiege in Oberösterreich Helmut Reinalter Jakobiner in Oberösterreich P. Benedikt Pitschmann Zur Kardinalserhebung von Cölestin Josef Gangibauer 1884 Fürsterzbischof von Wien Aldemar W. M. Schiffkorn Materialien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte „Erlebnisse eines Wanderburschen 1875 - 1880" Hans Rödhammer Die Pröpste des Augustiner-Chorherrenstiftes Ranshofen (1) Buchbesprechungen
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Leiter: W. Hofrat Dr. phil. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexemplare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Wiss. Oberrat Dr. phil. Aldemar W. M. Schiffkorn, Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in OÖ., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskultur zentrum Ursulinenhof), Tel. (0 73 2) 27 05 17 0* Jahresabonnement (4 Hefte) S 140.-inkl. 10%MwSt. Hersteller: Buch- + Offsetdruck Friedrich Karrer, 4020 Linz, Reslweg 3 Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Mitarbeiter Mag. Karl Mitterschiffthaler, Hafnerstraße 13, 4020 Linz Dr. P. Benedikt Fitschmann O.S.B., Stiftsarchivar, 4550 Kremsmünster Univ.-Prof. Dr. Helmut Reinalter, Institut für Geschichte an der Universität Innsbruck, Inn rain 52, 6020 Innsbruck Hans Rödhammer, Konsulent, Linke Brücken straße 8, 4040 Linz Mag. phil. Elisabeth Schiffkorn, Akaziengang 8, 4040 Buchenau Senatsrat Dr. Georg Wacha, Bethlehemstraße 7, 4020 Linz Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85-393-030-1 Titelbild Aus der Flugschriftensammlung im OÖ. Landes archiv (Vgl. S. 295)
Jakobiner in Oberösterreich Von Helmut Reinalter Es ist bis zum 2. Weltkrieg von der Geschichtsschreibung kaum beachtet wor den, daß in Europa zur Zeit der Französischen Revolution zahlreiche Jakobiner im Sinne der Revolutionsideen wirkten und eine Umwandlung der bestehenden gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse ins Auge faßten. Daß über die Jakobinerbewegung in der Habsburgermonarchie erst relativ spät geforscht und gearbeitet wurde, hängt mit dem Umstand zusammen, daß bis zum Zusammenbruch der Monarchie dynastische Interes sen jede Einsichtnahme in die Hauptquellen der Wiener Jakobiner zu verhindern wuß ten. Der Bestand „Vertraulicher Akten" wurde nämlich auf Weisung Kaiser Franz II. lange Zeit in der Hofburg als Geheimsache aufbewahrt und damit dem Zugriff der For schung entzogen. Auch als Kaiser Franz Joseph im Jahre 1878 dieses Quellenmaterial an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv überstellen ließ, durfte niemand an die Archivalien her an, da er ausdrücklich verfügte, sie undurchsucht dort deponiert zu lassen.^ Auch nach 1918 fand sich kein Historiker, die Bearbeitung dieses noch brachlie genden Materials in Angriff zu nehmen. Erst nach dem 2. Weltkrieg begannen dann lang sam einige Historiker-in erster Linie Ausländer-die bisher unberührten archivalischen Schätze zu durchforschen und SpezialUntersuchungen zu veröffentlichen. Erst in jüng ster Zeit, naehdem seit dem Prozeß gegen die Wiener Jakobiner sechs Generationen ver strichen sind, setzt nun die Jakobinerforschung auf breiterer Basis ein. Die neuesten Ar beiten versuchen dabei aus verschiedenen Perspektiven die Zielvorstellungen der Jako biner zu interpretieren und den oft abenteuerlichen Spuren ihrer Tätigkeit zu folgen.^ Aufgrund des vorhandenen Quellenmaterials wissen wir, daß jakobinische Zu sammenkünfte höchstwahrscheinlich in allen Ländern der Habsburgermonarchie statt gefunden haben, genauere Details sind uns allerdings nur dort bekannt, wo die Polizei eingreifen mußte, wie in Wien, in Ungarn, in Kärnten und Krain, in der Steiermark, in Qberösterreich, Tirol, Welschtirol und Vorarlberg.^ In disem Zusammenhang muß na türlich zwischen den Sympathisanten der Französischen Revolution und den relativ we1 Über die Quellenlage und das Schicksal der Vertraulichen Akten (VA) vgl.: Ludwig Bittner (Hg.): Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs. Bd. 2. Wien 1937. S. 117 ff., bes. 142 ff. 2 Vgl. dazu die Literaturhinweise bei Helmut Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. Zur Ge schichte des Jakobinertums und der frühdemokratischen Bestrebungen in der Habsburgermonarchie. (— Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. 68) Wien 1980. S.23 ff. 3 Siehe dazu die erste Gesamtdarstellung bei Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. S.229 ff.
nigen revolutionären Demokraten unterschieden werden. Das „Verzeichnis der eingezo genen Klubisten" vom 30. September 1794 weist einschließlich der verhafteten ungari schen Jakobiner 36 Namen auf," während Kaiman Benda von 200 - 300 radikalen De mokraten in Ungarn spricht.^ Die amtliche Liste des Polizeirninisters Graf Pergen vom 29. August 1794 enthielt 26 Namen von Verhafteten.® Sicher ist, daß es in Wien und in den übrigen Ländern der Monarchie bedeutend mehr Anhänger der Französischen Re volution gab, wirkliche Jakobiner unter ihnen blieben jedoch Einzelerscheinungen. Trotz scharfer Polizeimaßnahmen drangen die Ideen der Freiheit und Gleichheit auch in das Land ob der Enns ein.^ Zunächst muß jedoch betont werden, daß die Josephiner in Oberösterreich die Französische Revolution und den Jakobinismus ablehnten, wie Z.B.Joseph Valentin Eybel, der in seinen „Göttergesprächen gegen die Jakobiner" 1794 die Revolution kritisierte, da sie nach seiner Auffassung die „echte" Aufklärung zerstö re. Nichts ist bei ihm zu spüren von der so häufigen Hinneigung gegen die Ideen der Frei heit, Gleichheit und Brüderlichkeit, nichts von einem Versuch, die Ideologie der Revolu tion auch nur zu verstehen. Nur erbitterter Kampf ist seine Parole. Dieses Jakobinertum zerstöre ihm die wahre, echte Aufklärung und die Religion. Echte Aufklärung erkenne die Notwendigkeit der Religion und auch positiver ,Religionsvorschriften', echte Aufklärung fördere die staatliche Ordnungsmacht. Dies alles gehe unter jakobinischer ,Afteraufklärung' zugrunde.^ Eybel war zuerst Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien und kam dann im Jahre 1779 als Landrat der Regierung nach Linz. Für die Verbreitung der Ideen der Aufklärung trat besonders der Freimaurer Jo seph Franz Ratschky ein, der sich fünf Jahre in Linz aufhielt, über dessen dortiges Wir ken jedoch kaum etwas bekannt ist. Mehr wissen wir vom Historiker Mark Anton Gotsch, der sich — fortschrittsgläubig wie die ganze Aufklärung — von der Französischen Revolution und ihrem Resultat die Entwicklung einer „neuen Denkungsart und Kultur" erwartete. Der Professor für Kirchengeschichte am Lyzeum in Linz, Bernhard Wagner, 4 Alois Löw: Zur Geschichte des Wiener Jakobiner Prozesses. In: Monatsblatt des Altertum-Vereines zu Wien. 7 (1905). S. 166 ff. 5 Kaiman Benda: Die ungarischen Jakobiner. In: Maximilien Robespierre 1758— 1794. Hg. von Walter Markov. Berlin 1958. S. 430. 6 AVA, Polizeihofstelle 42/733. 7 Vgl. dazu Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. S. 315 ff. - Hans Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. Die politische Entwicklung in Oberösterreich von 1792 bis 1861. (= Österreich Ar chiv). Wien 1962. S. 13 ff. 8 Hans Sturmberger: Zwischen Barock und Romantik. In: Jahrbuch des oberösterreichischen Musealver eins 93 (1948). S. 147 ff., hier 179.-Über Eybel vgl.mch Justus Schmidt: Linzer Kunstchronik. Bd.3. Linz 1952. S. 283. — Heinrich Koller: Joseph Valentin Eybel als Historiker. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1958. S.249 ff. —Nun umfassend Afan/red Brandl: Der Kanonist Joseph Valentin Eybel (1741 —1805). Sein Beitrag zur Aufklärung in Österreich (= Forschungen zur Geschichte der katholischen Aufklärung. 2). Steyr 1976.
sah hingegen in der Freiheit und Gleichheit, wie sie von der Französischen Revolution proklamiert wurden, große Probleme.® Im Jahre 1793 erschien in Linz eine Flugschrift mit dem Titel „Politischer Fa schingskrapfen für die Bewohner des Landes ob der Enns",io eine antirevolutionäre Schrift, die sich an die „edlen, biederen Oberennser" richtete, das Betrügerische der französischen Freiheitsideen aufzudecken und die Untertanen zu ermahnen, die Reli gion, Vaterlandsliebe und Treue dem Monarchen gegenüber aufrechtzuerhalten; Glei che Ehrfurcht für die Religion, gleiche Liebe zu eurem Vaterlande, und gleiche Treue für einen Monarchen erhielt sich in euren Herzen, und gaben Franz dem II. bei zwo Durchrei sen Beweise, daß er ein edles würdiges Volk regiere; was, wie euch euer Landesvorsteher selbst öffentlich versichert hat, eurem Kaiser der schönste Lohn war für die vielen Nächte, ■m Ii ■■ fctitfi'c O&ufnr.Ki! ffit (Ur ^aSrni Wsii iit }|ir$ < tie fluSnJitijen St'hrasen oBtt Sfit tiuf menge SSeÜ' ik jie feltjt nidjt geniefeii, uorgefpesclt •u!i> , «nachriefen, um atlc frieUitfie HtttcrifscHeii gtäcii iiire ©brigfeiren, ober nidliiieljc gtaeii i^te eigene SlilffeHj. feit, Sufje, unbgintvndiffluftumitgefii. Sßei Bielen laben fie ilite -SSflefit trreid|t, ant tie Hngfüllidieii, i»e!(|epi|) buctl tiefe iBleiikisecfc mit Mgcn ' laben irrt fä|teii lafien, Scr?eiiitn leteitä tott Sieue i}t« . &i(|tjiHu!>ttit uiib ®l!irt|eir. . fntr teutf4<etS5ietci'|n!it aber, terfnüSeitcro »«•- fett» »iit Ssuernfloiike fdsn butel teil .§ar.b. traf Set aSten £>eutf(|cii oUet ®elt eewiStl, Miel im» »errfift ■ . ®Ieidie gljtfiit^t für tsie SleügiWi, gleite Siele jii ciiftm,359tettet!te, ant gieidieSceBc'fuf cnren Stmoreleii • fiel in euren ^)träe«,|unfc gaben gtanj teiii Jl, bei p« Siictlrciftii Sereeift, &«§ et etxtSIe« Kifefctgcd tJolt Kegiete; craS, n)i« eud} euer SaitbtSBovüelcr feit# offinte, . fitf) (erftdiett hat, eurem Äaifer tec feSsniie Eoln itar ffft p, Me Bideti OMdjtc, Me er fiir eiitt SoM btivdrea^t, tnc'; We Bielen 9i(f«|i'tn, teilen er |t#'für ca(| ijVteW gieft. ; Biefe« Seujiiig Betfcuiiten mit euren termaüge« frei«,./ • »iiiige« ®aSeii jeiget mit) in einer Sröffe, ber man eftiia:,;,; W'a Me,'Iii" 9 Sturmberger: Zwischen Barock und Romantik. S. 187. - Maria P. Habacher: P. Bernhard Wagner OSB, Professor für Kirchengeschichte am Lyzeum in Linz. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1958. S.272; — ein Gegner der Aufklärung war Franz Steininger (vgl. dazu Manfred Brandl: Ein oberösterreichischer Gegner der Aufklärung: Franz Steininger (1739 — 1805)). In: Oberösterreichische Heimatblätter. 32 (1978). S. 73 ff., während Joseph Valentin Paur als Anhänger der Aufklärung galt (i. Manfred Brandl: Jo seph Valentin Paur (1761 - 1835)). Ein vergessener Schriftsteller der österreichischen Spätaufklärung. In: Oberösterreichische Heimatblätter. 35 (1981). S. 193 ff. 10 Oberösterreichisches Landesarchiv (OÖLA), Flugschriftensammlung Sch. 1/Nr. 9.
die er für euer Wohl durchwacht, für die vielen Gefahren, denen er sich für euch Preis giebt. . . Allein die Erfahrung hat bereits bewiesen, daß die verschworenen Frankreicher in allen Ländern im Bunde sind sowohl mit Mißvergnügten, an denen es in keinem Lande auf der Welt fehlet, wie auch mit Ehrgeizigen, die immer mehr glänzen wollen, und mit Gliedern von geheimen Gesellschaften, welche wie die Revolutionsgesellschaften in Poh len, die Freunde der Freiheit in Lüttich, die Freiheitsklubbs in England, die durch ihre verschwörungskünste dem König die bekannten Proklamazionen abgenöthiget haben, u.s.w. welche sage ich Staatsregierungen verbessern wollen, da sie doch sehr oft nicht im Stande sind, ihre eigene Haushaltung in Ordnung zu bringen. Daß dieser Weg der Verschwörung der sicherste ist, alle Greuel der Zerrüttung aus Frankreich auch in andere glükliche Staa ten zu verpflanzen, dieses hat seine Richtigkeit. ^ ^ Wird Frankreich eine Republik, heißt es weiter, dann vertrete der Geldreichtum die Stelle einer „Edlen Geburt", und es bestim men Geldsäcke, wer an der Regierung teilnimmt, verdrängen reiche „Dummköpfe" und gewissenlose Wucherer „das mittellose Talent von dem Staatsruder, und das Volk ist vollends den größten Mißhandlungen, den unübersteigbarsten Druk preisgegeben". Die Schrift, die die Oberösterreicher vor den Wirkungen revolutionärer Ideen warnt, en det schließlich mit dem Appell, die Religion, Vaterlandsliebe und Treue dem Monarchen gegenüber aufrechtzuerhalten, damit das Vaterland „durch die Tugenden der alten Deutschen" weiterblühe. Propagandistisch gegen die Revolution wirkte auch die im selben Jahr erschiene ne „Ode eines Patrioten im Lande ob der Enns über die Empörungsgeschichte Frank reichs",^'* die sich an die Nationen Europas wandte, aus ihrem Dornröschenschlaf aufzu wachen: Vom Schlummer auf, Luropens Nazionen! In den ein böser Geist euch eingewiegt. Der neidisch auf die Gottheit, auf die Thronen, In Träumen euch betrügt; In Träumen, wo bei blut'gen Aufruhrszenen Den Königsmörder Logenbeifall krönt. Der beinkleidlose Schandbub — Bürgerthränen Gefühlsverschwendung nennt; In Träumen, die mit lügenhaften Bildern Die Gottesfurcht, die für die Ordnung wacht. Die Monarchie, als Despotismus schildern. Der euch zu Sklaven macht;. . . Ein böser Geist — der lange schon im Stillen Den gift'gen Zaubertrank bereitet hat: Bis er — die Welt mit Unheil anzufüllen. In Saal der Franken trat. 11 OÖLA, Flugschriftensammlung, 3 f. 12 A.a.O. 14. 13 A.a.O. 30. 14 OÖLA, Flugschriftensammlung, Hs. 17, Sammelband 1767 - 1816, IV/Nr. 10.
Der auch bei euch sich schon in die Gemächer, In Säle, in Privathäuser schleicht, Dem Adel, Bürger, Krieger seinen Becher, Den Blutdurstwecker reicht; Bald nächtlich beim verdächt'gen Brüdermahle Im Klubbe, Beifallzeichengebend — spukt. Bald an den Pulten bei dem Lampenstrahle In Schwärmerschriften gukt; In seinen Höllenplanen alle Thronen Und alle Gotteshallen demolirt. Und seinen Freiheitsgötzen mit den Kronen Erschlagner Fürsten ziert. . . Wacht, Völker, auf; und hört der Warnungstimme, Eh' der Empörer Lärm sie überschreit; Hört sie, und bebt — geschrekt vom Gottesgrimme, Der Ludwigs Mördern dräut. . .. O werdet klug! — Laßt euch nicht durch Broschüren, Worinn man nur von Menschengleichheit liest. Durch Mißverstand der Freyheit nicht verführen. Die unser Zeitstof ist. . . . Sucht Freiheit; aber laßt euch unterrichten. Wer, und wo er sie sicher finden kann? Sie findet in Erfüllung seiner Pflichten Der Christ, und Unterthann. . . . Dieß thut — Und wie wird Gott, o Nazionen! Durch Staatenglück bald eure Folgsamkeit, Religion, und Fürstentreue lohnen. Der izt zu strafen dräut. ^ ® Zwei Jahre später, 1795, klagte der „Oberoesterreichische Nachtwächter" in ei nem Aufruf an seine deutschen Mitbürger: Allein trotz Wein und Obst und Brod, War doch der liebe, alte Gott, Uns Deutschen nicht mehr dieses Jahr, So günstig, als er sonsten war. Verheeret ward durch Mord und Brand, Ein Theil vom deutschen Vaterland: Das Weib von seinem Mann getrennt. Und manches Mutterkind geschändt. . . . 15 OÖLA, Flugschriftensammlung, Hs. 17; einige Strophen auch bei Sturmberger: Der Weg zum Vertassungsstaat. S. 14.
Die Lieb zum Vaterland nimmt ab — Die Sittlichkeit, die geht zu Grab — Religion wird fast zum Spott — Den Meisten ist der Bauch ihr Gott. . . . Und daß ich es nur kurz euch sag! Es ist nicht mehr der deutsche Schlag! Nicht deutsche Sitt- und Redlichkeit, Die eher Gott und Mensch erfreut. Der zweite Teil enthält verschiedene Belehrungen, wie sich der Zeitgenosse zu verhalten habe: Drum wollt ihr wieder Gottes Huld, So wälzt von euch die alte Schuld, Und werdet in dem neuen Jahr, Was sonst der alte Deutsche war. Gebt ja der Jakobiner Lehr, Und ihrem Anhang kein Gehör! Denn diese böse Lehre hat Zernichtet Frankreichs schönen Staat. Bleibt Gott und eurem Glauben treu! Denn glaubet mir, nur der ist frey. Der seine Leidenschaft bezähmt. Und sich nach dem Gesetz bequemt.^^ In diesen Flugschriften und Aufrufen an die Bevölkerung spiegelten sich die Stimmen der Konservativen und Gegner der Revolution wider, die sich gegen die auf Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung gerichteten Ideen zur Wehr setzten. Angesichts der Gefahr, die von der Französischen Revolution für die Habsbur germonarchie ausging, langten - wie in allen übrigen Ländern - auch in Oberösterreich mehrere Weisungen der Polizeihofstelle ein, die der oberösterreichischen Regierung auftrugen, den Umlauf aller für den Staat gefährlichen Bücher zu verhindern und die Zensurvorschriften genauestens zu befolgen. Anstößige Stellen in den Zeitungsblättern sollten gestrichen und verbotene Hauspressen, die sich der polizeilichen Kontrolle ent zogen, ausgeforscht werden. Diesbezügliche Dekrete ergingen an den Zensurreferenten, an alle vier Kreisämter, an den Stadtmagistrat Linz und an die Linzer Polizeidirektion. Am S.Jänner 1793 wird in einem Bericht daraufhingewiesen, daß ein Vertrauter der Po lizei, der in Oberösterreich herumgesandt wurde, um die Stimmung in der Bevölkerung zu prüfen, in einem Gasthaus in Schärding zwei Franzosen mit einer Landkarte und meh16 OÖLA, Flugschriftensammlung, Hs. 18, Sammelband 1793 — 1815,1/Nr.5; vgl. auch Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 14. 17 OÖLA, Landesregierung, P.P. Seh. 29/2, 1792, Bücher, fol. 1 ff.
reren Papieren gesehen habe. Ihr Verhalten sei so verdächtig gewesen, daß man sie in Schärding als Jakobiner bezeichnet hätte.Durch solche Meldungen wurde natürlich das Mißtrauen der Polizei noch weiter verstärkt, so daß Graf Sauer im gleichen Monat dem oberösterreichischen Regierungspräsidenten, Graf Auersperg, auftrug, Nachfor schungen über den Aufenthalt des in Wien inhaftierten Franzosen Philipp Joseph Farez bezüglich seines früheren Aufenthalts in Linz anzustellen. Farez war, wie aus der Per sonsbeschreibung hervorgeht, zu diesem Zeitpunkt etwa 40 Jahre alt, aus Lille gebürtig und von Beruf Modehändler.Mitte Jänner 1793 erteilte Graf Pergen Auersperg ver schiedene Weisungen, ihm von Zeit zu Zeit Berichte über den Aufenthalt verdächtiger Fremder, über die Zusammenkünfte geheimer Gesellschaften und über die Stimmung im Volke einzusenden.20 Auf ein weiteres Schreiben Pergens von Ende Jänner antwortete Auersperg Anfang Februar, daß die Flinrichtung des Königs von Frankreich in ganz Oberösterreich Ablehnung und Bestürzung hervorgerufen habe und der Wunsch laut ge worden sei, die Bewohner Frankreichs für diese Untat zu bestrafen.21 Einige Zeit später berichtete er nach Wien, daß sich im Land ob der Enns kein einziger Republikaner und Anhänger der Französischen Revolution aufhalte.22 Obwohl Auersperg mit seiner Auffassung, daß der Großteil der Bevölkerung Oberösterreichs die Hinrichtung des Königs von Frankreich ablehnte, wahrscheinlich recht hatte, traf die zweite Feststellung sicher nicht zu, da wir aus den Polizeiakten wis sen, daß die Ideen der Revolution auch im Lande ob der Enns Verbreitung und Reso nanz fanden. Die Polizei ließ zwar die Volksstimmung genau prüfen und die zahlreichen Weisungen Pergens an Auersperg hatten die Verhinderung des Eindringens revolutionä rer Ideen und die scharfe Handhabung der Zensur zum Inhalt, doch kam es trotz solcher Vorsichtsmaßnahmen vereinzelt zu Sympathieäußerungen über die Ereignisse in Frank reich. Im Jahre 1793 löste sich die Freimaurerloge „Zu den sieben Weisen im Orient" von Linz, die 1783 gegründet wurde und zu deren geistigen Urhebern und Stiftern Major Karl Graf Auersperg, Oberstleutnant Fürst Heinrich XIV. Reuß, der Professor am Linzer Lyzeum, Anton Scharf, und der Landschaftsbereiter Jakob Schneider zählten, auf, nachdem vorher Polizeiminister Pergen dem Regierungspräsidenten von Oberösterreich, Grafen Auersperg, mitgeteilt hatte, daß der Kaiser den Wunsch zum Ausdruck ge bracht habe, „die Linzer Loge möge dem Beispiel der Wiener Loge folgen und bis zum Eintritt ruhiger Zeiten ihre Tätigkeit einstellen".22 Diese Auflösung kam den Bestrebun gen des Polizeiministers sehr entgegen, da er in den geheimen Verbindungen ein gefähr liches Mittel zur gesellschaftlichen Nivellierung sah. Der schon zu Beginn dieses Ab schnittes erwähnte Eybel hatte als Mitglied der Wiener Loge „Zur wahren Eintracht" in Linz kurze Zeit einen erbitterten Kampf gegen die Linzer Freimaurer geführt, was zu 18 OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 54, Polizei 1793, fol. 3 f. 19 OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 54, Polizei 1793, fol. 25; Antwort von Auersperg, ebda., fol. 29 f.; Per sonsbeschreibung von Farez, ebda., fol. 28. 20 Ebda., fol. 34 f. 21 Ebda.; Auersperg an Pergen, 5. 2. 1793, ebda., P. Sch. 54, Polizei 1793, 7/9. 22 Ebda., fol. 76. 23 Vgl. dazu Hans Sturmberger: Die Anfänge der Freimaurerei in Linz. In: Jahrbuch der Stadt Linz 1955. S. 99 ff. (bes. 100).
heftigen Beschwerden über den aggressiven Landrat Anlaß gab. Eybel wollte sogar auf grund brieflicher Äußerungen der Logenführung die Linzer Bauhütte mit Polizeigewalt ausheben lassen, was jedoch am Widerstand des Landeshauptmanns, Grafen Thürheim, scheiterte. Diese Aktivitäten Eybels dürften aber weniger der Polizeihofstelle in Wien als vielmehr ihm selbst entsprungen sein, da wir keinen einzigen Hinweis auf einen Zu sammenhang mit Pergen besitzen.2" Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Behörden auch - da sie revolutionäre Ideen verbreiten konnten — den Emigranten, die in das Land kamen, wie zum Beispiel 1793 dem ehemaligen französischen Minister Grafen de la Luzerne und drei anderen neu angekommenen Franzosen in Linz. Im Jahre 1798 sollen in ganz Oberösterreich insge samt 30 Emigranten gelebt haben und sieben französische Geistliche mit Jugenderzie hung beschäftigt gewesen sein.^s im März 1793 wurde über Befehl Pergens dem französi schen Emigranten Comte de la Prade, der sich zu diesem Zeitpunkt schon in Linz auf hielt, der Eintrittpaß mit dem Hinweis verweigert, daß „derselbe ohne weiterem auf die Grenzen zurückgewiesen, und aus den Erblanden abgeschaft werden solP'.^e Graf Auersperg gab darüber hinaus in Oberösterreich bekannt, daß „keinem französischen Aus wanderer der Eintritt in die Erblande gestattet werden solle, wenn er nicht von der gehei men Haupt- und Staatskanzley einen Paß aufzuweisen vermag", wobei diese Verfügung vor allem für die k. k. Haupteinbruchs- und Grenzzollämter gedacht war.^^ In einem Be richt vom Jahr 1793 an das Landespräsidium in Linz heißt es in diesem Zusammenhang u. a., daß in Braunau und Schärding von Zeit zu Zeit Franzosen über die Grenze kommen und sich für vertriebene Aristokraten ausgeben, die nach Wien Weiterreisen möchten. „Indessen", schlägt der nichtgenannte Schreiber vor, „ist allezeit das sicherste Mittel, die Zurückweisung an der Gränze, um das Land von Müssiggängern und Bettlern zu befreyen".^® Im Februar 1793 sandte Pergen eine neuerliche Note an Auersperg, die dies mal genaue Weisungen hinsichtlich des Verhaltens Fremden und Auswanderern gegen über enthielt. Von nun an durfte der Aufenthalt in der Hauptstadt nur mehr jenen Fran zosen gestattet werden, die ein positives Zeugnis über ihre „gute Denkungsart", ihren „moralischen Karakter", und eine sichere Bürgschaft über ihren Lebensunterhalt vor weisen konnten, um dem Staat nicht zur Last zu fallen; allen anderen Franzosen sollte der Aufenthalt verboten werden. Daß unter den Emigranten, zu denen auch der Erzbischof von Cambrai, Prinz Ferdinand von Rohan, zählte,®" gelegentlich positive Äußerungen über die Französische Revolution gemacht wurden, beweisen der Fall des Schauspielers Frangois Blachon, ge gen den wegen verdächtiger Reden eine Untersuchung lief,®^ und die Entlassung sowie 24 Sturmberger: Zwischen Barock und Romantik. S. 178. - Sturmberger: Die Anfänge der Freimaurerei in Linz. S. 102 ff. 25 OÖLA, Landesregierung, P.P.Sch.54, Polizei 1793. - Vgl. auch Sturmberger: Der Weg zum Verfassungs staat. S. 15. 26 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1793, fol. 8. 27 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1793, fol. 16 f. 28 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1793, fol. 24 f. 29 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1793, fol. 40 f. 30 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. 1798, Zensur, Sch. 29. 31 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1794.-Vgl. auch Sturmberger: Der Weg zum Verfassungs staat. S. 15.
Ausweisung des französischen Kammerdieners des Linzer Bischofs, Le Roi, der staats feindliche Reden hielt: „Zufolge hohen Presidialdekret dd 9t praes. 10t Hornung, wurde dem bey hiesigen Herrn Bischof als Kamer Diener bedienst gewesenen Mercy le Roy . . . der Auftrag gemachet, binnen 24. Stunden die Stadt Linz, und binnen 3 Tagen das Land bey Vermeidung ernsthafteren Maaßregeln zu räumen".Publizistisch wurden die Ideen der Revolution durch das der Zensur eingereichte, heute aber leider nicht mehr auffindbare Manuskript eines unbekannten Autors mit dem Titel „Offenherziges Ge spräch eines Jakobiners"^^ verbreitet. Bei Buchhändlern und Buchbindern veranlaßte die Polizei insgeheime Nachforschungen und Hausdurchsuchungen nach dem berüchtig ten „Taschenbuch der Franken".Im Bericht des Regierungskonzipisten und Zensurak tuars in Linz, Anton Cremeri, der zuerst Schauspieler, dann in Linz Journalist und Bü cherzensor war und am Lyzeum politische Wissenschaften sowie Philosophie studierte, fand sich u. a. der Hinweis auf ein „Gespräch zwischen einem Jakobiner von Paris und ei nem biederen Deutschen", das der Zensur vorlag, und ein Vermerk, daß Blumauers „travestierte Aeneis" bei den Buchhändlern nicht aufgefunden werden konnte.Von den Zeitungen wurden der „Straßburger Courier" und die Einfuhr der „Mainzer Zei tung" verboten.®® Eine gewisse Gefahr stellte auch die in Augsburg erscheinende „Maschenbairische Zeitung" dar, die durch ihre revolutionsfreundliche Schreibweise auffiel und sich in Oberösterreich im Jahre 1783 immer stärker zu verbreiten begann: „Die In formationen der Linzer Polizeidirektion konnten nur auf zufällige Beobachtungen auf bauen und waren daher sicherlich unvollständig. Wenn sie daher in Frankenmarkt vier Exemplare, in Steyr fünf und in Enns wiederum vier Exemplare feststellte, so läßt sich vermuten, daß die tatsächliche Verbreitung dieser Zeitung wesentlich größer gewesen ist".®^ Graf Seeau in Helfenberg, der Bezieher dieses Blattes war, erhielt vom Landes präsidium eine Mahnung, die Zeitung von den Hausleuten fernzuhalten, während der Propst von St. Florian die Landesregierung darauf aufmerksam machte, daß auch die Pfarre zu St. Florian und zu Ansfelden zum Bezieherkreis dieser Zeitung gehörten.®® Ende Februar 1793 erinnerte Polizeiminister Pergen, dessen Noten und Weisun gen auch in den folgenden Monaten nicht abbrachen, Graf Auersperg, daß ein Patent den galizischen und polnischen Republikanern, die sich in den k.k.Erblanden aufhielten, Be strebungen gegen die Wiederherstellung der alten polnischen Verfassung strengstens un tersagte und, da „dieser Seiner Majestät so sehr am Herzen liegende Gegenstand vorzüg lich in den Wirkungskreis der Polizey gehöret; so säume ich nicht Eure Excellenz auch 32 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch, 54, Polizei 1793, fol. 60. 33 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 29, 50, Bücher und Zensur 1793 (meine diesbezüglichen Nachfor schungen blieben leider ergebnislos). 34 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 29, Zensur, 1798. 35 Über Cremeri vlg.Schmidt: Kunstchronik. S.276 f.-Nun auch Manfred Brandl: Benedikt Dominik Anton Cremeri (1752 — 1795). Zensuraktuar, Theatermann und Populäraufklärer in Linz. In: Historisches Jahr buch der Stadt Linz 1978 (1979). S. 147 ff.; s. weiters auch OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 29, Bücher und Zensur, 1793. 36 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 29, Bücher und Zensur, 1793. 37 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. 1793,7/10; ebda., Sch.29, Bücher und Zensur 1793,fol.47.-Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 16. 38 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 29, Bücher und Zensur, 1793.
meines Orts hierauf aufmerksam zu machen und Ihnen diejenige Tätigkeit anzuempfeh len, welche die gegenwärtige Zeitumstände so nöthig machen, und mehr als je die Polizey zur ununterbrochenen Wachsamkeit auf alles, was immer im Publikum vorgehet, auffor dern".Im Jahre 1794 erstattete der schon erwähnte Zensuraktuar Cremeri die Anzei ge, daß durch Ulmer Schiffsleute eine Kiste mit Büchern nach Oberösterreich gelangt sei, die - laut beigefügtem Schreiben an eine Linzer Buchhandlung - für den Handels mann Landesfürst in Krems bestimmt war und einige Revolutionsschriften enthielt. Cre meri äußerte in seinem Bericht die Vermutung, daß es dort mehrere Freiheitsschwärmer und Revolutionäre geben müsse, da seinen Informationen nach schon öfters solche Bü cher nach Krems gelangten, die jedoch für Polen bestimmt waren."»" Im selben Jahr wur de auch die „Warschauer Zeitung für Pohlens freye Bürger" verboten."» Weitere Meldungen aus Passau und Linz betrafen die Zensur und bezogen sich auf Enns, wo in einer Kaserne französische Kriegsgefangene die Vorschriften nicht be achtet hätten und eine Gemeinschaft mit den übrigen Mitgliedern der Kaserne eingegan gen wären.Am 19. November 1794 meldete der kaiserliche Reichshofrats-Agent Pilgramm dem oberösterreichischen Regierungspräsidenten Auersperg, daß in Linz der fürstlich-passauische Hofbibliothekar-Adjunkt Ignaz Schmid während seiner Reise an das kaiserliche Hoflager angehalten wurde, da er verbotene Bücher und Schriften bei sich führe. Seine Bagage kam auf die Maut, die beschlagnahmten Bücher wurden der Zensur übergeben und von dieser dann zurückgestellt. Die Brieftasche unterzog der Po lizeidirektor einer genauen Durchsuchung, der dann Dekrete und verschiedene Briefe an sich nahm. Schmid mußte insgesamt neun Tage auf die Antwort warten, bis ihm die Polizei die Verordnung der Polizeihofstelle in Wien eröffnete, die verfügte, daß „er so gleich die k.k. Staaten verlassen solle, und man ihm zu dessen sicherer Befolgung auf sei ne eigene Kosten einen Polizey-Diener mitgeben werde, welches dann auch am lö.October geschah"."" Wie Schmid wurden schließlich auch die Professoren Schuhbauer, Lenz, Hunger und Mihlbiller außer Landes verwiesen."" Zur Abschreckung der Bevölkerung wurde in Oberösterreich auch die „Be schreibung auf Gilofski's Tod" vom 10. September 1794 verbreitet:"® Liebe Mitbürger! Der Mann, welcher den IQten dieses vor dem Stubenthore nach Kriegsrecht aufgehenkt worden ist, hieß Gilofski. Er kam als Fremdling nach Wien; der Staat gab ihm Schutz und Brod; er konnte ruhig und glücklich leben; allein schwarzer Undank befleckte seine Seele; er wurde von dem Staate, der ihn so liebevoll aufgenommen hatte, zum Verräther, und an seinen guten Mitbürgern, deren Ruhe er Stohren wollte, zum Verbrecher. Zeitlich genug entdeckte man dieses Menschen böses Vorhaben; er wurde eingezogen und untersucht; er fühlte gar bald, daß die schwere Hand der Gerechtigkeit ihn ergreiffen werde; und da ei nem Menschen, der so vermessen die Ruhe und die Glückseligkeit seiner Mitbürger zu un39 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1793, fol. 57. 40 OÖLA, Landesregierung, P.P.Sch.54, Polizei 1794, fol.270 f. (in der Beilage eine Liste der Bücher). 41 OÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1794, fol. 284 f. 42 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1794, fol. 289 f. 43 ÖÖLA, Landesregierung, P.P. Sch. 54, Polizei 1794, fol. 327 f. 44 Ebda. 45 ÖÖLA, Flugschriftensammlung, HS. 18, Sammelband 1793 - 1815, 1/6.
tergraben Willens war, Gott und die Religion nothwendig fremd sein müssen, so vermehrte er sein Verbrechen noch mit dem Selbstmorde, indem er sich in seinem Arreste mit einem Schnupftuche aufhenkte, und solcher Gestalt der Strafe, welche die Gesetze Verbrechern der Art ausmessen, zu entgehen hoffte. Er ist ihr aber nicht entgangen; das Kriegsrecht hat gesprochen, und er henkt an dem Pfahl, an den er bestimmt war, zum erspiegelnden Ab scheufür alle Ruhestöhrer, und zum Trost aller guten Bürger, welche in der gerechten Be strafung solcher Böswichter Sicherheit für ihre Person und ihr Eigenthum finden, und das Glück fühlen, in einem Staate zu leben, wo Ordnung und Gesetze herrschen.'*^ Gilowsky wurde als Wiener Jakobiner zum Tode verurteilt, erhängte sich aber vor der Vollstrekkung des Urteils in seiner Zelle. Trotz solcher abschreckender Maßnahmen sickerten die Ideen der Französischen Revolution in das Land ein und fanden dort fruchtbaren Boden. Vielleicht waren verein zelt auch Emissäre in Aktion, da sich zum Beispiel im benachbarten Bistum Passau Leute eingeschlichen und den „Irrwahn der Freiheitszucht" gepredigt hätten."^ Franz Seraph Spann, ein Literat, der 1754 in Wien geboren wurde und seine Erziehung im dortigen Theresianum genoß, studierte Rechtswissenschaften und bekam dann eine Stelle als Gubernialrat in Freiburg im Breisgau. Wegen seiner zynischen Art und freien Ansichten überwarf er sich mit den übrigen Räten, so daß er schließlich aus dem Dienst entlassen wurde. Die Eingaben, die Spann an die höheren Behörden und an den Thron richtete, blieben erfolglos. Aus der Korrespondenz geht hervor, daß sein Verhalten eine „ganz au ßerordentliche Überspannung und Unvorsichtigkeit" zeigte: so erschien er zum Beispiel bei einem offiziösen Requiem gelegentlich des Todes eines Mitglieds des Kaiserhauses, „dem alle Räthe in schwarzer Trauerkleidung beiwohnten, in einem scharlachrothen Kleide, wie man sie damahls in Paris trug.""® Nach seiner Dienstentlassung ging er nach Linz zu seinem Bruder. Dort schwärmte er gleichfalls von den Ereignissen in Frankreich. Zunächst brachte man ihm aufgrund seiner Entlassung in Waldshut - die er als Intrige hinstellte — eher Mitleid entgegen, bis er im Rahmen einer Einladung im Hause des Re gierungspräsidenten, Grafen Rottenhan, ganz offen für die Revolution eintrat, so daß sich einige Gäste mit Entsetzen von ihm abwandten. Da ein weiterer Aufenthalt bei sei nem Bruder in Linz dadurch unmöglich wurde, ging er nach Wien, wo er ebenfalls revo lutionsfreundliche Ideen äußerte, die schließlich zu seiner Verhaftung führten."® Die Untersuchungsakten liegen heute im Allgemeinen Verwaltungsarchiv Wien.®" Sie ent halten u. a. eine allerhöchste Note über die Staatsgefangenen, in der Spanns Inhaftierung 46 Beschreibung auf Gilofski's Tod. Den 10. September 1794 (Flugblattdruck), Stadtbibliothek Wien. — Vgl. auch Alfred Körner (Hrsg.): Die Wiener Jakobiner (= Deutsche revolutionäre Demokraten 3). Stuttgart 1972. S. 186. 47 OÖLA, Landesregierung, P.P.Sch.54, Polizei 1793. - Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 16. 48 Zu Spaun vgl. bes. die Familienchronik in OÖLA, Kopienarchiv (1788 - 1865), Spaun-Chronik 1, Hs.Nr. 102, 11 ff.— Weiters auch7. Anton Ritter von Spaun. In: Jahrbuch des oberösterreichischen Mu sealvereins. 85 (1933). S.3 ff., 7. — Hans Sturmberger: Anton von Spaun und der Geist des Barockzeitalters. In: Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereins. 98 (1953). S. 113 ff., hier 114. —Schmidt: Kunstchro nik. Bd. 2. S. 200 ff. Bd. 3. S. 353. 49 OÖLA, Kopienarchiv (1788 - 1865), Spaun-Chronik 1, Hs.Nr. 102, 12 ff. 50 AVA, Pergen Akten Vll/1, H 1 - 4; VII/9, H 2.
im Polizeihaus in Wien erwähnt wird, und ein Gesuch des Bruders an „Seine Kaiserl. Königl. Apostel. Maiestät. . ."5i In der von seinem Neffen Joseph geschriebenen Familienchronik steht u.a., daß er an der Diskussion über die Zeitereignisse so starkes Interesse zeigte, die Grundsätze der damals gerade in der „größten Blühte gestandenen Französischen Revolution" ver herrlichte und dabei die beschwichtigenden Worte des der Familie Spaun sehr gewoge nen Hausherrn unberücksichtigt ließ, „daß endlich die Gäste entrüstet aufsprangen und meinen Onkel für einen vollkommenen Jakobiner erklärten."" in Linz soll er angeblich auch in einen Kreis von französischen Emissären verkehrt haben, wie wir aus einem Be richt des Polizeidirektors aus Linz an Franz Xaver Spaun wissen, der ihn auf den gefährli chen Umgang seines Bruders aufmerksam machte. In Wien war Spaun im Sternhof inhaftiert. Später kam er in die Festung Kufstein, dann erneut nach Wien, wo er über acht Jahre gefangen blieb. Trotz verschiedener Ver suche seines Bruders gelang die Freilassung nicht. Während seiner Gefangenschaft schrieb er zwei Lustspiele in Versen, wovon eines den Titel „Die Damenhüte" trug. Erst auf einer späteren Audienz bei Kaiser Franz II. nach 1800 gelang es dem Bruder, der sich große Verdienste um das Land ob der Enns und die Stadt Linz erworben hatte, die Ent lassung Franz Seraphs aus der Haft zu erreichen, der dann nach Linz zurückkehrte, wo er als Erzieher und Lehrer der Kinder seines Bruders wirkte. Im offiziellen Entlassungs schreiben, das in Abwesenheit des Polizeiministers von Graf Saurau unterfertigt wurde, heißt es: Zufolge einer unterm Iten dieß—herabgelangten allerhöchsten Entschließung ist der zeither wegen revoluzionären Gesinnungen und zweydeutigen Verbindungen auf un bestimmte Zeit angehaltene Franz Spaun zu entlassen, und seinem Bruder Franz Xaver Spaun Fandschafts Syndikus in Finz gegen dem zu übergeben, daß er sowohl wegen seines ruhigen Betragens, als auch wegen seines künftigen Unterhalts Bürgschaft leiste. Belieben Eure Fxcellenz diese allerhöchste Entschließung dem Fandschaftssyndikus Spaun in Finz bekannt zu machen und den allerhöchst anbefohlenen Revers abzufordern. Sobald hinge gen der nunmehr entlassene Staatsarrestant Spaun, welcher nunmehr ehestens mittelst Be gleitung in Finz eintreffen wird, angekommen ist; so belieben Eure Fxcellenz denselben seinem Bruder zu übergeben auf ihn ein obachtsames Auge zu tragen, und mir von Zeit zu Zeit von seinem Betragen, oder von seinem allenfälligen Austritt aus den k:k: Frbländern Nachricht zu geben. Im Schreiben vom 19. Juni 1801 an Graf Auersperg betont Saurau, daß es, um sich des Jakobiners zu entledigen, günstig wäre, Spaun zu raten, außer Landes zu gehen. Alsdann ist aber Sorge zu tragen, daß er nicht wieder zurückkehre; denn die Rückkehr könnte ihm (nun) nicht mehr erlaubt werden. Sollte er jedoch in Finz verbleiben wollen, was in der Folge weder ihm noch seinem Bruder conveniren dürfte; so müßte auf ihn beständig in Geheim ein obachtsames Auge gerichtet, und daraufgesehen werden, daß er Finz nicht gegen einen andern Ort der k:k: Staaten vertausche; da sein Bruder zu Finz, 51 Ebda. 52 OÖLA, Kopienarchiv (1788—1865), Spaun-Chronik l,Hs.Nr.l02, 13. —Vgl.auch Angsüßer: Anton Rit ter von Spaun. S. 7. 53 OÖLA, Kopienarchiv (1788 — 1865), Spaun-Chronik 1, Hs.Nr. 102, 22 f. — Angsüßer: Anton Ritter von Spaun. S. 9. 54 OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 194, fol. 1.
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welcher für ihn haften muß, die Aufsicht über ihn und sein ruhiges Betragen an einem an dern Ort nicht führen kann. Später geriet Spaun dann — wie bereits erwähnt — in einen Kreis französischer Emigranten in Linz, wo er sich sehr wohl fühlte. Bevor jedoch die Polizei eingreifen konnte, entschloß sich Franz Seraph, nach Paris zu gehen, um Napoleon „seine Feder und seine Dienste" anzubieten.®® Dort trat er mit Maret in Kontakt, den er von seiner Haft her kannte. Maret, der inzwischen Staatssekretär unter Napoleon geworden war, vermittelte einen Empfang beim ersten Konsul, mit dem sich Spaun ca. eine Stunde un terhielt. In einem Brief an seinen Bruder brachte er seine große Enttäuschung über Na poleon zum Ausdruck. „Er hatte gehofft, einen großen, den Fortschritten der Mensch heit huldigenden Mann zu finden, statt dessen habe er nur einen ehrgeizigen ohne höhere Ansichten gefunden, der nur nach der Gewalt strebe, und alle Anlagen zu einem großar tigen Tirannen habe".®^ Aus Enttäuschung begab er sich schließlich nach Deutschland, wo er geistreiche Werke herausgab, darunter mathematische und staatswissenschaftliche Abhandlungen, Märchen und einen Roman. Später soll sich Spaun die Gunst des bayeri schen Königs erworben haben, der ihn zum Professor für Mathematik an der königlichen Akademie ernannt hatte. Dort überwarf er sich aber mit dem Militärkommandanten und den Offizieren, so daß er vom König entlassen werden mußte. Als Ruhegehalt bekam er jedoch 600 Gulden. Franz Seraph Spaun ist schließlich 1826, der Ort ist leider unbe kannt, verstorben. Die Ideen der Französischen Revolution wirkten aber nicht nur auf die Intelli genz ein, sondern erreichten auch andere Schichten der Bevölkerung, wenngleich wir nur wenige Quellenbelege haben, die uns Einblick in die tatsächliche Rezeption revolutionä ren Gedankenguts bei sozial unteren und mittleren Schichten geben. Mit Sicherheit wis sen wir, daß in der Gastwirtschaft zum „Goldenen Schiff" in Linz öffentlich Kupferstiche mit der Hinrichtung von Ludwig XVI. Verbreitung fanden und daß der Gastwirt Leopold Frisch den Polizeikommissär Csepi sogar mißhandelte, weil dieser die besagten Bilder beschlagnahmen wollte.®® Laut Anzeige des Dechanten von Sarleinsbach, Hieronymus Lorengo, soll auch der Kreisschulkommissär Josef Leibetseder in Freistadt, in Sarleins bach und anderen Orten des Oberen Mühlviertels anstößige Reden geführt und die Fran zösische Revolution verteidigt haben.®® Leibetseder scheint auch in der Liste der Linzer Freimaurerloge „Zu den sieben Weisen" auf, die von der „Provinzialloge" in Wien ge setzmäßig konstituiert wurde. Die Gründung erfolgte am 31. März 1783. Trotz des Wi derstandes, der von Eybel ausging, konnte sich die Bauhütte rasch vermehren.®® Aus dem Verzeichnis der Bibliothek Leibetseders geht hervor, daß er die Schriften Christian Wolffs, Martinis, Sonnenfels' und anderer Aufklärer kannte.®i 55 OÖLA, Landesregierung, P. Seh. 194, toi. 3-4. 56 OÖLA, Kopienarchiv (1788 — 1865), Spaun-Chronik 1, Hs. Nr. 102, 23 ff. 57 Ebda., 24. 58 OÖLA, Landesregierung, P.P.Sch.54, Polizei 1793, Linzer Polizeidirektion an die Landesregierung. — Vgl. auch Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 17. 59 Ebda.; vgl. auch den Leibetseder-Akt in: OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 190. 60 Vgl. dazu Stunnberger: Die Anfänge der Freimaurerei in Linz. S. 129. 61 OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 190, fol. 9 - 11' (Verzeichnis der Bücher).
In der eingeleiteten Untersuchung bestritt er alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe und verneinte entschieden, daß er in Peilstein für die Franzosen gesprochen, sie wegen des Königsmordes in Schutz genommen, ihre Revolution gelobt und dabei sehr bedenkli che Gesinnungen im Hinblick auf Staat und Religion geäußert habe. Unter anderem soll er angeblich die provokante Frage gestellt haben, wozu man überhaupt einen König oder Kaiser brauche.Die Mühlviertier waren zwar —wie man den Untersuchungsakten ent nehmen kann — in ihren Aussagen eher zurückhaltend, doch blieb die Stellungnahme Leibetseders für die Revolution unbestritten. Matthias Arnreither aus Peilstein erinner te sich zum Beispiel, daß er die Reden des Schulaufsehers so verstanden habe, „als wenn er den Kaiser klein, und die französischen Rebellen groß machen wollte",und darüber hinaus meinte, „alle Zuhörer hätten aus Leibetseders Reden geschlossen, daß der Kreis schulkommissär ein Jakobiner sei."®'* Der Fleischhauer Lorenz Schwarz aus Peilstein sagte in diesem Zusammenhang beim Verhör aus: „Übrigens deucht mir, wie man oft derlei Reden hört, daß es viele Leute gibt, die es wollten, daß es bei uns auch so wäre wie in Frankreich",®® was darauf schließen läßt, daß es auch auf dem Lande Sympathisanten der Französischen Revolution gab, die jedoch teilweise namentlich in den Akten nicht aufscheinen, da sie von der Polizei nicht registriert wurden und daher gegen sie keine Un tersuchung eingeleitet werden konnte. Am 5. Dezember 1793 richtete Polizeiminister Graf Pergen an Landeshaupt mann Graf Auersperg wegen der Untersuchung gegen Leibetseder folgendes Schreiben: Obwohl nun dieser Kreisschulkommissär der ihm von dem Dechant zu Sarleinsbach zur Last gelegten ärgerlichen Reden weder in der Art geständig, noch rechtsbeständig überwie sen ist, so hat derselbe, wo nicht boshaft, doch äußerst unvorsichtig, und für einen Beamten sehr unanständig gehandelt, daß er eingestandenermaßen mit Leuten von der mindern Klasse über Dinge an öffentlichen Orten geredet hat, welche nothwendig die Begriffe der selben verwirren, und zu Misverständniß Anlaß geben mußten. Demselben ist also dieses unbesonnene, für einen Kreisschulkommissär sehr auffallende Benehmen für dießmal ernstlich mit der Bedrohung zu verweisen, daß er im weiteren Betretungsfalle unnachsichtlich nach Maase seines Vergehens bestrafet werden würde. Uibrigens muß ich Euer Excel lenz Ermeßen anheimstellen, ob es nicht räthlich seyn dürfte, diesen Kreiskommissär in ein anderes Viertel zu übersetzen, da das zu diesem Amte nöthige Vertrauen durch diese Un tersuchung immer mag geschmälert worden seyn, auch diejenigen, bei denen er zum Misverständniß Anlaß gegeben hat, in dem Wahne bleiben würden, daß man unbedenklich seine Gesinnungen, von welcher Art sie auch seyn mögen, selbst an öffentlichen Orten äu ßern könne. Im Bericht des k.k. wirklichen Kämmerers, Regierungsrats und Kreishaupt manns des Mühlviertels, Graf von Klam, über Josef Leibetseder wird u. a. darauf hinge wiesen, daß alle seine Aufsätze, die Korrespondenz und Briefe genau durchsucht wur den, darunter aber nichts eindeutig Belastendes gefunden werden konnte. Dem Bericht 62 OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 54, Polizei 1793; P. Sch. 190, fol. 13 ff. 63 Ebda. 64 Ebda. - Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 18 f. 65 OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 190. — Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 18. 66 OÖLA, Landesregierung, P. Sch. 190, fol. 1 — 1'.
wurde ein Auszug aus der Wiener Kirchen-Zeitung vom 22. April 1786, in dem die Ver dienste Lorengos hervorgehoben werden, und ein Verzeichnis der Bücher Josef Leibetseders beigelegt.®^ Das Verhör zeigt zahlreiche Parallelen zum Jakobinerprozeß in Wien.®® Die Fragen, die an ihn gestellt wurden, betrafen die Französische Revolution, den Kaiser und die Religion. Sie weisen daraufhin, daß Leibetseder in breiteren Bevöl kerungsgruppen Resonanz gefunden haben muß. Daraus erklärt sich bis zu einem gewis sen Grad vielleicht auch die überempfindliche Reaktion der Obrigkeit. In Oberkappel sprach sich der Einnehmer Haschberger für die Franzosen aus, und im Innviertel erwarteten die Bauern mit Sehnsucht die „Neufranken" in Bayern, um sich mit diesem Land, von dem sie 15 Jahre vorher abgetrennt worden waren, wieder ver einigen zu können.®® Der Kreishauptmann des Innviertels, Kurz, soll nach einem Bericht des Linzer Polizeidirektors Schoppine über eine Reise ins Innviertel franzosenfreundlich eingestellt gewesen sein,^® und aus Windischgarsten teilte Pfarrer Josef Stubeck am 25. August 1796 mit, daß nach einer anbefohlenen Kanzelrede, die uns im Wortlaut überlie fert ist, in den Wirtshäusern des Marktes heftige Diskussionen geführt worden seien, wo bei Leute aus unteren Gesellschaftsschichten angeblich erklärten, daß die Franzosen gar nicht so übel wären, wie sie meistens geschildert werden: Die den gegenwärtigen Kriegsumständen anbefohlene Kanzelrede ist den 2Den dies abgehalten worden", heißt es bei Stubeck, „und kann Euer Excellenz berichten, daß selbe einen unerwarteten Kontrast her vorgebracht hat. Die Wohlhabenden, und überhaupt der größte Theilder Bewohner unse rer Gegend, die ihren Landes- Vatter, ihr Habe- und Ordnung lieben, wünschen sich diese Gäste nicht—haben sie nie gewunschen. Aber Sie, diese Kanzlrede hat mir auch wieder al ler Erwartung gezeigt, daß unser Gebürg von bös Gesinnten nicht ganz leer ist. Mehrere haben nach derselben, wie ich zu meinen größten Leydwesen hie und da von Gutgesinnten erfahren, über die drohenden Gefahren eines feindlichen Einfalles ihr Vergnügen nicht bergen können. So wie die Gutgesinnten mit Furcht und Erschütterung nach Hause giengen, sind die bösen gesellschaftlich in die Schenken gesessen, und haben die gefährlichsten Reden ausgestossen. Zum Beyspiel: Es seye nicht wahr, daß die Franzosen so böse verfah ren. Ja die Herrn, und Pfaffen nehmen sie beym Kopf, und das ist eben gut, wer wird so thöricht sein, und deswegen betten, zu geschweigen für sie streutten, und dergleichen . . . mehr. Freylich sind es nur wenige — verschwenderische schiddenvolle Hausvätter, oder sonst Zügllose, die Zucht und Ordnung verbahnt wissen wollen. Die meisten sind, so schließt dieser Bericht, gewis gutgesinnet.^'^ Im Präsidialschreiben vom 29. August 1796 wurde Stubeck aufgefordert, die Namen der Verdächtigen, die diese anstößigen Reden hielten, bekanntzugeben, wobei man ihm gleichzeitig versprach, die Informationsquelle unter keinen Umständen preiszugeben.^® 67 OÖLA, Landesregierung, P.Sch. 190, foI.2-7; fol.8 (Auszugausder Wiener Kirchen Zeitung). 68 OÖLA, Landesregierung, P.Sch. 190, fol. 13 ff. - Vgl.auch Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Re volution. S. 408 ff., bes. 417 ff. 69 Vgl. dazu Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 18. 70 OÖLA, Landesregierung, P.Sch. 54, Polizei 1794.-Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. S. 18. 71 ÖÖLA, Landesregierung, P. Sch. 54, Josef Stubeck, Windischgarsten. 72 Ebda., fol. 1 - 7.
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