Liturgiegeschichtliche Aspekte der Vita Severini VonKlaus Gamber Für die Kenntnis der Liturgie in den beiden römi schen Provinzen Noricum ripense bzw. mediterraneum (Ufer- und Binnen-Norikum) zur Zeit des hei ligen Severin ist die Frage wichtig, zu welcher kirchli chen Metropole Norikum damals gehört hat. Bekanntlich sind im römischen Reich nach Kon stantin staatliche und kirchliche Bezirke weithin zu sammengefallen. Staatlicherseits gehörten die bei den Provinzen zur Präfektur Illyricum, die vom Inn im Westen bis nach Griechenland im Osten reichte. Der Sitz des Präfekten für das ganze Gebiet befand sich im 4. Jahrhundert in Sirmium (heute Mitrowitza, etwa 180 km westlich von Belgrad an der Save gele gen). Unter Kaiser Konstantin II (337 - 340) war diese größte Stadt von Illyrien eine Zeitlang Residenz des kaiserlichen Hofes. Im 4. Jahrhundert wurden hier mehrere kirchliche Synoden abgehalten, die erste im Jahre 347, die letzte 359. Es ging damals um Glau bensfragen im Zusammenhang mit den Irrlehren des Arianismus, die in den Donauprovinzen weit ver breitet waren. Die Hunnen haben im Jahre 441 (oder 442) Sir mium eingenommen und zerstört. Vielleicht hängt die Ankunft Severins um das Jahr 455 in Ufer-Norikum - er kam, wie es in der Vita des Eugippius heißt (c. I, 1), aus den östlichen Gebieten (de partibus orientis) - irgendwie mit dem Einfall der Hunnen und dem Untergang der Stadt zusammen. Die Vita beginnt jedenfalls mit einem derartigen Hinweis: „Zur Zeit als Attila, der Hunnenkönig, gestorben war, befanden sich beide Teile von Pannonien und alle übrigen Donauländer ... in dauernder Verwir rung" (c. 1, I).i 1. Die kirchlichen Verhältnisse in Noricnm und Raetia II zur Zeit Severins I. 1. Sirmium als Metropole Sirmium war schon früh Sitz eines Bischofs. Nach der Überlieferung wirkte hier Epaenetus, einer der 70 Jünger des Herrn.^ Der Kern dieser Legende könnte sein, daß schon sehr früh Glaubensboten aus dem Osten — vermutlich aus Syrien, wie wir noch se hen werden - nach Sirmium gekommen sind. Unter Kaiser Diokletian starb (am 6. April 304) hier Bischof Irenäus den Martertod. Sein Gedächtnis ist eigens im syrischen Martyrologium vermerkt; was auffällig ist, da dieses Märtyrer-Verzeichnis so gut wie keine abendländischen Heiligen enthält. Hinge gen sind noch drei weitere Blutzeugen aus Sirmium (am 9. April Demetrios, am 20. Juli Sekundos und am 29. August Basilla) notiert.^ Über die frühe Liturgie Sirmiums wissen wir nichts, abgesehen von einigen liturgischen Formeln, die in den sog. Fragmenta Ariana angeführt werden, sowie einigen Perikopenangaben im Korbinianevangeliar, das aus dem Raum von Sirmium stammt. Doch deuten die wenigen erhaltenen Zeugnisse auf Einflüsse vom Osten, näherhin von Syrien hin. Dar über wurde an anderer Stelle eingehend gehandelt.'' /. 2. Bischofssitze in Norikum Der Sitz des Bischofs von Ufer-Norikum war Lauriacum (Lorch), wo auch der römische „Dux", der Oberbefehlshaber der hier stationierten römi schen Truppen, der „Legio secunda Italica" und der „Classis Lauriacensis", residierte. Zur Zeit Severins hatte ein gewisser Constantius die Bischofswürde der Stadt inne.® Er trägt, wie der Oberpriester einer Provinz in der Antike®, den Titel „pontifex". Die wohl Ende des 4. Jahrhunderts abgefaßte Passio des heiligen Florianus, der unter Diokletian in Lauriacum den Märtyrertod gefunden hat, ist offen sichtlich nach dem Muster der Passio des Irenäus von Sirmium abgefaßt.'' Diese Tatsache zeigt, daß die Beziehungen Norikums zur Metropole Sirmium da mals nicht nur rein äußerlich waren. ' Wir benützen die Ausgabe von R.Noll, Eugippius: Das Leben des heiligen Severin (= Schriften und Quellen der Alten Welt II, Berlin 1963). ^ Vgl. P. B. Garns, Series Episcoporum Ecclesiae catholicae (Re gensburg 1873, Nachdruck Graz 1957) 378. ^ Vgl. H. Lietzmann, Die drei ältesten Martyrologien (= Kleine Texte 2, Bonn 1911) 10 - 13. " Vgl. K. Gamber, Sakramentarstudien und andere Arbeiten zur frühen Liturgiegeschichte (= Studia patristica et liturgica 7. Re gensburg 1978) 145 - 161: Zur Liturgie Illyriens. ® Vgl. c. 30, 2: „ad sanctum Constantium eiusdem loci pontificem". ® Vgl. F. Stockmeler, Die spätantikc Kirchen-Organisation des Alpen-Donauraumes im Licht der literarischen und archäolo gischen Zeugnisse, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichtc 23 (1963) 40 - 76. hier 67. ^ Vgl. 1. Zibermayr, Norikum, Baiern und Österreich. Lorch als Hauptstadt und die Einführung des Christentums (Horn 1972) 21 f.
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