OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

Oberösterreichs Bild in der Dichtung' Von Adalbert Schmidt Wenn von Oberösterreichs Bild in der Dichtung gesprochen werden soll, dann ist das Inbild, das tVesensbild eines geistigen Raumes gemeint, das zwar in einem landschaftlichen Rahmen steht, aber weit über diesen Rahmen hinaus wächst und wirkt. Zu nächst einmal in den Raum Gesamtösterreichs, dann aber über dessen Grenzen hinweg in alle kulturellen Bereiche, wo unsere Sprache gesprochen, geschrie ben und verstanden wird. Dichtung, wie wir sie mei nen - und auch Oberösterreichs Dichtung zählt in ih ren Gipfelleistungen dazu -erschöpft sich nicht in ei nem Hier und Heute, sie weist in jenes Überall und Immer, wo die Kunst seit eh und je beheimatet ist. Erwarten Sie nicht eine literaturgeschichtliche Revue vom Mittelalter bis zur Gegenwart, in Namen gesprochen etwa von Dietmar von Aist aus dem Mühlviertel bis zu Erwin Einzinger aus Kirchdorf. Aus der literarischen Vogelschau, wie sie eine Vor tragsstunde ermöglicht, kann nicht alles gesehen werden, was sehenswert wäre, nicht alles genannt werden, was man nennen könnte oder möchte. Es handelt sich um keine Geschichtsklitterung und um kein Register von Namen und Werktiteln, es geht um den Grundriß einer dichterischen Landschaft, wie sie sich einem Betrachter darbietet, der zwar bemüht ist, sine ira et studio zu sichten, der aber zweifellos auch manche subjektive Blickrichtung nicht vermeiden kann: Ultra posse nemo obligatur. Wenn wir von Oberösterreichs Dichtung und Dichtern sprechen, dann dürfen wir auch nicht jedes mal engherzig nach dem Geburtsschein fragen. Zwi schen örtlicher Herkunft und schicksalhafter Fü gung, zwischen Neigung, Beruf und Berufung gibt es der Fäden viele, die einen Menschen räumlich und seelisch mit einem Land und einer Landschaft verschwistern, wo er erst zu dem wurde, was er ist. Hei mat hat einer nicht nur dort, wo er entspringt, son dern auch dort, wo er mündet, wo er im Verlauf sei nes Daseins die Formung erfahren hat, in der er sich letztlich darstellt. Ein markantes Beispiel dafür ist Adalbert Stifter. Es ist kein Zufall, daß dieser Mann in Oberöster reich, in einem Land der Mitte zwischen Ebene und Gebirg', heimisch geworden ist. Schon als Kind sah er die „blauen Berge" des oberösterreichischen Al penlandes in der Ferne glänzen — und der Lebensweg führte den Knaben bald nach Kremsmünster, in die von Bergen umkränzte liebliche Gartenlandschaft des Kremstales, in die Schule des benediktinischen Geistes mit seiner weltoffenen Frömmigkeit. Nach dem er in Wien vergeblich Fuß zu fassen versucht hatte, kehrte der reife Mann ins Land seiner Jugend zurück. In der Hauptstadt Linz verbrachte er die Meisterjahre seines dichterischen Daseins und päda gogischen Wirkens. In der Landschaft des Salzkam mergutes wurde der Naturmaler zum Dichter und Menschenschilderer. Die Gegenden, die der Schul rat auf seinen Inspektionsreisen immer genauer ken nenlernte, hatte er auch mit dem Herzen erwandert: Traunsee und Hallstättersee, Almtal und Zwieselal pe. Von den „Feldblumen", von der „Narrenburg" und dem „Hagestolz" bis zu „Bergkristall" und der „Mappe" haben sich Stifters oberösterreichische Landschaftserlebnisse künstlerisch immer wesen hafter verdichtet. Ähnliches gilt von der herberen Landschaft des Mühlviertels, vom Haselgraben und der Gegend um Kefermarkt, die Stifter geliebt hat, wie seine Briefe und Dichtungen es bezeugen. In die se Dichtungen sind viele volkskundliche Erkenntnis se geflossen: das Wissen vom lebendigen Brauchtum der ländlichen Welt, vom Alltag der Arbeit und vom Feierglanz der Feste, vom überlieferten, altersgehei ligten Rhythmus des Kirchenjahres. In die Landschaft Oberösterreichs ist auch das Geschehen des Romans Der Nachsommer gebettet, dessen wesentliche Ereignisse im Rosenhaus des Freiherrn von Risach vor sich gehen, diesem Tusculum altösterreichischen Lebensgefühls. Die Erfah rungen Stifters von Leben und Kunst haben sich in diesem Erziehungs- und Bildungsroman wie in ei nem Kristall zusammengeschlossen. Kindheit und Jugend werden in Erinnerungsbildern erweckt, das Hauslehrerdasein des Werdenden zieht ebenso vor über wie seine unvergessene erste große Liebe. Seine Erkenntnisse über das Wesen des Staates, über Per sönlichkeit und Gemeinschaft sind in den Roman eingegangen. Die Wiener Jahre mit ihren künstleri schen Anregungen verdichten sich zu Rückblicken und zu Auseinandersetzungen mit Theater und Lite ratur, bildender Kunst, Malerei. Was die Naturwis senschaft für Stifter immer bedeutete, ist hier ebenso niedergelegt wie seine Ehrfurcht vor der Großkunst ' Vortrag, gehalten im Rahmen der „ 17. Alpenländischen Schrift stellerbegegnung" des Autorenkreises Linz am 2. Oktober 1981 in Klaus a. d. Pyhrnbahn.

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