OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

ordnen, daß am dritten Tag jede Familie am Abend zum Gottesdienst eine Kerze mitbringen und eigen händig an der Kirchenwand anbringen solle. Als der Psalmengesang zu Ende war (psalterio ex more decurso) — gemeint sind allem Anschein nach die Vesper-Psalmen, forderte der Heilige „zur Stun de des Opfers" (ad horam sacrificii) die anwesenden Priester und Diakone auf, zu Gott zu beten, daß die Götzendiener offenbar würden. Nach diesem Gebet flammten die Kerzen der „fideles" von selbst auf, während die anderen ohne Flamme blieben. Wie in Comagenis stellt hier die Feier des „sacrificium" am Abend den Abschluß eines dreitägigen Fastens dar. Man könnte freilich zweifeln, ob in der Vita an den zitierten Stellen mit „sacrificium" bzw. „sollemnitas" — auch die Verbindung „sacrificii sollemnitas" kommt, wie wir sahen, vor — tatsächlich die Meßfeier und nicht die Vesper als das Abendopfer gemeint ist, wie es in Ps 140, 2 heißt: „Elevatio manuum mearum sacrificium vespertinum".^^ Für eine Messe am Abend spricht die Tatsache, daß auch Ambrosius von Mailand (t 397) an Fastta gen ein „sacrificium vespertinum" bzw. eine „celebranda oblatio" zur Abendzeit kennt.^8 Das gleiche gilt für Paulinus von Nola (f 431)39 Orient."" Ferner setzt noch ein fränkisches Capitulare vom Jahre 807 eine Messe zur „hora nona" (gegen 3 Uhr nachmittags) als Abschluß eines dreitägigen Fastens voraus."^ Weiterhin ist hier anzuführen, daß anderswo —so in Gallien und seit Gregor d. Gr. auch in Rom — die Feier der Messe, ähnlich wie in der Vita (wo diese „sollemnitas" genannt wird) die Bezeichnung „missarum sollemnia" trägt. Letzterer Ausdruck begeg net uns in der Kurzform „Sollemnia" (celebranda sollemnia) auch in der Vita (c.41, 1), dagegen kennt diese den Ausdruck „missa" nicht."^ 2. 3. Der abendliche Vespergottesdienst Außer der „sollemnitas sacrificii" gab es auch ei nen eigenen, von dieser Feier getrennten Gottes dienst, der anscheinend regelmäßig stattfand: die spätere Vesper, die uns in Cucullis als erster Teil der abendlichen Feier begegnet ist."" So ist in c.44, 5 da von die Rede, daß die Mönche, bevor sie die Grab stätte Severins öffneten, die abendliche Psalmodie (vespere psalmodia) gesungen haben. In c. 30, 3 ermahnt Severin die Bürger von Lauriacum, in einer bestimmten Nacht auf den Mauern der Stadt besonders scharf Wache zu halten. Als der (übliche) Psalmengesang zu Beginn der Nacht (in noctis principio psalmodia) zu Ende war und die Nachtwache ihren Dienst angetreten hatte, wurde durch eine Fackel zufällig ein kleiner Brand verur sacht, was ein allgemeines Geschrei zur Folge hatte. Dadurch sind die in den Wäldern versteckten Feinde in Schrecken versetzt worden, sodaß sie flohen. Während hier deutlich die Gläubigen am (tägli chen) Abendgottesdienst teilnehmen, ist in c. 39, 1 von einem Psalmengesang der Mönche zu Beginn der Nacht (noctis principio psalmodia) die Rede. Es werden außerdem ein Morgengottesdienst (matutinae orationes) — er dürfte dem byzantinischen „Orthros" entsprochen haben - und weitere Gebetszei ten (orationum tempore) genannt, vielleicht Terz, Sext und Non. Severin nahm im Kloster Favianis an den monastischen Gottesdiensten regelmäßig teil, obwohl er eine eigene Zelle, etwas vom Kloster entfernt, be wohnte (vgl.c.4, 6). „Erhielt zusammen mit ihnen in feierlicher Weise (sollemniter) den Morgengottes dienst (matutinas orationes) und den Psalmengesang zu Beginn der Nacht (propriam noctis principio psalmodiam)." Dagegen verrichtete er die übrigen Ge betszeiten (reliqua orationum tempora) in seiner Zelle (vgl. c. 39, 1). 2. 4. Der Kirchengesang Die Psalmen wurden nach frühchristlicher Sitte responsorial vorgetragen. Wir können dies aus eini gen Beobachtungen schließen. So heißt es in c.43, 9, der heilige Severin habe die um sein Sterbebett ver sammelten Mönche gebeten, die (Morgen-)Psalmen zu singen. Doch vermochten es diese vor Schmerz nicht. Da begann er selbst den Psalm 150, den letzten der morgendlichen Laudes-Psalmen. Die Umste henden waren auch jetzt noch nicht in der Lage, zu Augustinus gebraucht für die Meßfeier fast regelmäßig den Ausdruck „sacrificium"; vgl. W. Roetzer, Des hl. Augustinus Schriften als liturgiegeschichtliche Quelle (München 1930) 95. Die Stunde, zu der die Vesper (mit dem Rauchopfer) begangen wurde, heißt bei Amhrosim, De virg. III 4 (PL 16, 225B) „hora incensi", und nicht, wie in der Vita, „hora sacrificii". Vgl.die lange Stelle In psalm 118. serm.8, n. 18 (PL 15. 1383 f.) bei Zimmermann (Anm.35) 74 f. Hier wird die „celebranda ob latio" „sacrificium vespertinum" genannt, genauso wie in der Vita. Vgl. Carmen XXIII 111 - 115 (PL 61, 608 C): „libatis vespere sacris"; Zimmermann a.a.O.82 f.-Für das4./5.Jh.isteine abendliche Messe an Fasttagen auch im Brief der Bischöfe Chromatius und Eliodorus, der an der Spitze des Martyrologium Hieronymianum steht, bezeugt: „. . . omni die sive non ieiunans matutinas sive ieiunans vespertinas explicans missas." Vgl. Zimmermann a. a. O. 83. Vgl. MGH Leg II. Cap. Franc. I 254. 12; Zimmermann a. a. O. 158. Vgl. K. Gamber, Missa. Von der dreifachen Bedeutung des Wortes, in: Römische Quartalschrift 63 (1968) 170-184; Mis sa Romensis (= Studia patristica et liturgica 3, Regensburg 1970) 170 - 186. Vgl. c. 11, 3: „psalterio ex more decurso".

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