nehmen wir „Die Rampe" oder „Facetten" zur Hand, ob nun unter den Auspizien des Landes oder der Landeshauptstadt erschienen: Da wie dort ist der Wille zur Verständnisbereitschaft erkennbar, zu ei nem Ausgleich, nicht im Sinne eines billigen Kom promisses, sondern eines Gleichgewichts, auch im Brückenschlag zwischen älterer und jüngerer Gene ration. Dora Dunkl hat es in einem Gespräch mit Marlen Haushofer einmal so ausgedrückt: Öen Wert eines Dichters in unserer Zeit nur daran zu messen, wie weit bei seinen Erzeugnissen die Sprachzer trümmerung fortgeschritten ist, das geht zu weit, aber ich glaube doch, daß die Entwicklung einem neuen Stadium menschlicher Äußerungen zustrebt; noch sind wir nur Spurendeuter, und auch ich bemühe mich, wie viele ande re, die Spuren einer neuen Welterfahrung ins Bewußtsein zu bringen und ihnen bis in die Kavernen des Unterbe wußtseins nachzudringen. Solches Bemühen ist in der Lyrik eines Erwin Gimmelsberger mit ihren paradoxen Wortlandschaf ten ebenso zu spüren wie bei den wesentlich Jünge ren, Rudolf Weilhartner und Christian Wallner, der jüngst auch als Filmautor (Trakl-Film) hervorgetre ten ist. Carl Martin Eckmair sagt in einem an junge Freunde gerichteten Gedicht: Unsere Sprache wird abgeräumt. Ein leerer Tisch bleibt zurück mit Lachen abgestandenen Weines. Die heilige Kapelle des Worts ist besudelt, zerschlagen sind die bunten Scheiben, zerfetzt die Bilder. Nackt nur liebt ihr das Wort, häßlich, brutal, provokant. So ist das Leben, sagt ihr und schreibt neue Gedichte. . . . Aber er sieht auch die Zeichen einer rückschau enden Besinnung: Schon zeigen sich Zeichen! Und wir wissen, daß die Gutgesinnten, die Redlichen, die vom Geist Gesegneten, einmal heimkehren zu den Quellen, . . . zum Heiligtum, und daß ihnen dann zufliegt aus der Weite des Unverlierbaren, aus der Tiefe des niemals Zerstörten ein geflüsterter Hauch, ein Wort, ein Vers, ein Gedicht: „ . . . füllest wieder Busch und Tal still mit Nebelglanz . . ." Das war für die Lyrik gesprochen. Aber Ähnli ches gilt für die Dichtung in Prosa. Gerade auf erzäh lerischem Gebiet hat Oberösterreich in der letzten Zeit eine farbenreiche Palette künstlerischer Aus drucksmöglichkeiten aufzuweisen. Da ist der auch als dichterischer Diagnostiker sich bewährende Arzt Hermann Friedl, der mit Vorliebe die Randschichten des Alltags mit seinen psychologischen Belastungen aufdeckt (wie sein 1981 erschienener Erzählband „Aufzeichnungen eines wahnsinnigen Beamten"). Da ist Herbert Eisenreichs vielschichtige Erzäh lungskunst mit ihrer offenen, das Letzte nicht aus sprechenden Art, die den Leser zum Mitdeuter des Geschehens macht. Da ist Otto Haubner, der, etwa in seiner „Nacht der Zehn" ein Mosaik von Einzel schicksalen zu einem dichterischen Gesamt zu fügen versteht. Alois Brandstetter, der dichtende Dozent und dozierende Dichter, läßt in seinen Romanen ein dürftiges Rinnsal von Handlung in einen enzyklopä dischen See von Informationen, Reflexionen und Meditationen münden. Hugo Schanovsky akzen tuiert seine Kurzgeschichten durch wirksame Poin ten des Lebens. Von den Jüngeren bemühen sich vie le um ein Anspinnen von seelischen Verständnisfa den zwischen Jung und Alt, wie Franz X. Hofer oder Erwin Ruprechtsberger. So vielseitig die Aspekte, die sich hier ergeben, sein mögen: Eines ist erkennbar: Das Streben nach Maß und Mitte, nach jenem „Weltinnenraum", der seit je der Herzraum der Dichtung gewesen ist. Wir müssen zum Abschluß kommen, und ich will es kurz machen, wenn auch noch manches zu sagen wäre. In einem grotesken Gedicht „verhaltensmaßregeln in oberösterreich" von dem Welser Siegwald Ganglmair heißt es u. a. über Oberösterreich: man breche es entlang der donau nicht in zwei teile. Mutatis mutandis ließe sich sagen: Man breche die oberösterreichische Dichtung trotz ihrer eigenen Physiognomie, wie wir sie kennen und lieben, nicht aus einem engherzigen Lokalpatriotismus aus der Dichtung Gesamtösterreichs heraus. Das Reich des Geistes kennt keine Grenzen. Mit ihren Gipfeln ra gen beide in die Weltliteratur.
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