OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 3/4

mu. .-. . Jlc ^^6?tcntt)o^nun(icn Bei c^onoenfleln Im <fiarj. 9!ntf) einer i""' ß- Jteell. Noch in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gab es unterirdische Wohnungen mitten in Deutschland, aus dem massiven Felsen herausgearbeitet. Der wesentliche Unterschied zu Erdställen: Beleuchtung durch Tageslicht, gründliche Belüftung und Heizung waren möglich. Augenzeugen berichteten, die Einrichtung der Felsenwohnungen sei ärmlich, aber sauber. Geschlafen wurde auf Stroh, das direkt auf dem Boden lag, mit einem Ofen die Stube geheizt und in der Küche auf einem Herd gekocht. Die Wohnungen waren im Sommer kühl, im Winter warm, die Bewohner, wie besonders hervorgeho ben wird, „rothbäckig", kräftig und vollständig gesund. Nur unter solchen Bedingungen dürfte es möglich sein, längere Zeit in unterirdischen Räumen zu wohnen. spekt, Staunen und Verwunderung vor den unbe kannten Menschen, die aus rätselhaftem Antrieb hunderte, wenn nicht tausende von Erdställen anleg ten. Und sie waren keine Zwerge, sondern Men schen des Mittelalters mit nur wenig geringerer Kör pergröße als die Menschen unserer Zeit. Oder kommen wir einer Lösung näher, wenn wir die angesprochene „Zunft" der Erdstallbauer, wan dernd von Bauplatz zu Bauplatz, als besonders klein wüchsig ansehen? Denken wir an die Jockeys unse rer Tage, die nicht nur ausgezeichnete Reiter sind. Sie müssen auch klein und leicht sein, damit das von ihnen gerittene Pferd den Sieg erringt. Schon immer waren bei einigen Berufen besondere Körpermerk male wichtig, warum nicht auch bei Erdstallbauern? 6. 4. Wohnung, Arbeitsraum Die Möglichkeit, Erdställe als Wohnung oder Arbeitsraum zu nutzen, ist praktisch nicht gegeben. Diese Theorie scheint ihren Ursprung bei Plinius zu finden, in dessen Werk „historia naturalis''^®, über die Kunst des Webens in Germanien berichtet wird, daß diese Arbeit in unter die Erde gegrabenen Räu men stattfindet.^^ Das dürften aber weder Erdställe noch andere künstliche Höhlen gewesen sein, sondern Wohngru ben oder Grubenhäuser, wie sie noch im Frühmittel alter weit verbreitet waren.^® Rekonstruktionszeichnungen derartiger Bauten, ausnahmslos ohne Feuer stelle, finden sich bei DimF ®, der ebenfalls Plinius als Quelle für Bauart und vermuteten Verwendungs zweck zitiert und diese als genitium-Arbeitshaus für Frauen (Webhütte?) betrachtet. Erdställe können wir aus dieser Möglichkeit völlig ausschließen. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf das Ergebnis des Feuerexperimentes von Böhmers ried hingewiesen. Interessant ist ein Hinweis von Ernst Burgstaller^°, daß er sich in seiner Jugend, im Innviertel, mit seinen Altersgenossen (Zeehenbrüdern) zum Pläne schmieden häufig in einem Erdstall getroffen habe. Er wird darüber noch ausführlich berichten. 6. 5. Vorratsraum Eine gern verwendete Erklärung ist die Behaup tung, Erdställe seien Vorratsräume. Diese Aussage kommt gewöhnlich von Leuten, die noch nie selbst in einen Erdstall gekrochen sind und nie am eigenen Leib die bedrückende Enge erfahren haben, die jede unbedachte und unnötige Bewegung ausschließt. Unter räumlichen Gegebenheiten mit Durchschlüp fen von 40 X 50 cm, senkrechten Schächten ähnli cher Abmessungen, größere Vorratsmengen zu transportieren und zu lagern, ist unmöglich. Offene Gruben, frei zugänglich, in Mietenform, konnten viel leichter als Versteck für Vorräte hergerichtet werden und waren für spätere Nutzung einfach er reichbar. Auch hier sind Ausnahmen denkbar, wenn bei einem Bauvorhaben in jüngerer Zeit ein bis da- ^®Editio Baselensis Proben 1525, 19,1. In Germania defossi atque sub terra id opus agunt; wie Anm. 1, S.221. ^ ® Reitinger: „Die baierische Landnahme aus der Sicht der Ar chäologie", in Kat. „Baiernzeit in Oberösterreich", S. 54, Linz 1977. Dimt, Gunter: „Haus und Hof in frühbairischer Zeit", in Kat. „Baiernzeit in Oberösterreich", S. 161, 176, Linz 1977. Prof. Dr. Ernst Burgstaller, persönlicher Bericht vom Sommer 1980.

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