Papierblumen aus Schwarzenberg' Von Franz Haudum Von alters her versuchte der Mensch, die Natur zu bannen, sie über die „tote Zeit" des Winters zu retten, etwa durch das Trocknen von Blumen, oder er trachtete, Gewächse künstlich und kunstvoll nachzuahmen. Außerdem waren Schnittblumen auch während der warmen Jahreszeit noch im 19. Jh. für weite Kreise ein unerschwinglicher Luxus. Die Blumenmacherkunst hatte ihren Ursprung im Mittelmeerraum. Im Mittelalter entfalteten sich Frauenklöster zu den wichtigsten Pflegestätten der Kunstblumenerzeugung. Im 17. Jh. entdeckte die adelige und bürgerliche Gesellschaft die Blumenmacherei als Liebhaberkunst. Von Italien angeregt schufen die Wiener und Prager Kunstblumenherstel ler Blumen aus versilbertem und vergoldetem Kup ferdraht, mit Folien und Seidenstoffen, als Schmuck für Heiligenbilder, Altäre, Grabdenkmäler, als Brautschmuck und für Totenkronen (Export nach Ungarn und Siebenbürgen). In Nordböhmen und Sachsen wurde die volks tümliche Blumenkunst zum Schmuck von Andachts stätten schon länger ausgeübt, wobei als Material vor allem Wachspapier Verwendung fand. Um 1840/50, zur Zeit der Arbeitslosigkeit der Weber, blieb als Ausweg nur der Einstieg in die gewerbliche Kunst blumenerzeugung. Sebnitz war die Blumenmetrop»- le, wo neben Totenkränzen und Sträußen für Frau enhauben in den 50er Jahren vor allem Erntesträuße und die mit Pfauenfedern geschmückten Rekruten sträuße hergestellt wurden. Dieser Aufschwung der deutschen Kunstblumenfertigung äußerte sich auch in zahlreichen Versuchen, das Blumenmachen an Orten einzuführen, wo es bisher unbekannt war. Papierblumen waren — nach Aussage der älteren Generation - in hiesigen Wohnungen und Kapellen massenhaft vorhanden. Heute sind diese Zierden schon fast ganz verschwunden. Als ich vor acht Jah ren der Sache nachging, fand ich folgende Situation vor: □ in der alten Freundorfer Dorfkapelle standen ehedem zwei einfache „Stöckl", aus einem Drahtgerüst gefertigt, das auf einem Dreifuß stand, darauf in Wachs getränkte sog. „Gedrehte Rosen", □ in der alten Veit-Kapelle in Pfaffetschlag um rahmte jeden Flügel des neugotischen Altär chens ein Kranz mit weißen und roten gedrehten Rosen, □ in der Kapelle in Schönberg, in Hinteranger in der Öller-Kapelle und Kasper-Kapelle, in der „Kreuzhäusr'-Kapelle und in der Oberschwar zenberger-Kapelle fanden sich „Stöckl" und Kränze mit unterschiedlichen Blumen, □ ein Lilienkranz in der Breitenberger Marien grotte, □ verschiedene „Stöckl" in etlichen Stuben in Hin teranger und Oberschwarzenberg. Mittlerweile sind die Kunstblumen z. T. bei Re novierungen auf den Abfallhaufen geworfen oder verbrannt worden. Wohl verstünden sich auch heute noch in jeder Ortschaft etliche Frauen auf die Handfertigkeit des Blumenbindens, doch sie üben sie nicht aus, weil die Blumen „aus der Mode gekommen" sind. Wollte in letzter Zeit jemand trotzdem Papierblumen aufstel len, so wandte er sich hauptsächlich an Anna Weidin ger in Hinteranger oder an die wohl einzige heute noch aktive Blumenherstellerin im Oberen Mühl viertel, an Leopoldine Donabauer in Oberschwar zenberg. Die Palette der von den beiden Frauen verfertig ten Blumenarten ist vielfältig: □ Am häufigsten fand wohl die mit wenigen Hand griffen herstellbare „gedrehte Rose" als Einzel blüte ihre Verwendung: zum Schmücken von Kränzen für Hochzeitswagen und Schwibbogen, in gewachstem Zustand für die Gräber statt der vom Frost verbrannten Naturblumen, weiters in Kapellen oder als Schmuck am Fensterbrett, zwi schen den Doppelfenstern in Reisig oder Holz wolle gebettet. □ Das „Lilienstöckl" oder der „Lilienkranz" rahm ten in den Kapellen die Marienstatuen oder geI hörten zur Versehgarnitur. □ Bei einem gewöhnlichen „Stöckl", dessen Be zeichnung vom überzogenen Holzzylinder her kommt, trägt ein Drahtgerüst Blätter, Knospen und Blüten in der Form eines Lebensbaumes. Verschiedene Größen von Apfelblüten, Astern, Nelken, Chrysanthemen, Gartenrosen, Seerosen und Phantasieblumen werden frontal auf eine Schauseite hin ausgerichtet. * Während der 4. Kulturwoche in Schwarzenberg im Mühlkrels vom 7. — 15. August 1982 fand zu diesem Thema eine vielbeach tete Ausstellung statt. (Anm. d. Redaktion)
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