OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

Wir brauchen ihn wie's lötig Gold. Der Bettler und der Eigenhold kann nur „Vergelts Gotf sagen. Dem Blinden scheinet hell sein Licht. Er ist's, der mit dem Kranken spricht. Er hört des Stummen Klagen. Er warf die Lerche in die Luft. Er gab der Blume Farbe und Duft. Er gab dem Korn die halmende Kraft, dem Apfel allen süßen Saft, dem Bauern Macht und Leidenschaft zum Werk, dem menschenguten. Er hat die Ewigkeit verliehn. Wir alle müßten ohne ihn am Acker Zeit verbluten. Auch in seiner Dramatik und erzählenden Dich tung macht Billinger den Bauern zum Maß des Menschlichen und der Dinge wie viele andere aus seiner Generation. Man hat in manchen Kreisen al les, was damals entstanden ist und mit Bauerntum zusammenhängt, zu Unrecht einfach als „Blut- und Bodendichtung" (Blubo, wie die „schöne" Abkür zung lautet) registriert. Das stimmt keineswegs - und deshalb sei mir hier ein kleiner Exkurs gestattet. In den chaotischen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg sank so vieles dahin, was man bisher für unerschütterlich gehalten hatte: Die wirtschaftlichen und seelischen Inflationen spülten es hinweg, Begü terte wurden über Nacht zu Bettlern, Gold wog we niger als Brot. Vom Ausmaß der damaligen Inflation können sich Heutige kaum mehr einen Begriff ma chen. Nur wer Grund und Boden hatte, konnte be stehen. Nach diesen materiellen Zusammenbrüchen suchte der Mensch wieder einen sicheren Anker grund auch im Geistigen zu gewinnen. Bei solcher Suche findet er in der Natur den ruhenden Pol, die Erde wird ihm zum Sinnbild für das Unverfälschte und Wahre. Der Dichtung wird die Erde zum Syno nym für Mutter, Heimat, Herkunft. Und als der Mensch, der diesen Mächten dient, erscheint der Bauer. Wir wissen, daß der Norweger Knut Hamsun der Exponent dieser Dichtung war. Sein Roman „Segen der Erde" (1917), nobelpreisgekrönt, ist schon im Ti tel zur Formel geworden, an die sich viele halten, zu gegeben auch Konjunkturbeflissene, die es zu allen Zeiten gegeben hat. Aber solche dürfen den Blick auf die wirklichen Kräfte nicht verstellen. Die Bin dung an das Elementar-Einfache im Natur- und Menschenbild ist kein nazistisches Phänomen, das erweist eine Betrachtung der Weltliteratur jener Jahrzehnte, die in ihren bedeutendsten Vertretern die Natur und den naturnahen Menschen als retten de Macht gegen die stets weiter um sich greifenden Schäden der Zivilisation aufruft. In der skandinavi schen Welt sind es - um nur einige Namen zu nennen — die Norweger Olav Daun (1876 - 1939) und Johan Bojer (1872 - 1959), die Schweden Ivar Lo-Johansson (geb. 1901) und Vilhelm Moberg (1898 - 1973), der Finne und Nobelpreisträger Frans Emil Sillanpää (1888 - 1964). Die romanische Welt vertritt der Franzose Jean Giono (1895 - 1970) und der Italie ner Cesare Pavese (1908— 1950). In die slawische Welt führt der Pole Wladislaw Stanislaus Reymont (1867 - 1925) mit seinem gleichfalls mit dem Nobel preis ausgezeichneten Roman „Die Bauern" (1904 - 1909). Die mythenträchtige Vergangenheit des kre tischen Bodens lebt in den Büchern des Griechen Nikos Kazantzakis (1882 — 1957) wieder auf, die das Lob griechischer Erde und griechischer Menschen singen, „ohne den verzerrenden Spiegel der reinen Vernunft", wie er sagt („Alexis Sorbas"). Auf seine Weise hat auch Amerika die Begeg nungen und Polaritäten von Naturhaftem und Zivili satorischem erfahren. Die Dichter jenseits des Welt meeres und in Europa geben der gleichen Situation verschiedene Namen und wechseln die Vorzeichen. Während in Europa Knut Hamsun als der Erzpoet der von Heimat und Herkommen geprägten Men schen nicht müde wird, vor den Gefahren des Amerikanismus zu warnen, macht Hemingway für die Ent wurzelung des Gegenwartsmenschen Europa verant wortlich. In seinem Roman „The sun also rises" (1925, deutsch u. d. Titel „Fiesta") läßt er an einer Stelle Bill Gorton zu Jake Barnes sagen: „Du bist ent wurzelt. Du hast die Berührung mit der Erde verlo ren, du wirst affektiert. Falsche europäische Maßstä be haben dich ruiniert . . ." Dieses Gefühl der Ent wurzelung, der inneren Leere des von der Zivilisation verdorbenen Menschen begegnet uns in der ameri kanischen Literatur häufig. Thomas Wolfe spricht in seinem Roman „Schau heimwärts, Engel!" (1929) von der „glasierten Leere", die den Menschenge sichtern seiner Umgebung aufgeprägt sei. Aus der chaotischen Flut der Städte sehnt er sich nach dem „guten Amerika", wo es noch Einfalt gibt . . . Doch zurück nach Oberösterreich! Der kleine Exkurs wollte zeigen, wie die Ideen jener Zeit allent halben zu finden waren. Letzten Endes aber ist ja das Lied von der Erde uralt und ist, überall ertönt. Den homerischen Hymnus „An die Erde" singt Rudolf Bayr nach: Sei mir gerühmt, Erzmutter Erde, Nährerin aller Geschlechter . . . Du nur segnest mit Kind und Frucht, und Dir ist der Mensch in Leben und Tod verpflichtet. Arthur Fischer-Colbrie überschreibt eines seiner Gedichte „Das Leuchten der Erde". Albert Mitrin ger dichtet einen Hymnus „Die heutige Erde", der

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2