OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 3/4

Stadt und Land kamen Leute zu ihm und baten um Fürbit te in ihren Anliegen. Herr Doktor hat vieles erreicht. Viel Unmhe und Durcheinander herrschte in al len Räumen des Klosters. Das Refektorium wird zum Krankensaal umgestaltet. Das Rote Kreuz übernimmt die Betreuung der vielen Kranken und Verwundeten, die von allen Seiten hergebracht wur den. Am 6. und 7. und 8. Mai Durchzug der amerikanischen Truppen bei Tag und Nacht. Großartig in seiner Art! - Am 10. Mai: Dr. Ory bezieht mit seiner Sanitätsmann schaft die Gastzellen als Wohnung; ebenso Herr Chirurg Van der Haken. — Am 13. Mai kamen während des Abendessens 30 amerikanische Soldaten (Neger!) zu Besuch. Nach kurzer Besichtigung des Hauses und Gar tens entfernten sie sich. Sie waren sehr höflich. - Am 14. Mai beginnen die Aufräumungsarbeiten in der Bibliothek und in den vom Militär bewohnten Zellen. Eine schwere Arbeit! — Am 18. Mai kehrt P. Josef Leonissa Triendl von Dachau (KZ) zurück. 21 Monate war er dort im Konzen trationslager! Als Provisor von Wippenham und Diersbach hatte er den Mund zu weit aufgetan, was ihm teuer zu stehen kam®®. - Am 21. Mai treffen die Franzosen Vorbe reitungen zur Heimfahrt. Sie schenken dem Kloster diver se Konserven, Blättertabak ... am 25.Mai, Freitag, neh men Dr. Ory, Assistent Van der Haken und Sanitätsmann Eugen in höflichster Weise Abschied von der Klosterfa milie. Sie fuhren nach Wels, um dort mit dem Flugzeug in die Heimat befördert zu werden. Sie kamen alle glücklich in Paris an. — 28. Mai: das „Klarahaus" und zum Teil auch das Kloster werden Lager für Flüchtlinge aus West deutschland, Niederösterreich und für Heimkehrer aus Berlin und Wien. Auch eine Anzahl Flak-Mädchen und Frauen waren im Lager. Sie zierten aber den Klostergar ten nicht mit „Lilien"! - Am 8. Juni wird das Refektorium wieder wohnlich gemacht für die Klosterfamilie. - Am 7. und 9. Juli verlassen etwa 40 Flüchtlinge das „Klarahaus" und beziehen ein Barackenlager bei Ried (Riedberg!)."® Mühsam mußte das Kloster wieder instandge setzt und wohnlich eingerichtet werden. Wohltäter schenkten Einrichtungsgegenstände. Die Bücher der Bibliothek, die größtenteils bei Privatleuten hinter legt waren, wurden herbeigeschafft und wieder ein geordnet. Mit beginnendem Herbst 1945 war die Klosterfamilie vollzählig: neun Patres und vier Brü der."^ Die Jahre der NS-Zeit brachten schwere Prüfun gen über die Tiroler Kapuzinerordensprovinz. Meh rere Niederlassungen mußten die völlige Konfiska tion erleiden, andere eine teilweise Aufhebung."® Der 1938 blühende Personalstand der Provinz erlitt eine empfindhche Reduzierung."® Große Verluste an Mitbrüdern waren eine bittere Folge des 2. Welt krieges."" Personell und spirituell konnte sich die Provinz auch Jahrzehnte nach dem großen Weltkrieg bis zur Stunde nicht voll erholen. Heute bemühen sich die Patres im Kapuzinerkloster Ried, den An forderungen der Seelsorge nach Möglichkeit nach zukommen und dem Seelenheil der Gläubigen zu dienen. ®8 Chr. a. a. O., L, 149/150. ®® P. Josef Leonissa Triendl, geb. 1893 in Rinn/Tulfes bei Inns bruck, trat 1914 in den Orden ein, war zeitlebens ein eifriger Aushilfspater. Wegen gewagter Bemerkungen über das Dritte Reich auf der Kanzel anläßlich einer Pfarrvertretung in Diersbach wurde er angezeigt und verhaftet, kam in das KZ-Dachau, wo er im Frühjahr 1945 den „Todesmarsch" mitmachte und durch die Amerikaner in Freiheit gesetzt wurde; gestorben in Innsbruck am 28. 12. 1981. "® Chr. a. a. O., I., 151/152. Chr. a. a. O., I., 104. - Cat. 1945. Pg. 19. In der Nordtiroler Kapuzinerprovinz wurden folgende Klöster in der NS-Zeit konfisziert und zweckentfremdet: Innsbruck, Kitzbühel, Fügen (Seraphisches Liebeswerk), Landeck-Perjen, Salzburg, Werfen i.Pongau, Radstadt, Bludenz, Reichenberg in Böhmen (seit 1906 von den Tiroler Kapuzinern betreut); teil weise aufgehoben wurden: Ried OÖ., Braunau OÖ., Imst (No viziatsgebäude), Feldkirch und Bezau i. Bregenzerwald. "® 1938 zählte die Provinz: 160 Patres, 63 Theologen, 13 Kleriker novizen, 73 Laienbrüder, 4 Laiennovizen, 6 Tertiarbrüder; ge samt also 319 Mitglieder! (Cat.a.a.O., 1938. Pg.26.) 1945 zählte die Provinz: 145 Patres, 33 Theologen, 4 Kleriker novizen, 47 Laienbrüder, 1 Laiennovize, 1 Tertiarbruder; ge samt also 231 Mitbrüder! (Cat.a.a.O., 1945.Pg.29.) Vgl.dazu den Personalstand 1979: 81 Patres und 20 Brüder; ge samt also 101 Mitglieder! (Schematismus der Nordtiroler Ka puzinerprovinz V. 1.11.1979. Innsbruck 1979. S.37.) "" Die Kriegsppfer der Nordtiroler Provinz (1939 - 45): gefallen sind 4 Patres, 6 Kleriker und 9 Ordensbrüder, 12 Mitbrüder blieben vermißt. Einige kehrten vom Krieg zwar heim, aber nicht mehr in den Orden zurück. N.B. 1942 dienten bereits 136 Kapuziner unserer Provinz ün Deutschen Heer.

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