Teil seiner Lyrik, doch diese ist in ihrem Gesamt durchdrungen von einer christlichen Gläubigkeit, ei ner Gläubigkeit, zu der sich der Dichter nach man chen Irrungen und Wirrungen seines bewegten Le bens erst durchringen mußte. Sein Gotterlebnis ist das des Mystikers, nach Heinrich Seuse (lat. Suso), 1295 - 1366, dem frommen Streiter der Gottesliebe und Minnesänger der Mystik, hat er seinen Dichter namen gewählt (er hieß mit bürgerlichem Namen August Popp), dem er noch den Mädchennamen sei ner Mutter hinzufügte. Es ist beschämend, daß man außerhalb Österreichs, auch in der Literarhistorie, diesen großen Lyriker noch immer nicht kennt. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich von diesem Dichter, den Josef Weinheber „einen der größten Lyriker unserer Zeit" genannt hat, ein Gedicht zitie re: „Ein fremdes Mädchen", wohl eines seiner schönsten, das aus dem Munde eines Priesters be sonders ergreift: Begegnung auf der Fahrt: Ein Blondhaupt, sanfte Glieder, das Antlitz schön erglommen überm Buch. Ein Kleidchen, blau wie junger Flieder, doch süß von einem leisen Nelkenruch. Ach, Mädchen, deiner Art bin ich vorlängst begegnet, doch ging kein Bild so zärtlich zu mir ein und wie von Gott für mich gesegnet: So Reines will eraltert und erlitten sein. Du bleibst in mir bewahrt. Du Fremdes bist mein Eigen und wirst nicht altern je an Zeit und Leid. Dich will ich hüten, dich verschweigen, dich trag ich, wie du bist, in meine Ewigkeit. Heinrich Suso Waldeck ist mitten im Krieg ge storben. Krieg! Wie alles andere hat er auch die Dichtung zutiefst aufgewühlt. Das Tier aus der Tiefe steht auf und verschlingt alles Menschliche. Schon Adalbert Stifter hatte von der „tigerartigen Anlage" des Menschen gewußt („Zuversicht"), er hatte sei nerzeit unter dem Bruderkrieg von 1866 schwer ge litten. Nach dem Ersten Weltkrieg war dann von der einstigen Donaumonarchie nur ein Rumpfösterreich übriggeblieben, innerhalb der Grenzen, wie wir sie heute kennen. Eür die tieftrauernden Hinterbliebe nen des Habsburgerstaates hatte Hofmannsthal im Namen vieler anderer gesprochen, wenn er sagte: „Zwischen der Zeit, in der wir jung waren, und heute liegt ein Abgrund, einer, dessen Ränder nicht einmal fest sind, sondern der stündlich weiter um sich frißt". Doch der Oberösterreicher Hermann Bahr (1863 - 1934) glaubte an dieses neue Österreich, das ihm im Wunschbild eines wiedererstandenen Barocks und eines Stifterschen Menschentums als Garant einer europäischen Bildungsmacht erschien. Von den Büchern über den Ersten Weltkrieg im einzelnen zu sprechen, würde uns zu weit führen. So sei nur ein Autor für viele genannt: Josef Günther Lettenmair mit seinem Erlebnisbuch „Rot-WeißRot zur See" (1934) von den Kämpfen der österrei chisch-ungarischen Kriegsmarine, welcher der Au tor auf einem Unterseebot angehörte. Härter, einschneidender hat der Zweite Welt krieg in Gemeinschaften wie in Einzelschicksale ein gegriffen. Nie geahnte Umwälzungen haben sich er eignet, Flucht und Vertreibung von Millionen, Grau samkeiten und Bestialitäten von unvorstellbarer Furchtbarkeit. Front und Hinterland waren gleicher maßen betroffen. Zahllos die Opfer, auch unter den Dichtern. Da fällt der hoffnungsvolle Bruno Amme ring (geb. 1923), den Suso Waldeck noch gekannt und dichterisch ermuntert hatte, als Einundzwanzig jähriger 1944 in den Ardennen. Die Schwermut Trakts steigt aus seinen „Herbstbildern" auf, als ahn te er schon sein frühes Ende: Geschmückt mit spätem Licht liegt noch die Flur, doch schleicht des Todes Fraß schon drüberhin. In fahlen Farben, bleichen fernen Nebeln läuft her gespenstisch der Verwesung Spur. Im gleichen Alter ist Robert Höliersberger (geb. 1924) im Feldlazarett Belgrad dem Krieg erlegen, inmitten der Unmenschlichkeiten nach Versöhnung sich sehnend: Ob unser Tod denn gemäß oder zerstörend scheint dem vermessenen Auge: Er endet und schließt jegliche Krümmung zum Kreis. Fromm dann in Erde gebettet, ganz gelöst von der Last, fruchtet aus starr gefalteten Händen etwa ein Reis: die Versöhnung. Josef Laßl (1915 — 1977) ist nach fünf Leidens jahren der Gefangenschaft ein Spätopfer dieses Krieges geworden. „Gibt es denn keine vergessende Entlassung aus der Klage des übriggebliebenen Le bens?", so fragt der noch einmal Davongekommene in der ersten der sieben Erzählungen „In jener Zeit" (1961). Die durch apokalyptische Schlachten Gegan genen bleiben Gezeichnete, die Landschaften des Krieges und des Todes verlassen sie nicht mehr, alles ist unsicher geworden, das Bild des Menschen, nach Gottes Ebenbild geschaffen, wird zerstört: Fremdes tritt mich an . . . Fremdes nimmt mein Haus. Fremdes höhnt das reine Bild . . .
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