OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 3/4

ten sie jeweils kurzzeitig begehen. Ein vorsorglich aufgestelltes Sauerstoffmeßgerät gab nach einein halb Stunden (65 Personen) das Warnsignal: Erstikkungsgefahr. Eine Regeneration des Sauerstoffge haltes war nicht mehr möglich. Die Besichtigung mußte abgebrochen werden. Schwarzfischer zieht daraus den Schluß, und dieser mag gleich für die Vermutung „Verteidigungsanlage" oder „Wohnan lage" gelten, daß Erdställe für einen längeren Auf enthalt auch kleinerer Gruppen ungeeignet sind. 6. 3. Zwergenwohnung Die im bayrischen Verbreitungsgebiet der Erd ställe, besonders im Bayrischen Wald, übliche Be zeichnung Schrazelloch oder Zwergenloch, wird in Oberösterreich selten verwendet. Auch gibt es hier wenige entsprechende Zwergensagen, die ihrerseits auf das Vorhandensein von bereits bekannten oder noch unbekannten Erdställen deuten. Die „Linzer Tagespost" vom 13. September 1913 erwähnt anläß lich eines Erdstallfundes in Tollet die Bezeichnun gen „Hausloch, Alraunhöhle, Schratzelloch und Erdmännlisloch". Der Gedanke, daß „in alter Zeit" besonders kleinwüchsige Lebewesen existiert und in unterirdischen Wohnungen gehaust haben, ist je doch weit verbreitet. Derartige Zwerge werden im Volksmund auch Wichtel, Troller, Gnomen oder Schrazeln genannt und oftmals als hilfsbereit und nützlich geschildert. Wehe dem aber, der versucht, sie bei ihrer Arbeit zu sehen, sie verlassen ihn aufs Nimmerwiedersehen. Das Abreißen jeder Erinnerung an den ur sprünglichen Zweck der Erdställe läßt der Volks phantasie viel Spielraum. Die geringen Maße der Gänge fordern eine Benennung als Zwergenwoh nung solange heraus, bis vielleicht eines Tages eine beweisbare Lösung gefunden wird, ähnlich der, die die zahlreichen Findlinge in der norddeutschen Tief ebene, vom Volksmund gern „Teufelsstein" be nannt, als verbleibende Reste der letzten Eiszeit er kannte. Dennoch bleibt uns als zusätzlich nicht er klärbare Erscheinung, daß in Oberösterreich die „Zwergenwohnung" oder ähnliche Benennungen im Gegensatz zu Bayern weniger üblich sind. Die geringen Abmessungen vieler Erdställe ver führen zu der Vorstellung, daß, wenn schon nicht Zwerge, dann doch besonders kleinwüchsige Men schen die Erbauer gewesen sein müssen. Aus dieser Überlegung schließt der Erdstallforscher Franz Kießling^ daß die Erbauung von einer unbekann ten Rasse „vor den Germanen", also vor „normalwüchsigen Nordlandmenschen, überhaupt vor Ariern" erfolgt sein muß. Er geht sehr gründlich auf die Spuren und „die menschengeschichtliche Bedeu tung der vorzeitlichen Zwerge" ein. Kießling schil dert phantasievoll und dramatisch aus seiner Sicht die Schwierigkeiten beim Bau eines Erdstalles: Vorerst handelte es sich wohl darum, im Waldgebiete ei nen Platz zu finden, der sich nicht bloß zur Anlage einer Wohnstätte, sondern auch einer künstlichen Höhlung eig nete. Da kamen nun zunächst mulden- oder kesseiförmige Bodensenkungen in Betracht, zu denen mehr oder minder hohe, bzw. steile Abhänge hinabführten, die ein Eindrin gen in das Erdreich gestatteten, ohne erst eine besondere Angriffsfläche herstellen zu müssen. Nachdem man die geeignetste Stelle für das Einschlufloch in die zu schaffen de Höhle entsprechend hoch über der Muldensohle ausgemittelt hatte, aber stets so tief unten als möglich, begann man, nach Abräumen der lockeren Erde an dieser Stelle, mittelst einfacher Werkzeuge, in das meist mürbe Felsge stein einzudringen, um das Einschlufloch herzustellen, und zwar, angenommen, mit einem Querschnitte von etwa 60 Ztm. Durchmesser. Der erste halbe Meter des sich nun entwickelnden „Gan ges", der sich vielleicht allmählich zu 100 Zentimeter Hö he vergrößerte, konnte noch verhältnismäßig leicht, selbst mit wuchtigeren Hiebwerkzeugen, von außen her, ausge höhlt werden; aber je tiefer die Aushöhlung wurde, desto schwieriger das Vordringen. Denn nun mußte der Stein brecher in das Gangstück hineinkriechen, um knieend, die ihm jeweils entgegensehende Stirnseite des Felsens zu be arbeiten, was umso mühsamer wurde, da er im Innern des z. B. 100 Zentimeter hohen und 60 Zentimeter weiten Ganges nur den kurzstieligen, wenig eigengewichtigen Pickel handhaben konnte. Dieses Bearbeiten des Gesteins erzeugte natürlich auch Staub, so daß der Arbeiter zeit weilig in die freie Luft hinauskriechen mußte, um sich zu erholen, da die Luft im Stollen, je weiter er ins Gestein ge trieben wurde, desto schwerer auf die Lungen drückte, insbesondere solange noch keine Luftschächte („Dampf löcher") gebohrt waren. Die Herstellung eines, beispielsweise, auch nur fünf Me ter langen Stollens („Ganges"), selbst wenn er ganz gera de verlief, mochte unter Umständen eine erkleckliche An zahl Wochen, ja mehrere Monate Zeit erfordern, da in dem engen Gange jeweils nur ein Mann tätig sein konnte. Zu dem sind die wenig ausgiebigen oder widerstandsfe sten Werkzeuge vergangener Zeiten in Betracht zu ziehen und sonstige Hemmnisse, die viel Zeit kosteten. So ergab sich wohl öfters die Notwendigkeit, Quarzadern zu durch brechen, was in manchen Fällen allein schon Monate an Zeit gekostet haben dürfte. Erwies sich nun der Versuch als undurchführbar, so mußte die Gangrichtung, ja viel leicht die ganze Höhlenanlage geändert werden; auch die stets wechselnde Einstellung der Leuchtvorrichtung war zeitraubend. Außerdem kam es wohl auch öfters vor, daß abspringende Gesteinsstücke die kleine offene Fettlampe (Thonschale) trafen, das Licht verlöschten oder die Lam pe gar zertrümmerten. Dann mußte, in umständlichster Kießling, Franz: „Über das Rätsel der Erdställe", Wien 1925, S. 24, Nachtrag „Über Mühsal bei der Herstellung der Erdstäl le".

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