OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

rung seiner selbst nach seinem Maß und Willen gege ben habe. Den Menschen sei es vorbehalten, sich mit der Gabe des Ringes praktisch zu bewähren. Jude, Christ und Muselman finden sich nun aber nicht in einer allgemeinen Vernunft- und Menschheitsreli gion, sondern jeder in seiner Offenbarung, unter An erkennung eines des Menschen Natur und Vernunft übersteigenden allgemeinen Gottesprinzips. Aber in jeder der drei großen Religionen sei die Offenbarung Gottes gegenwärtig. Die Grenzen der Toleranz zieht Lessing dann gegenüber den Atheisten und auch den Deisten, die die Offenbarungsreligionen ablehnten, recht deutlich, wenn er etwa über die letzteren schreibt: „Die Deisten wollen die Freiheit haben, die christliche Religion zu bestreiten und doch geduldet sein. Sie wollen die Freiheit haben, den Gott der Christen zu verlachen und doch geduldet sein. Das ist freilich ein wenig viel . . ." (Von Duldung der De isten I, 1774)14. Es ist klar, daß in einem Klima, das weniger von der Theologie als von der Philosophie vom Schlage Voltaires und Lessings beherrscht war, die Intoleranz innerhalb des Christentums immer anachronistischer wirken mußte. Andererseits hielten aber fast alle Souveräne, zumindest theoretisch, auch während des gesamten 18. Jahrhunderts, am monokonfessio nellen Staatskirchentum fest. Auch in Österreich war das nicht anders. Als 1731 der souveräne Reichsfürst und Salzburger Erzbischof Firmian die Protestanten aus seinem Land vertrieb, befürchtete man auch in den angrenzenden Gebieten Oberöster reichs, vor allem im Salzkammergut, protestantische Aktivitäten. Das Vorantreiben der inneren Mission und weitere „Transmigrationen" waren die Folge. Maria Theresia, die große Herrscherin, die auf so vielen Bereichen bahnbrechend wirkte, konnte ge gen Protestanten und Juden mitunter recht hart und konsequent sein. Die Frage einer Gewährung der Toleranz war auch der vielleicht größte in einer Rei he von Konflikten, die sie mit ihrem Sohn Joseph hatte. Sie wurde latent, anläßlich der Schwierigkei ten, die die Regierung mit den lutherischen Bauern in Mähren ab 1775 bekam. Symptomatisch ist viel leicht ein Brief aus dem Jahre 1777, den Maria The resia ihrem Sohn Joseph schrieb, als dieser gerade in der Schweiz weilte. . . . Ich muß zu meinem großen Kummer sagen, daß im Punkt der Religion nichts mehr zu verderben ist, wenn Du allen Ernstes auf diese allgemeine Toleranz zu bestehen gedenkst, die, wie Du sagst. Dein unveränderliches Prin zip ist. Ich will nicht aufhören, Gott zu bitten, und würdi gere Menschen wie ich bin, darum bitten zu lassen, daß er Dich vor diesem größten Unbill bewahren möge, das je die Monarchie erlitten hätte. In dem Glauben, Bauern zu haben, in dem Du sie erhältst und sogar herbeizuziehen trachtest, wirst Du Deinen Staat zugrunde richten und die Ursache des Verlustes so vieler Seelen sein. Was hilft es Dir, die wahre Religion zu besitzen, wenn Du sie so wenig achtest und liebst, daß es Dir nichts ausmacht, ob Du sie bewahrst oder verbreitest? Alle Protestanten sind nicht so gleichgültig. Ich möchte im Gegenteil wünschen, daß man ihrem Beispiel folgte, da kein Staat diese Gleichgültigkeit billigen kann . . Man sieht hier sehr deutlich, wie prinzipiell die ser Konflikt war und daß Maria Theresia vor allem die Toleranz mit religiösem Indifferentismus gleich setzte, das Beispiel König Friedrichs II. von Preußen vor Augen, der ja einmal geschrieben hatte: „Die Religionen müssen alle tolerieret werden", denn ein jeder solle „nach seiner Fa9on selig werden". Wir werden später noch sehen, daß sich Kaiser Joseph II. in diesen Dingen doch sehr deutlich vom Preußenkö nig unterschied. Wie aber kam der Kaiser zu seinem „unveränder lichen Prinzip" und wie stand es mit der Toleranzdis kussion in Österreich zu jener Zeit? Es wurde wie derholt darauf hingewiesen, unter anderem vom amerikanischen Historiker Charles O' Brien, daß für Joseph der Unterricht, den er als Thronfolger genoß, entscheidende Anregungen gab^®, im besonderen die Vorträge, die ihm Christian August Beck über Natur- und Völkerrecht hielt, worin die Unverletz lichkeit des Gewissens betont, gleichzeitig aber auch die Duldung radikaler Sekten, wie etwa der Ouäker, abgelehnt wird. Das spätere Vorgehen Josephs zeigt eine deutliche Übereinstimmung mit den Gedanken seines Lehrers Beck. Josephs Intentionen trafen sich aber mit denen, die zum Teil auch von den aufgeklär ten Reformkatholiken vertreten wurden, etwa mit den Anhängern des Italieners Ludovico Antonio Muratori, den jansenistisch beeinflußten Männern, wie etwa Gerard van Swieten, des Leibarztes Maria Theresias und anderer. Man sollte diese reformka tholischen Ansätze auch im Klerus nicht unterschät zen; als Beispiel sei nur auf verschiedene Mönche des Klosters Kremsmünster verwiesen, die stark von der Aufklärung, wie sie etwa an der Universität Salz burg herrschte, inspiriert waren. So trat etwa Plazi14 Vgl.den Artikel Lessing, in: Religion in Geschichte und Gegen wart 4 (1960), Sp.327 ff. 1^ Alfred v. Arneth, Maria Theresia und Joseph II. Ihre Correspondenz, Bd. II, 146 f. Ubersetzung nach Friedrich Walter, Maria TTieresia. Briefe und Aktenstücke in Auswahl (Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe, Neuzeit Bd. XII), Daimstadt 1968, 409 f. 1® CharlesO' Brien, IdeasofreligiousTolerationatthetimeofJoseph II. A Study of the Eniightment among Catholics in Austria, in: Transactions of the American Philosophical Society, New Ser., vol. 59, part 7, Philadelphia 1969,18. Druck der Vor lesungen Becks bei Hermann Conrad, Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit Maria Theresias, Köln-Opladen 1964.

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