OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 3/4

Das Rasenlabyrinth von Sneinton, Großbritannien, lag in der Nähe der 1409 errichteten Kapelle St. Anne und diente den Mönchen zu Bußübungen. tungsgebiet der Erdställe, in Frankreich, und weiter zu den gemalten Labyrinthen eines Friedensreich Hundertwasser, dem Wiener Modemaler unserer Tage. Das unentdeckt gebliebene Labyrinth von Knossos soll in einem der zahlreichen Höhlenkomplexe von Kreta verborgen gewesen sein. Janet Bord^^ schreibt dazu: Die Gleichsetzung von Labyrinth und Höhle ist durchaus naheliegend. Höhlen übten auf den Menschen der Früh zeit eine große Anziehungskraft aus, und er wählte für die Durchführung seiner Rituale häufig Höhlen mit schwieri gem Zugang. Vielleicht stellten Höhlen für ihn die Ver bindung zwischen seiner Welt und der Welt der Toten dar, den Weg ins Innere der Mutter Erde. Sind unsere Erdställe Abkömmlinge oder Ver wandte des Labyrinths? 7. 2. Krankheitsmagie Weitere Überlegungen sollten um die unge wöhnlich engen Durchschlüpfe oder Schliefgänge kreisen, die als charakteristische Baumerkmale die Erdställe von allen anderen unterirdischen Bauten unterscheiden. Daraus ergibt sich die Fragestellung: wo finden wir ähnliche Erscheinungen und welchen Sinn haben diese? Bei der Untersuchung stoßen wir auf den alten Volksbrauch des Durchkriechens oder Durchziehens^" an bestimmten Orten, um einen Kranken von seinem Übel zu befreien. Hier finden wir den Ge danken des Abstreifens als Analogiezauber, um die Krankheit auf ein fremdes Medium zu übertragen. Aus dem 9. Jahrhundert, wohl eher zufällig nahe dem vermuteten Beginn der Erdstallzeit in Ober österreich, gibt es in einem kirchlichen Bußbuch eine bemerkenswerte Strafandrohung: Si quis pro sanitate filioli per foramen terrae exierit, illudque spinis post se concludit, XL dies in pane et aqua poenitat. (Wenn jemand für die Gesundheit des Söhnchens durch ein künstliches oder natürliches Erdloch kriecht, und dieses hinter sich mit Dornen verschließt, soll er 40 Tage bei Brot und Wasser büßen. Der Brauch hat ältere Wurzeln. Der hl. Eligius (588 - 659) verdammte bereits im T.Jahrhundert ei nen ähnlichen Tieraberglauben: Nullus praesumat lustrationes facere, nec herbas incantare, neque per cavam arborem vel per terram foratam transire, quia per haec videtur diabolo ea consercrare; (keiner möge sich herausnehmen, Sühneopfer durchzuführen, noch Gräser durch Zaubersprüche zu weihen, noch das Kleinvieh durch einen hohlen Baum oder durch die durch bohrte Erde zu ziehen, weil er es dadurch dem Teufel zu weihen scheint).2® Vierhundert Jahre später, im 11. Jahrhundert, rügt Burchard von Worms ebenfalls diesen Brauch: Fecisti, quod quaedam mulieres facere solent, illae dico, quae habent vagientes infantes, effodiunt terram, et ex parte pertusant eam, et per illud foramen pertrahunt infantem, et sie dicunt, vagientis cessare vagitum; (du hast getan, was gewisse Frauen zu tun pflegen, nämlich jene, die wimmernde Kinder haben, graben die Erde auf und durchlöchern sie zum Teil und ziehen das Kind durch je nes Loch und sagen, daß so das Wimmern des Wimmern den aufhört). Und noch 1411 berichtet Hans Vintler: „do send ettlich der amnen/dieselben nement die jungen kind/ do sy erst geporen sind/und stossends durch ain hole (Loch)".28 Ähnliche Bräuche haben sich bis heute erhalten. Im Mühlviertel besitzt der Wunderstein von St.ThoBord, Janet: „Irrgärten und Labyrinthe", London-Köln 1976, S. 35. Oswald A.Erich und Richard Beitl, „Wörterbuch der deutschen Volkskunde", S.Auflage, neu bearbeitet von Richard Beitl un ter Mitarbeit von Klaus Beitl, Stuttgart 1974, Stichwort „durch ziehen", S. 156. „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens", hrsg. v. E. Hoffmann-Krayer, Stichwort „durchkriechen, durchlaufen, durchziehen", Berlin-Leipzig 1935/36, Sp. 484. wie Anin. 25. wie Anm. 25. wie Anm. 25.

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