OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

Franziskaner wurde und 1661 in die Dienste Kaiser Leopolds I. trat, der ihn zunächst in diplomatischen Missionen verwendete. Er war auch an wirtschaftli chen Dingen interessiert, stand mit dem führenden Merkantilisten Philipp Wilhelm von Hörnigk in Be ziehungen und strebte vor allem nach einer Wieder vereinigung der verschiedenen Konfessionen. So trat er auch mit Gottfried Wilhelm von Leibniz, der ähn liche Bestrebungen von protestantischer Seite aus betrieb, in Verbindung. Ab 1685 wirkte er dann als Bischof von Wiener Neustadt bis zu seinem zehn Jahre später erfolgten Tode. Eine weitere interes sante Figur ist Freiherr Christian Julius Schierl von Schierendorf, der etwas später unter der Patronanz des tüchtigen Flofkammerpräsidenten Gundaker Thomas Graf Starhemberg eine fruchtbare Tätigkeit entfaltete und in seinen Schriften nicht nur auf eine Reform der Monarchie hinarbeitete, die auf eine Vereinheitlichung und Zentralisierung hinauslief, wobei er — seiner Zeit weit voraus — auch den Bür gern und Bauern eine Vertretung in einer Art Zen tralparlament schaffen wollte. Weiters vertrat er aber auch — ökonomisch begründet — die Meinung, daß „zur Emporbringung des völlig darniederliegen den Handels gewerblicher und Bergwerkstätigkeit" . . . einige Glaubensdissidenten wieder aufgenom men und so der „gottgefällige Weg christlicher Dis kretion" (= Toleranz) beschritten werden sollte. Aber beiden Persönlichkeiten^", denen durchaus zu zutrauen ist, daß sie hinter den angeführten wirt schaftlichen Motiven eine grundsätzliche positive Einstellung gegenüber der Toleranz hatten^b stan den zunächst noch Barrieren gegenüber, die verhin derten, daß diese Ideen auch realisiert wurden. Da es bei den christlichen Konfessionen — und zwar bei allen — nicht zu einem Durchbruch der all gemeinen Anerkennung der Toleranz gegenüber Andersdenkenden kam, mußte der Anstoß dazu von anderer Seite erfolgen. Es war dies die Philosophie, die europäische Aufklärung, die aber ihrerseits so wohl in der katholischen als auch in der protestanti schen Kirche in verschiedenen Ausprägungen Fuß faßte. Der Rationalismus und die Vernunft wurden seit Pierre Bayle als Maßstäbe auch an die Religionen ge legt und in England entwickelte John Locke, ausge hend von der politischen Situation seiner Zeit und den verschiedenen Sekten, seine Vorstellungen von Toleranz. 1685/86 schrieb er — bezeichnenderweise als Flüchtling in Amsterdam - sein bekanntes Werk „A letter concerning toleration" (Ein Brief über To leranz, erschienen 1689), das obwohl in vielen Berei chen keineswegs originell, doch weite Verbreitung und große Berühmtheit gefunden hat, auch in Deutschland. Locke begründete die Toleranz dabei gewissermaßen „von innen": das heißt vom religiö sen Bereich her, daß sich Überzeugungen nicht er zwingen ließen, daß die allgemeine Menschenliebe ein wesentlicher Bestandteil der wahren Religion sei. Vielmehr mißfalle der Zwang zu gottesdienstli chen Handlungen Gott selbst, weil er selbst ihn nicht befohlen habe. Bei John Locke sieht man ganz deut lich die Tendenz, die in England ihre Traditionen hatte, nämlich einen auf moralische Gesinnungen gegründeten guten Lebenswandel als das Wesentli che aus dem Gesetz Christi herauszulesen. Aber da mit nicht genug, begründet der Engländer die Not wendigkeit der Toleranz auch von den Gegebenhei ten des Staates und des Rechtes her. Denn die Aufga be des Staates sei es, für Recht, Ordnung und Freiheit zu sorgen, nicht aber für das Seelenheil der Men schen. Auch verwirft er die These von der Staatsge fährlichkeit der Religionsdissidenten und Sekten. Lockes Toleranz hatte allerdings auch ihre Grenzen: so gegenüber Katholiken, den Anhängern eines fremden Souveräns, des Papstes, und ebenso gegen über Atheisten, denn Gott leugnen hieße alles auflö sen und der Mensch, der die Existenz Gottes an zweifle, stelle sich selbst außerhalb der Mensch heit. Voltaire, der große französische Philosoph und Schriftsteller, der den Fanatismus jeglicher Richtung aus tiefster Seele verabscheute, aber auch den Atheismus und Materialismus ablehnte, denn „es gibt etwas von Ewigkeit her; denn nichts stammt von nichts", meinte einmal, die ergiebigste Quelle des Atheismus seien die theologischen Streitereien. Und damit hat er wieder ein sehr altes Argument für die Toleranz angesprochen. Denn die oft heftigen Kontroversen der Theologen der verschiedensten Konfessionen untereinander schufen bei vielen Le sern dieser Streitschriften eine große Unsicherheit, einen Relativismus. Ein besonderes Beispiel für die Toleranzvorstel lungen der Aufklärung in Deutschland ist die „Ring parabel" aus Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise" (1779). In der Parabel belehrt der weise Jude die Leute, daß Gottvater dem Juden, dem Chri sten und dem Mohammedaner in ihren geschichtli chen Religionen den echten Ring, also eine OffenbaÜber Schierl vgl. Alfred Fischet, Christian Julius Schierendorf, ein Vorläufer des liberalen Zentralismus im Zeitalter Josefs I. und Karls VI., in: Studien zur österreichischen Reichsgeschich te, Wien 1906, 139-305 und Eduard Winter, Frühaufklärung, Berlin (Ost) 1966, 131 ff. " Wagner, Die Idee der Toleranz, 119. John Locke, Ein Brief über Toleranz (engl.-deutsch) erl. von Julius Ebbinghaus, Hamburg 1957. Was sagt Voltaire? Eine Auswahl aus dem Werk, hg. v. Dr. Paul Sackmann, Leipzig 1925, 16, 19.

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