OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

grundsätzen gemäss ist, weder zu Beiwohnung der Processionen oder Functionen der dominanten Religion, wenn sie nicht selbst wollen, anzuhalten. Es soll auch ohne Rücksicht auf den Unterschied der Religion in allen Wah len und Dienstvergebungen, wie es bei Unserem Militari täglich ohne mindesten Anstand und mit vieler Frucht geschiehet, auf die Rechtschaffenheit und Fähigkeit der Competenten, dann auf ihren christlichen und morali schen Lebenswandel lediglich der genaue Bedacht ge nommen werden. Derlei Dispensationes zu Possessionen, dann zum Bürger- und Meister-Rechte sind bei den unterthänigen Städten durch die Kreisämter, bei den königli chen und Leibgedingstädten aber, da wo Landeskämmerer sind, durch diese, und wo sich keine befinden, durch Un ser Landesgubernium (Landeshauptmannschaft) ohne alle Erschwerung zu ertheilen. Im Falle aber bei den ange suchten Dispensationen sich Anstände, wegen welcher selbe abzuschlagen erachtet würden, ergeben sollten, ist hievon jedesmal die Anzeige una cum motivis an Unser Gubernium (Landeshauptmannschaft) und von euch anher zu Einholung Unserer höchsten Lntschliessung zu er statten. Wo es aber um das Jus Incolatus des höheren Standes zu thun ist, da ist die Dispensation nach vorläufig vernommener Landesstelle von Unserer Böhm. Gestern Hofkanzlei zu ertheilen. Diese Unsere höchste Schlussfassung werdet ihr den Kreisämtern, Magistraten und Dominien durch eigends gedruckte Circularien, wovon eine grössere Anzahl als sonst gewöhnlich aufzulegen ist, bekannt machen lassen, auch dem dort (hier) Landes verlegenden Buchdrucker zu gestatten haben, an Jedermann, der es verlanget, solche gedruckte Circularien abzugeben und andurch die hin längliche Verbreitung auch in andere Länder zu bewirken. Diese Fassung wurde von der Hofkanzlei an alle Länderstellen weitergeleitet mit dem Auftrag umge hender Publikation. Die einzelnen Fassungen sind in ihrer Form und auch in ihrer Formulierung ein wenig unterschiedlich, in Oberösterreich wurde interessan terweise die Form des Patentes gewählt, was dann später in der Literatur zu einiger Verwirrung geführt hat, da einige Autoren irrtümlich annahmen, das To leranzpatent sei in Linz entstanden.^3 Es zeigte sich auch bald, daß das Toleranzpatent selbst nicht in der Lage war, alle Probleme aus der Welt zu schaffen, denn eine Flut von Verordnungen und Zirkularen wurden in den nächsten Jahren herausgegeben. Es kam auch zu Mißbräuchen, gelegentlich eine zu weit gehende Interpretation von evangelischer Seite, aber auch unzulässige Beschränkungen von einzel nen katholischen Pfarrern. Die Bildung der evangelischen Pfarrgemeinden gemäß dem Toleranzpatent erfolgt zunächst zö gernd. So befürchteten etwa die Geheimprotestan ten in Gösau im Toleranzpatent einen Kunstgriff der Behörde, um die Protestanten zu registrieren und sie dann als Transmigranten abzuschieben, und diese Furcht ist auch anderswo anzutreffen. In ganz ÖsterSofepp i>tt »on @ßtte0 ©nakn cmd^Itcr SiiimF fc^fr faifcr, ju aßen Scitoi tc? SÜctc^f^, f in &emmen, unb SSb^eim ic, ^etm unb SDtbannäen ic, ^nfbieten oHen unb jeben f.f.£anbeäföt|iIt^,ou^privat- geiflli^ü ^ unb hjeltlicbenDominien,©ültenbeft^rtn,OctöobrigEeiten,Stäb» ten, SÄttttten, ©tifteen, Äle|lera, ©eeifcrgem, ©emeinben, unb jebem Unferer tteugebotfam(Ien Unterfbauen, tvaä SEBntbe, ©tonbeö, cbet aßefenö felbe in Unfetem ©räbetjogtbum ßejfetreitb ob ber ©nnä feß' unb ipcbnbaft finb, Unfere f.f.Ianbeöfütlilicbe ©nabe, unb geben <ucb gndbigit p »crnebmen. 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Snbbefonbere aber beipilligen ilBir ©cflcng; benen accatholifcben Untertbanen, J»o bunbertgamh lien exiftiren, trenn fieaucbniebt imDrte beS58ettbaufeö, ober©eel« forgerS, fonbern ein Sbeil berfelben autb einige ©tunben entfernet trob# nen, em.eigene« Söettbauö nebft einer ©cbule erbouen p börfen, bie treü Oberösterreichische Fassung des Toleranzpatentes, Beginn (OÖ. Landesarchiv, Landschaftsakten, Schbd.690/Nr.20). reich entstanden an die 50 Toleranzgemeinden^" und zwar drei in Wien und Niederösterreich, zwei in der Steiermark, 14 in Kärnten, 18 im damals noch ungarischen Burgenland und neun in Oberösterreich und zwar: Eferding, Goisern, Gösau, Neukematen, Rutzenmoos, Scharten, Thening, Wallern und Wels. Der erste evangelische Gottesdienst im Lande ob der Enns wurde in einer Scheune des Michael Mayer zu Eeft unweit Scharten am 9. Juni 1782, vor angeblich 4.000 Menschen, gehalten. Den Geistlichen, Johann ^3 Frank, Toleranz-Patent, 48. 3'* Die Zahlen werden unterschiedlich angegeben: Grete Mecenseffy (Geschichte des Protestantismus in Österreich, Graz - Köln 1956, 209) nennt 48, Oskar Sakrausky (in: Ausstellungs katalog Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II.. Wien 1980, 163 ff,) kommt auf 46 und zwar Niederösterreich und Wien 3, Burgenland 18, Steiermark 2, öberösterreich 9 und Kärnten 14,

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