Abend des Sabbats und am frühen Sonntagmor gen."®® Ein gemeinsames Mahl (Agape) am Abend in der Kirche war lange Zeit in der von Ägypten abhän gigen Kirche Äthiopiens üblich. Ob dieses am Aus gang des Sabbats, wie Schermann angenommen hat, stattfand, läßt sich aus den Quellen nicht erschlie ßen, ist jedoch aufgrund des oben Gesagten wahr scheinlich.®® In Äthiopien begegnet uns eine gemeinsame Agape im Anschluß an einen Licht-Ritus, wie er an derenorts die abendliche Vesper einleitet und auch in der Severins-Vita vorauszusetzen ist. Unter der Überschrift „Über das Hereinbringen der Lampen beim Abendmahl der Gemeinde" ist in den äthiopi schen Liturgiebüchern noch aus dem 15. Jahrhundert zu lesen®®: Wenn der Abend gekommen ist und der Bischof da ist, soll der Diakon eine Lampe bringen. Und in der Mitte al ler Gläubigen stehend, im Begriff das (abendliche) Dankgebef zu sprechen, soll der Bischof zuerst den Gruß geben und also sprechen: Der Herr sei mit euch allen. Und das Volk soll antworten: Und mit deinem Geiste. Und der Bi schof soll sagen: Laßt uns danksagen dem Herrn. Und das Volk soll sagen; Es ist würdig und recht . . . Und er betet also sprechend: Wir danken Dir, o Gott, durch Deinen Sohn Jesus Christus, unsern Herrn, durch den Du uns erleuchtet hast, indem Du uns das unvergäng liche Licht offenbartest. Nachdem wir also die Länge des Tages vollendet haben und an den Anfang der Nacht ge langt sind, nachdem wir uns gesättigt haben mit dem Licht des Tages, das Du geschaffen hast zu unserem Wohlgefal len, und da wir jetzt auch des Abendlichtes durch Deine Gnade nicht ermangeln, so loben wir Dich und preisen Dich durch Deinen Sohn Jesus Christus, unsern Herrn, durch den Dir Preis und Macht und Ehre ist mit dem Heili gen Geist, jetzt und immerdar und in Ewigkeit. Und jeder soll sagen: Amen. Und wenn man dann auf gestanden ist nach dem Abendessen und die Kinder und Jungfrauen gebetet haben, sollen sie die (Abend-)Psalmen singen. Und nach dem soll der Diakon den gemisch ten Becher der Prosphora nehmen . . Aus dieser letzten Rubrik kann man schließen, daß die Feier ursprünglich mit der Begehung der Eu charistie endete. Der weitere Text in den äthiopi schen Liturgiebüchern ist ziemlich durcheinanderge raten, was damit zusammenhängen dürfte, daß in späterer Zeit die Eucharistie weggefallen ist.®® 3.3. Die Verbindung von Vesper und Eucharistiefeier In der Severins-Vita begegnet uns jedenfalls, wie wir sahen, die Verbindung Agape, Vesper und Eu charistiefeier nicht mehr, sondern nur die Verbin dung Vesper und Eucharistie. Dieser enge Zusam menschluß zu einem einzigen Abendgottesdienst - und nicht wie im römischen Ritus, wo uns eine Messe „ad nonam" mit anschließender Vesper „in choro" begegnet — ist im byzantinischen Ritus bis heute an den großen Vigilien von Weihnachten und Epiphanie, sowie am Gründonnerstag und Karsamstag üb lich. An den Mittwochen und Freitagen der Fastenzeit begegnet uns dagegen die Verbindung von Vesper und Präsanktifikaten-Liturgie (Messe der vorgehei ligten Gaben). Bei dieser „Missa praesanctificatorum" handelt es sich um einen Brauch, der zu Beginn des 6. Jahrhunderts in Syrien aufgekommen ist und hier die ältere Ordnung, nämlich Vesper mit an schließendem eucharistischen Opfer, abgelöst hat.®" Im Abendland wird sie nur am Karfreitag gefeiert. Die „psalmodia" besteht im byzantinischen Ritus im Vortrag des Einleitungspsalmes 103 und der 15 Gradual-Psalmen (119 - 133). Diese Gesänge ge hörten bereits im Tempel zu Jerusalem zum abendli chen Mincha-Opfer - die Gradual-Psalmen wurden dabei von den Leviten an den Stufen (gradus) des Altars gesungen®®, sie gehören noch heute, wie auch Ps 103, zum synagogalen Mincha-Ritus der Juden.®® W. Hengstenberg, Pachomiana. Mit einem Anhang über die Li turgie Ägyptens, in: Beiträge zur Geschichte des christl. Alter tums und der byzantinischen Literatur. Festschrift A. Ehrhard (Bonn-Leipzig 1922) 251. Ähnlich im 4. Buch der Unterwei sungen und Briefe des Shenute (t 466); vgl. K. Garnher. in: Le Museon 82 (1969) 79. Vgl. Schermann, Agapen (oben Anm. 55). Wie gesagt, gab es ursprünglich in Ägypten nur eine einzige Feier der Eucharistie innerhalb einer Woche, nämlich am Samstag Abend. In der äthiopischen Fassung der Kirchenordnung Flippolyts, herausgegeben von H. Duensing, Der äthiopische Te.xt der Kir chenordnung des Hippolyt (= Abhandl.der Akad.d.W.in Göt tingen, Phil.-hist.KI., Dritte Folge Nr.32, Göttingen 1946)75 - 79. Der Text ist auch in das äthiopische Rechtsbuch Senodos und schließlich in die Kirchenordnung des Zar'a-Jacob (1434 - 1468) eingegangen; er gehört jedoch sicher nicht zum Urtext dieser Kirchenordnung. Der Text des Dankgebets weist eine nicht zu übersehende Ähn lichkeit mit der heute noch bei den Juden gebräuchlichen Berakha auf; vgl. Gamber, in: Ostkirchl. Studien 7 (1958) 59, unter Hinweis auf R.S.F/im/!, Israels Gebete (Frankfurt 1906) 256f. Vgl. E. von der Goltz, Unbekannte Fragmente altchristlicher Gemeindeordnungen (= Sitzungsberichte der Preußischen Akad.d.W., Berlin 1906) 148 f.(mit Rückübersetzung ins Grie chische). Vgl. Schermann, Agapen (Anm. 55) 182. Vgl.G. Winkler, Der geschichtliche Hintergrund der Präsanktifikatenvesper, in: Oriens Christianus 56 (1972) 184-206. Diese im hebr. Text Jeweils „Schir hammaaloth" (Psalmus gradualis) überschriebenen Gesänge stellen nicht, wie verschie dentlich zu lesen ist, Prozessionslieder dar, wie sie von den Je rusalem-Pilgern gesungen wurden, sondern Gesänge, die die Leviten vor den Stufen des Altars stehend vorgetragen haben. Vgl. Hirsch (Anm. 61) 401 —413. Hier liegt demnach älteste jü disch-christliche Tradition vor. Außer im Osten waren die ge nannten Vesper-Psalmen ursprünglich auch im Abendland ge bräuchlich (vgl. Anm. 67).
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