klassischem Sinn „positivistisch") deduzierbaren Reliquienschatz der frühchristlichen Ökumene. 2. Laurentius und Severin Der römische Protomartyrer und Diakon Laurentius^^ ist der Patron der Lorcher Basilika. Er wird am 10. August des Jahres 258 unter Kaiser Valerian hingerichtet, Konstantin d. Gr. baut ihm vor den Mauern Roms an der Via Tiburtina am Ager Veranus eine - heute verschwundene - Umgangsbasilika (Basilica maior), nördlich daneben entsteht durch Papst Pelagius II. (579/90) über dem Martyrergrab eine völlig neue Emporenkirche (Basilica Pelagiana), deren Apsis von Papst Honorius III. (1216/27) abgerissen und an ihrer Stelle ein dreischiffiges Langhaus angefügt wird, so daß die Emporenkirche Pelagius' II. jetzt — bei gleichzeitig erhöhtem Boden - als Chor funktioniert (Basilica Honoriana).^'» Das ist die heutige Situation der römischen Pilgerkirche S. Lorenzo fuori le mura. Wann, auf welchem Weg und warum kommt ausgerechnet der hl. Laurentius, der mit den Apo stelfürsten das Dreigestirn der großen Patrone Roms bildet, an die Donau? Die Fragen greifen ineinander, ihre Beantwortung basiert auf der Archäologie. Die Laurentiuskirche ist erstmals in einer Schen kungsurkunde der Jahre 899/902 genannt ad 5. Laurentium cuius reliquiae in ecclesia que prope civitatem Lahoriaha secus murum constructa est requiescunt et eidem prebitero illucservienti.^^ Das Lorcher Gottes haus erscheint hier als außerhalb des Legionslagers gelegene, bischöflich-passauische Eigen- und Pfarr kirche; gemeint ist die gegen die Mitte des 8. Jahr hunderts erbaute und bis zu Ende des 10. Jahrhun derts existierende Frühmittelalterkirche 1. In ihrem großen Hochaltar ruhen Reliquien des römischen Märtyrers^®, östlich von ihm sind die Reliquien der Lorcher Märtyrer zur Verehrung vom Apsisumgang aus ausgesetzt, eine Verwechslung zwischen ihnen und den Laurentius-Reliquien^^ war also ausge schlossen. Der Altar geht auf die Basilika II zurück, davor wird das Bodengrab für das Steinkistenreliquiar der Lorcher Märtyrer angelegt. Die baierischen Bau herren der Frühmitteialterkirche I müssen neben schweren Mauerschäden nach dem archäologischen Befund auch die Nordfront dieses ersten großen Hochaltares reparieren, den man kurz vorher an die ser Seite aufzubrechen versucht oder tatsächlich auf gebrochen hat. Das geschieht unter Wahrung der al ten Altarform, und wenn nuri die Baiern, die unbe denklich die Apsis der Basiliken 1, H samt den bei den Osträumen opfern, diesen Altar der Basilika II praktisch unverändert und selbstverständlich ins Zentrum ihrer unvergleichlich neuen architektoni schen Schöpfung einer Umgangsapsis übernehmen, dann kann auch am Altar kein Kultbruch stattgefun den haben — die Laurentius-Reliquien der Frühmit telalterkirche I befanden sich bereits im (selben) Al tar der Basilika II der Mitte bis dritten Viertels des 5. Jahrhunderts. St. Severin^®, den seine Schüler gerne den „Mann Gottes" nannten, und der vom Nur-Charismatiker genau so weit entfernt war wie etwa ein Anachoret der Thebais von einem, sagen wir einmal, ravennatischen Hofprälaten, weilt gemäß seiner Vita öfter handelnd in Lauriacum, verkehrt mit dem dortigen Bischof Constantius eher übergeordnet, und macht die Stadt in der Barbarennot zum Sammelpunkt der bedrängten Donauromanen. Tempore, quo Attila, rex Hunnorum, defunctus est. . . Severinus . . . adveniens in vicinia Norici Ripensis et Pannoniorum . . ., sein Wirken im norischen und rätischen Donauraum . beginnt also 453 bis etwas später. Das sind genau die Jahre, in denen die erste Stadtkirche von Lauriacum, die Basilika I, nach der (hunnischen) Brandverwü stung im Inneren durch eine auffallende Neugestal tung der Altargegend zur Basilika II wird. In ihr resi diert Bischof Constantius, Severinus aber ist ihr Schöpfer. Denn er ist es, der Laurentius-Reliquien beschafft, wegen der ein neuer Altar an Stelle des zu- " Fundamental die 1953 an der Pontificia Universitä Gregoriana in Rom bei Prof. Dr.mult. Engelbert Kirschbaum SJ.entstande ne zweibändige kirchengeschichtliche Dissertation des Salesianers Stephan Maggio (ungedr.): II culto di S. Lorenzo martire nella chiesa antica (Roma e Italia) (sec. IV - VII), für deren prompte Besorgung und Übermittlung ich dem Direktor des Österreichischen Kulturinstitutes in Rom, Herrn Univ.-Prof. Dr. Heinrich Schmidinger, nocheinmal herzlichst danke. Die beiden rezenten enzyklopädischen Laurentius-Artikel kennen die Dissertation nicht: S.Cflr/eth-Maria Chiara Celletti, Bibliotheca Sanctorum. Istituto Giovanni XXIII della Pontificia Uni versitä Lateranense, vol. 8 (Roma 1966) Sp. 108 ff.s.v. „Loren zo, Santo, martire"; L.Pelzoldt, Lexikon der christlichen Ikono graphie 7 (Hrsg. W. Braunfels 1974) Sp.374 ff.s.v.„Laurentius (von Rom)". Nach R. Krautheimer-W. Frankl-S.Corbeti, Corpus Basiiicarum Christianarum Romae II (1959) S. 1 ff. passim. " M. Heuwieser (Hrsg.), Die Traditionen des Hochstiftes Passau (1930) Nr. 89 (Neudruck Aalen 1969). Zur Quantitätsfrage vg\.Neumüller, Die Lorcher Märtyrer (wie Anm. 4) S. 25 f. Vermutet von Lotter, Severinus von Noricum (wie Anm. 4) S. 282 Anm. 359. Jetzt bahnbrechend neu Lotter, Severinus von Noricum (wie Anm. 4) u. ders., Die historischen Daten zur Endphase römi scher Präsenz in Ufernorikum. Vorträge und Forschungen 25 (1979) S.27 ff.; ferner: R. Zinnhobler, Das neue Bild des heili gen Severin. Beiträge z.Gesch.d.Bistums Linz (®1978) S.22 ff.: ders.. Woher stammte der hl.Severin? 76.Jahresber.d.Bischöfl. Gymnasiums Kollegium Petrinum in Urfahr-Linz an der Do nau, Schuljahr 1979/80, S. 29 ff.; weitere rezente Severins-Lit. bei H. Wolfram. Die Geschichte Österreichs vor der Entste hung Österreichs. AnzAkWien 117 (1980) S. 116 Anm. 29.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2