OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 3/4

Boden, Haus und Hof erworben werden konnten, denn es fehlte das, „was du ererbt von deinen Vätern hast . . .".Die Heimat der Vorfahren wird unvergeß lich „im Herzen" bleiben, und unbewußt (in Gedan ken, Erinnerungen und Sehnsüchten) kehrt der Mensch immer wieder dorthin zurück. Der neunzig jährige Louis Trenker drückte es unlängst in einem Gespräch im Fernsehen so aus, als er um die „Hei mat" gefragt wurde: „Heimat ist all's! Land, Haus, Eltern, Religion; einfach all's." Schöner und kürzer kann über „Heimat" wohl nicht gesprochen werden. Wie weit treffen nun diese Andeutungen auf den Maler Karl Hayd zu? Er kam schon als Kleinkind von seinem Geburts ort weg und kehrte erst im Erwachsenenalter be suchsweise dorthin zurück. Sein Weggang wurde ihm dadurch erleichtert, daß seine Wiege zufällig^ in ei ner Kaserne (Kadetten-Schule in Hainburg an der Donau) stand, und Kasernen lediglich Kurzaufent halte von einigen Monaten (früher auch Jahren) zu lassen. Sein Offiziers-Vater wechselte oft die Stand orte, bis er sich nach seiner Pensionierung 1911 in Linz niedörließ, um dort bis zu seinem Tode (1932) zu verbleiben; er kehrte in seine Väterheimat Ober österreich (Salzkammergut) zurück, und auch Karl Hayd, der nach dem Kriegsende 1918 sich in Linz an siedelte, hatte endlich seine Heimat gefunden, wenngleich seine eigentliche, geistige Heimat inmit ten seiner Bilder war, in seinem Atelier. Vorerst war ihm dies versagt und so war er mehr oder weniger ge zwungen, seine Heimat im engeren und weiteren Umkreis zu erwandern, um seine Landschaftsmotive auszuwählen. Die intensive Beschäftigung mit den ästhetischen Werten einer Landschaft brachte neue Sehweisen und Gesichtspunkte mit sich. Es scheint ein eigenartiges Phänomen zu sein, daß die in einem bestimmten Landstrich eingesesse nen Bewohner die Schönheiten „ihrer" Heimat kaum im ästhetischen Sinne wahrnehmen. Es sind meistens Leute aus anderen Gegenden, oder Touri sten, die sie darauf aufmerksam machen müssen. Für die Inwohner hat die Landschaft vorwiegend Nutz oder Nützlichkeitscharakter, der aus langer Vorzeit der Bodengewinnung erhalten geblieben ist.^ Erst der Maler hilft die Schönheiten einer Gegend in ih ren verschiedenen Tageszeiten und Stimmungen zu sehen und zu entdecken. Eigenartigerweise würden die Natur- und Alpenvereine eine ähnliche Tendenz (neben der körperlichen Übung) verfolgen, sähen die Menschen nur mehr in besinnlicher Schau die Naturschönheiten und nicht so sehr in sportlichem Ehrgeiz die Bewältigung eines bestimmten Pensums in einer bestimmten Zeit. Besonders in den Bergen ist es auffällig, wie schnell die Touren absolviert wer den; kaum hat einer Zeit, sich die Eigentümlichkei ten von Felsformationen oder Tälern und Panora men einzuprägen, schon ist er wieder beim Schlepp oder Sessellift, um das nächste Programm in Angriff zu nehmen. (Ein deutsches Ehepaar zeigte mir im Vorjahr in den Tiroler Bergen einen Schrittzähler, den der Mann am Gürtel trug und war stolz, soundsoviele Kilometer an diesem Tage gegangen zu sein!) Es läßt sich leicht denken, daß eine derart program mierte Erfahrensweise - bei der es um Daten und Zahlen und nicht um die Schönheit der Landschaft geht - kein tieferes Landschaftserlebnis zuläßt. Viel später erst, in den Bildern der Fotografen oder in den Gemälden der Maler erkennen manche Touristen wieder eine schon einmal begangene Ge gend. Der Künstler aber, als sensibler Seismograph, zeichnet seine Eindrücke intensiver auf und gibt sie in seinen Werken wieder; seine Sicht der landschaft lichen Gegebenheiten, der Hügel und Täler, der Wiesen und Wälder, der Felder und Berge öffnet oft mals erst dem Betrachter die Augen über einen Landschaftsausschnitt, den dieser vorher nicht gese hen hatte. Das durch die Werke des Künstlers er lernte Schauen macht ihm seine eigene nähere oder weitere Umgebung erst „bekannt", weil er selbst oft nicht in der Lage ist, in „Ausschnitten" zu sehen, und aus der Fülle der dargebotenen, vor ihm ausgebreite ten Landschaft besonders schöne Blickpunkte her auszuschälen. Karl Hayd hatte die besondere Gabe als Land schafter immer eigenwillige Standorte aufzufinden und Ausschnitte zu wählen, die man nie sah, so oft man auch an einer bestimmten Gegend vorüberging. Mit zunehmendem Alter vertiefte sich seine Heimat liebe in der Weise, daß er noch mit über sechzig Jah ren Leinwand und Staffelei hoch in die Berge hinauf trug, um an Ort und Stelle seine Bilder zu malen. Ei ne unvorstellbare Meisterschaft in der Pinselführung und in der Sicherheit des Farbauftrages befähigten ihn, die im Gebirge rasch wechselnden Stimmungen von Licht und Schatten, Sonne und Wolken ebenso rasch einzufangen und auf die Leinwand zu bringen. Nur wer selbst ^ so wie ich - versuchte, die Welt der Berge malerisch zu bewältigen, kann auch nur annä hernd verstehen, welch umfassendes Können Karl Hayd besaß. Bei ihm „stimmte" nicht nur jede Ein zelheit fast topographisch genau, sondern auch die ins Bildmäßige umgesetzte Gesamtstimmung, die unverwechselbare Atmosphäre einer Gegend. Be sonders liebte er das Salzkammergut (sein Vater war in Aussee geboren worden) und da wieder besonders den Traunsee, und war jahrelang in Traunkirchen ^ Vgl. Fritz Feichtinger: Der Maler Karl Hayd. Linz 1982. S.9. ^ Vgl. zu dieser Problematik: Rolf Wedewer: Landschaftsmalerei zwischen Traum und Wirklichkeit. Köln 1978. S. 16 ff.

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