OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

Vorstellungen erließ, daß alle Einwohner Ober österreichs bis Ostern 1626 katholisch werden muß ten/ Nur der Adel sollte noch ausgenommen sein, aber die Frist die ihm noch blieb, war kurz: 1627 war es auch für die Herren und Ritter des Landes ob der Enns so weit: Konversion oder Auswanderung war nunmehr die Devise. Und darin, im „lus emigrationis", im Recht auf die Auswanderung, bestand die vermeintliche Toleranz des Landesfürsten. Es ist klar, daß die Emigrationswelle, die nunmehr folgte und die durch alle Schichten der Bevölkerung ging, einen kräftigen Aderlaß bedeutete, zumal es sich oft um die charakterlich hochwertigsten Menschen han delte, die nur nach ihrem Gewissen handelten und das bittere Los einer Ungewissen Zukunft in der Fremde auf sich nahmen. Die Auswanderung ging vor allem ins Reich, nach Regensburg, Nürnberg, aber auch in ländliche Gebiete. So hatte die religiöse Konformität, die zunächst vielfach nur äußerlich er reicht wurde, einen hohen Preis. Die Spaltung ging nun quer durch alle Stände, durch viele Familien. Als Beispiel sei mir gestattet, aus dem Brief wechsel zweier Angehöriger des Geschlechtes der Starhemberg zu zitieren. Dereine, Heinrich Wilhelm Starhemberg war 1630 konvertiert und stieg in der Folge am Kaiserhof zu hohen Ehren auf, der andere, sein Bruder Erasmus von Starhemberg, blieb Prote stant und lebte bis fast an sein Lebensende zurückge zogen in Wien. Interessanterweise konnte man als Adeliger in Niederösterreich Protestant bleiben, da die adeligen Stände dieses Landes sich in ihrer Mehr zahl gerade noch rechtzeitig mit Kaiser Ferdinand verglichen, das heißt seine Forderungen akzeptiert hatten. Heinrich Wilhelm selbst also schrieb am 12. September 1655 an seinen Bruder auf dessen Vor stellungen über Religionsfreiheit folgendes: Wie weit es in Religionssachen kompt, was jedweder nach seinem verstände die bibel lesen und außlegen darff. . . ist wahrhafftig weit damit gefallt auch wider den außtrucklichen befelch Christi des Herrn, der durch den Apo stel Paulum befiehlt, unseren Vorstehern zu gehorsamen, die für unser seel auch rechenschaft geben und die kirchen Gottes konstituiren. welche zu gehorsamen unß gleich wohl anbefohlen wirdt.® Derselbe Erasmus von Starhemberg hatte übri gens auch in einem Testament seinen Neffen und Er ben aufgefordert, die ihm vermachte Bibliothek bei sammen zu halten und das darin enthaltene prote stantische Schrifttum nicht zu vernichten, denn man müsse zur Wahrheitsfindung alle kontroversiellen Streitschriften kennen, auch die Argumente beider Seiten. Er freute sieh auch, als ein tüchtiger kalvinistischer kaiserlicher General - auch so etwas gab es - den Habsburgern bedeutende militärische Dienste geleistet hatte, denn er hoffte dadurch, beim Kai ser eine bessere Meinung über die Kalvinisten zu er reichen. Die deutliche Antwort seines katholisch ge wordenen Bruders Heinrich Wilhelm ist aber doch sehr aufschlußreich: Sie zeigt nämlich die Argumen tation der katholischen weltlichen Obrigkeit, die vom Apostel Paulus abgeleitet wird. Nun kann aber gerade dieser, der auch dafür eintrat, dem Gewissen des Menschen keine Gewalt anzutun, selbst wenn er im Irrtum begriffen ist (z. B. 1. Korinther Brief 8/12), eher für die Vertreter der Toleranz als Autorität in Anspruch genommen werden, wie etwa Joseph Lec1er gezeigt hat®", allerdings kommt als fatales Pro blem die Verantwortung der weltlichen Obrigkeit hinzu, deren Vertreter ja ebenfalls ihrem Gewissen Rechensehaft schuldig sind. Mag die Rekatholisierung zunächst nur äußerlich gewesen sein, die folgenden Generationen waren tatsächlieh tief im katholischen Glauben verwurzelt und auch in seinen äußerlichen Formen. Allerdings erhielt sieh bekanntlich in manchen Gebieten Öster reichs ein „Geheimprotestantismus"; in Oberöster reich vor allem im Salzkammergut und in der Ge gend von Wels, Eferding, Wallern, Scharten usw.. der erst nach dem Erlaß des Toleranzpatentes offen bar wurde. Und das, obwohl seit den Tagen Ferdi nands II. viele Protestanten ausgewandert waren, zu nächst ins Reich und — seit man durch den Einfluß der wirtschaftlichen Ideen des Merkantilismus die Monarchie nieht weiter schwächen wollte — in ent ferntere Teile des Habsburgerreiches, wo sie als so genannte „Transmigranten" ausgesiedelt wurden.® Es waren ja gerade oft die Tüchtigsten, die für die heimisehe Wirtschaft von unschätzbarem Wert wa ren, die des Glaubens halber in ein anderes Land zo gen. Im 18. Jahrhundert wollte man daher die ober österreichischen Bauern wenigstens der Monarchie erhalten und für die Kolonisation Siebenbürgens oder des Banates verwenden. Es ist aber nun auch zu sehen, daß es in diesem intoleranten 17. Jahrhundert in Österreich auch an dersdenkende Menschen gab, die durchaus nicht oh ne Einfluß waren. Als besonderes Beispiel auf katholiseher Seite ist hier auf Christobal de RojasySpihola (1626 — 1695) zu verweisen, der aus einem spa nischen Geschlecht in Flandern stammte, in Köln ' Vgl. Hans Snirmberger, Adam Graf Herberstorff. Herrschaft und Freiheit im konfessionellen Zeitalter. Wien 1976, 248 ff. ® Georg Heilingse/zer. Literatur, Protestantismus und Toleranz. Erasmus d. Jüngere v. Starhemberg, in: Oberösterreich 26 (1976). 20. ^"Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit. Bd.I, 70 ff. ® Zu den Transmigranten, vgl. neuerdings Erich Buchinger, Die „Landler" in Siebenbürgen. Vorgeschichte, Durchführung und Ergebnis der Zwangsumsiedlungen im 18. Jahrhundert. Mün chen 1980.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2