Die Linz-Budweiser-Bahn Ausgangspunkt des internationalen Schienenverkehrs Von Günther Kleinhanns Vor 150 Jahren wurde die Pferdebahn Budweis-Linz durch Kaiser Franz L von Österreich eröffnet . . . Wir haben als ein öffentliches Unglück zu be klagen, daß diese beiden ersten Versuche in Deutsch land aufso ungünstigen Routen und mit so unzuläng lichen Mitteln angestellt worden sind, hoffen aber mit Zuversicht, Herr Schönerer, der erfahrene Bauführer der Linz-Gemünder Bahn, die demnächst vollendet werden wird, werde diesen verunglückten Unterneh mungen ein gelungenes Werk gegenüberstellen, und damit die öffentliche Meinung in Österreich wieder zugunsten der Eisenbahnen stimmen . . . Friedrich List* Wiederum ist es ein rundes Jubiläum, das Anlaß zu Rückschau und Wertung gibt. Am 21. Juli 1832 befuhr ein erster Zug aus mehreren offenen und ge schlossenen Personenwagen, im zweiten davon der österreichische Kaiser Franz I.mit seiner Gemahlin, die Bahnstrecke zwischen Urfahr und dem Dorfe St. Magdalena und eröffnete damit den Schienenver kehr auf der bis 1832 längsten Überlandbahnstrecke der Welt. Die Budweis-Linzer Eisenbahn war aber nicht nur die seinerzeit längste Bahnstrecke der Welt, son dern auch die erste Bahnlinie Mitteleuropas und zu gleich die erste, modernen Verkehrsgrundsätzen entsprechende Schienenverkehrsstrecke. Acht Jahre waren seit der Vorstellung einer gut 200 Meter langen Probestrecke im Wiener Prater durch den einstigen Professor für praktische Geo metrie am Polytechnischen Institut Wien, Franz Anton Ritter von Gerstner, vergangen. Und genau fünfundzwanzig Jahre, seit der Vater Franz Antons, Franz Joseph Gerstner (1756- 1832), damals Di rektor der Technischen Lehranstalt Prag, das Pro jekt einer Pferdebahnverbindung Moldau - Donau 1807 erstmals als Alternative zu den Jahrhunderte alten Kanalprojekten ausgearbeitet hatte. Sohn Franz Anton (1796- 1840), vom Anbe ginn seiner technischen Studien an in Prag mit dem Projekt des Vaters befaßt, hatte als Professor am Wiener Polytechnikum 1820 von der Regierung den Auftrag erhalten, das durch die Kriegswirren 1809 - 1814 liegengebliebene Projekt seines Vaters wieder aufzunehmen und zu realisieren. Zu diesem Zwecke war der Flochschullehrer erstmals 1822 bereits als Unternehmer, dann noch mals 1826 und 1829, insgesamt also dreimal, zum Studium der Bahnbetriebseinrichtungen in die engli schen Industriereviere gereist. Außerdem konnte der Geodät bei seinen Vor studien nicht nur auf die wesentlichen „Zwey Ab handlungen über Frachtwägen und Straßen und über die Frage, ob und in welchen Fällen der Bau schiffba rer Canäle, Eisenwege oder gemachter Straßen vor zuziehen sey" seines Vaters, sondern auch auf das vollständige Projekt des Linzer k. k. Baudirektors Ferdinand Mayer, über eine „Schienenbahn Gmunden-Zizelau" sowie auf das Projekt des versierten Münchner Eisenbahnplaners Josef von Baader über eine Moldau-Donau-Bahn zurückgreifen. Als Initia toren des Bahnprojektes können weiters der Ober amtsrat bei der Salinenbehörde in Gmunden, Jo hann von Adlersburg, der ebenfalls schon 1815 eine Pferdebahn Gmunden-Zizlau vorgeschlagen hatte, und der Linzer Großkaufmann und Spediteur Franz von Planck, ohne dessen Einsatz der ganze Bahnbau spätestens 1829 zusammengebrochen wäre, ange führt werden. Über das Kreisamt des Viertels ober dem Manhartsberg (heute Waldviertel) erwarb Franz Anton Ritter von Gerstner 1824 das kaiserliche Privileg „Zur Errichtung einer Holz- und Eisenbahn zwi schen Mauthausen und Budweis zur Verbindung der Donau mit der Moldau". Kurz zuvor war die bereits oben erwähnte Versuchsbahn im Wiener Prater er folgreich betrieben worden. Der - durch den wirtschaftlich an Böhmen inter essierten Adel - finanzierte Technikprofessor hatte bereits im Sommer 1824 mit dreizehn Studenten bzw. Absolventen die Streckenvermessung begonnen. Im Frühjahr 1825 überließ Franz Anton von Gerstner sein fünfzigjähriges Privileg gegen den Pauschalbe trag von 130.000,- Gulden Conventionsmünze an ein Konsortium Wiener Handelshäuser, das eine „Kaiserlich-königlich privilegierte Eisenbahn-Ge sellschaft" gegründet hatte, in die Vater und Sohn Gerstner als „scientifisch-technische Leiter" des Un ternehmens integriert waren. Der am 28. Juli 1825 bei Nettrowitz (ehemals Be zirk Kaplitz) zelebrierte Spatenstich sollte eine drei- ■ Zitat aus: Vergleichung der Liverpool-Manchester-, der Budweis-Linzer- und der Prag-Pilsener- mit der Leipzig-Dresde ner-Eisenbahn, Leipzig 1834. In: Friedrich List: Schriften, Re den, Briefe, Berlin 1931.
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