Zum gegenwärtigen Stand der Severin-Forschung Von Rudolf Zinrvhobler Es ist nicht die Absicht der folgenden Ausfüh rungen, einen Literaturbericht zu geben. Das ist in jüngster Zeit schon mehrmals geschehen.^ Ich möch te vielmehr über neuere Erträgnisse und Ergebnisse der Forschung berichten, durch die unsere Kenntnis über die Hauptquelle zum Leben Severins (die 511 verfaßte „Vita Severini" des Abtes Eugippius von Lucullanum bei Neapel), über die Person des Heili gen und sein Wirken und schließlich über seine Ver ehrung wesentlich erweitert worden ist. Auch das soll nur exemplarisch geschehen. Ich gliedere meine Darlegungen in vier Abschnitte und füge schließlich einige Hinweise auf noch offene Fragen an. 1. Der Umgang mit der Hauptquelle Die Vita Severini" liegt in einer von R. Noll be sorgten und von E. Vetter textkritisch bearbeiteten Ausgabe samt Ubersetzung leicht zugänglich vor.^ Die Zahl der Benützer und Kommentatoren der „Vita" ist bereits unübersehbar geworden, eine Se verin-Bibliographie oder Sammelstelle des einschlä gigen Schrifttums wäre ein dringendes Desiderat. Schon die schlichte Lektüre des Buches von Eu gippius vermittelt das unverwechselbare Bild eines großen Menschen und Heiligen, der sich vor allem auch als „homo politicus" erweist. Freilich kann man sich gleichzeitig eines gewissen Unbehagens an den vielen Wunderberichten kaum erwehren. Seit kurzem ist der Umgang mit der „Vita" schwieriger, aber auch erfolgversprechender gewor den, seit nämlich F. Lotter die in der biblischen Exe gese und in der Literaturgeschichte längst übliche formgeschichtliche Methode in die Severin-For schung eingebracht hat.^ Demnach sind bei der Lek türe der „Vita" das „genus literarium" (die literari sche Gattung) und die die Kompositionsgesetze, nach denen das Werk verfaßt wurde, ständig im Auge zu behalten. Eugippius wollte nicht primär Geschichte schreiben, sondern //e//sgeschichte, und er wollte seinen Mönchen, auch denen der folgenden Genera tionen, ein beispielhaftes „Leben" schildern. Er griff hierfür, wie er selber sagt, auf „die uns wohlbekann ten täglichen Erzählungen der älteren Generation" zurück." Die erstaunlichen Leistungen des Severin, die sich schon den Gewährsleuten des Eugippius viel fach unter dem Aspekt des Wunderbaren dargestellt hatten, hatten bei ihrer Aufzeichnung längst den 'hu V Olwunder des hl. Severin. Hinterglashild von H. Mackin ger, 1979. Foto: Dr. Widder, Linz ' Vgl. etwa R. Noll, Die Vita Sancti Severini des Eugippius im Lichte derneueren Forschung, in: Anzeiger der phil.-hist. Klas se der österr. Akademie d. Wissenschaften 112(1975)61 -75; ders., Literatur zur Vita Sancti Severini aus den Jahren 1975 - 1980, ebd. 118 (1981) 196- 221. F. Loller, Die historischen Da ten zur Endphase römischer Präsenz in Ufernorikum, in: Von der Spätantike zum frühen Mittelalter (Vorträge und For schungen Bd.25). hg.v.J.Werneru.E.Ewig, Sigmaringen 1979. S. 27 - 90; B. Rajko, Novejsa Literatura o Svetem Severine (1975 - 1977). in: Arheoloski Vestnik. Acta Archaeologica 30 (1979) 577 - 587. ^ Eugippius, Das Leben des heiligen Severin. Lateinisch-deut sche Ausgabe, hg. v. R. Noll, Passau^ 1981. 3 F. Loller, Severinus von Noricum. Legende und historische Wirklichkeit (Monographien zur Geschichte des Mittelalters Bd. 12), Stuttgart 1976; ders.. Methodisches zur Gewinnung hi storischer Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen, in: Füstorische Zeitschrift 229 (1979) 298 — 356. * Brief des Eugippius an Paschasius, der „Vita Severini" voran gestellt.
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