Joseph II. zur Modifikation seiner kirchenpoliti schen Maßnahmen zu bewegen - wobei hier das To leranzpatent sicher auch eine Rolle gespielt hat — denn der Nuntius in Wien Garampi hatte über des sen negative Auswirkungen für die Katholiken nach Rom berichtet, kam er auf seinem Rückweg, der ihn über Bayern führen sollte, auch nach Oberöster reich. Vom 23. bis zum 25. April reiste er über St. Florian, Linz, Wels und Lambach nach Ried. Inter essant ist nun, daß der Zeremonienmeister des Pap stes anläßlich des Aufenthaltes in Wels, wo das Oberhaupt der katholischen Kirche von zahlreichen Gläubigen empfangen wurde, auf die schädlichen Wirkungen des Toleranzpatentes verweisend in sein Tagebuch schrieb, daß dort „kaum einen Monat nach Veröffentlichung des Toleranzpatentes mehr als 5.000 Seelen zum Protestantismus übergetreten" seien.Die Gesamtzahl derjenigen, die sich nach Erlaß des Toleranzpatentes zum Protestantismus be kannten, wird unterschiedlich angegeben, Gustav Frank berichtet von 73.722 Meldungen in den Erb landen bis Ende Oktober 1782, eine Zahl, deren Hö he die Behörden einigermaßen überrascht hat. Die oft angeführte Behauptung, Joseph II. sei mit seinem Toleranzpatent als katholischer Fürst bahnbrechend gewesen, ist nicht ganz zutreffend, denn der König von Polen, Stanislaus Poniatowski, erließ schon 1768 einen Toleranztraktat, wobei er al lerdings für gewaltige Unruhen sorgte.Auch die Behauptung, daß König Friedrich II. von Preußen ein Toleranzedikt erlassen habe, ist falsch; dieses wichtige Dokument für Preußen datiert erst von 1788, erlassen von König Friedrich Wilhelm II., wo bei sicher das Vorbild Kaiser Josephs eine gewisse Rolle gespielt hat. Zwar enthält das preußische Ge setz nach seinem geistigen Urheber auch „Wöllnersches Religionsedikt" genannt, die Parität der drei christlichen Religionen, der Reformierten, Luthera ner und der Katholiken, es wurde aber auch darauf hingewiesen, daß das Edikt sich auch gegen die auf klärerische Richtung innerhalb der Kirche, vor allem in der evangelischen, wandte, weil diese die kirchli chen Lehren zu zersetzen drohte, und somit schon ein gewisser Schritt in Richtung „Reaktion" bedeu te.^® Stärker dem Ideengut Josephs II. verhaftet ist aber das Toleranzedikt vom 28.November 1787, das des Kaisers Schwager König Ludwig XVI. von Frankreich erließ, da auch hier der katholischen Kir che die bevorzugte Rechtsstellung erhalten blieb. Allerdings hatte dieses Edikt nicht lange Gültigkeit, denn die im Zuge der französischen Revolution 1791 erlassene Verfassung hat die Kultusfreiheit deutlich formuliert, wobei allerdings die christliche Grundla ge erstmals verlassen wurde, da der Staat allmählich von einer neutralistischen zu einer antichristlichen Haltung überging.®® Bayern und Württemberg erlie ßen Gesetze im Sinne der Toleranz gar erst nach dem Ende der alten Reichskirche, dem „Reichsdeputationshauptschluß" von 1803, mehr als 20 Jahre nach der Initiative Kaiser Josephs. In Österreich hatte noch Kaiser Joseph II., ein Jahr nach dem Erlaß des Toleranzpatentes, auch für die Juden ein Patent erlassen, das für diese eine rechtliche Besserstellung - nicht Gleichstellung - bedeutete. Nach dem Tode des Kaisers aber wurde die Monarchie, bedingt durch die Abwehrstellung gegen das revolutionäre Frankreich, in eine andere Richtung geführt. Allerdings hat man an vielen josephinischen Prinzipien weiterhin festgehalten, bei spielsweise am Toleranzpatent. Trotzdem hatte sich das Klima für die Evangelischen Österreichs merk lich verschlechtert. Als negativer Höhepunkt in die ser Richtung gilt die Auswanderung von etwa 460 protestantischen Bauern aus dem Zillertal, den „Inklinanten" im Jahr 1837, wobei es zu einem fatalen Zusammenwirken des Salzburger Erzbischofs mit strengkatholischen geistlichen und adeligen Kreisen in Tirol kam.®°" Dabei wurde nicht ohne Sophismus argumentiert, daß das Toleranzpatent in dem damals noch Salzburgischen Zillertal noch keine Geltung beanspruchen könne.In Tirol konnten sich be zeichnenderweise erst 1869 evangelische Christen zu Gottesdiensten in Innsbruck zusammenschließen. Inzwischen war jedoch Entscheidendes gesche hen. Nach dem Zusammenbruch des vormärzlichen Systems in der Revolution von 1848/49 und dem Ende der Neoabsolutistischen Ära, kam es 1861 un ter liberalem Einfluß zum Erlaß des Protestantenpa tentes vom 9. April 1861, wo nicht nur eine theoreti sche Parität mit der katholischen Kirche erreicht " Vgl. Hans Schiitter, Pius VI. und Joseph il. Von der Rückkehr des Papstes nach Rom bis zum Abschluß des Concordats (Fon tes Rerum Austriacarum II/47/2, 1894, 3 f. Über den Welser Pfarrer zu dieser Zeit vgl. jetzt Rudolf Zinnhobler, Der Welser Stadtpfarrer Anton Wolfsegger (t 1791) und die religiöse Tole ranz, in: 23. Jahrbuch des Musealvereines Wels (1981) 225 - 246. 28 Wagner, Die Idee der Toleranz. 124. Vgl. Hermann Conrad, Religionsbann, Toleranz und Parität am Ende des alten Reiches, in: Lutz, Zur Geschichte (wie Anm, 1), 155- 192. Ebenä. 188 f., sowie Hermann Conrad, Die Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische Revolution, in: Zeitschr. d, Savigny Stiftung für Rechtsgesch., German, Abteilung 67 (1950), 336 ff., wo allgemeine Bemerkungen über die Ent wicklung der Gesetzgebung in Frankreich enthalten sind. 30^ Ekkart Sauser, Die Zillertaler Inklinanten und ihre Auswei sung im Jahre 1837, Innsbruck 1959: zu dieser teilweise apolo getisch anmutenden Arbeit vgl. etwa die Besprechung von Ha rald Zimmermann, in: Mitteilungen des Instituts f. österr. Ge schichtsforschung 69 (1961), 194 f. Vgl. Mecenseffy, Protestantismus. 211.
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