quiar bzw. Ossar wurde aus dem Boden entfernt und zur Verehrung vom Apsisumgang aus eleviert. Vom „langrechteckigen Sockel" ist noch nicht zu sagen, was er bedeutet, jedenfalls steht er mit der Erhebung in ursächlichem Zusammenhang. Zur Frühmittelalterkirche I gehören erstmals Begräbnisse: eine Doppelbestattung in Flolzsärgen im Zentrum des nach wie vor unveränderten alten Langhauses, zwei Außengrüfte im Zusammenhang mit der Apsismauer, und ein, den heutigen begrün dender, Friedhof um die Kirche. Die Frühmittelal terkirche I ist also jetzt, kenntlich am Sepulturrecht, „Pfarrkirche" geworden (was war sie vorher?); in ihr fand 791 das Triduum Karls d. Gr. vor seinem Awarenfeldzug statt. Das Ende der Frühmittelalterkirche I datieren Grabfunde ihres Friedhofes um die Mitte bis zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts. Noch im späten 10. Jahr hundert erfährt sie durch Grundrißerweiterungen im Osten und Westen eine repräsentative Aufwertung zur „Frühmittelalterkirche II": die Umgangsapsis bekommt eine Außenkrypta mit Familienbegräbnis vorgelegt, am anderen Ende erfolgt eine monumen tale Ausgestaltung der Westfront - der längst zu grundegegangene Narthex der Basiliken I, II wird noch einmal insoferne reaktiviert, als eine vermut lich offene Vorhalle mit nordwestlichem Turmpen dant zum südwestlichen römerzeitlichen „Kirch turm" entsteht. Innerhalb der Innenapsis weisen vier kreisrunde Pfostenlöcher (Durchmesser 0,25 - 0,30 m, lichte Abstände 2,15 m Nord-Süd, 1,60 m Ost-West) auf einen, dem, von der Basilika II stammenden und über die Frühmittelalterkirche I weiterübernomme nen, Altar nicht ganz I m östlich vorgestellten Vier stützenbau, einen von vier Holzsäulen getragenen Baldachin, ein Grab-Ciborium. Daß dieses auf das in der Frühmittelalterkirche I aus dem Bodengrab er hobene Reliquiar zu beziehen ist, liegt auf der Hand; einen analogen zeltartigen Überbau einer Heiligenmemoria vor dem Altar dürfte es nach einer runden Ständerdelle (Durchmesser 0,20 m) genau in Ver längerung seiner Nordkante auch schon in der Früh mittelalterkirche I gegeben haben. Die Frühmittelalterkirche II dauert unverändert 300 Jahre bis zum gotischen Kirchenbau, der sich im Osten und Norden noch immer an Tempelmauern anlehnt, 1285/91 beginnt und nach einem halben Jahrhundert 1344 vollendet gewesen sein muß. Im Zuge einer Kirchenrestaurierung der Jahre I893/I902 findet sich am 12. Oktober 1900 im heute nicht mehr existierenden gotischen, aus der Erbau ungszeit des Chores stammenden, Hochaltar^° eine schmucklose Steinkiste (0,75 x 0,75 m, nicht ganz 0,45 m hoch, Innenmaße ca.0,50 x 0,50 m), bedeckt von einer fast quadratischen römischen Inschrift platte, angefüllt mit in ein einfaches Wolle-LeinenGewebe gehüllten menschlichen Gebeinen. Daß es sich dabei um Reliquien, und zwar sehr alte, bekann te handeln mußte, bedarf beim Fundort und bei der Schlichtheit, um nicht zu sagen: Primitivität der Fundsituation, keines weiteren Wortes. Das Reliquientuch ist in das 4.76. Jahrhundert zu datieren^ k die Gebeine können daher keinesfalls jüngerer Herkunft sein. Schon aus inneren Gründen gehört der Behälter des derart textil verpackten Knochenkonvoiutes zeitlich dazu. Die grobe Stein kiste ist als Reliquiar für die gotische Zeit, in der sie in den neuen Hochaltar kommt, undenkbar, sie stammt daher aus der Vorgängerkirche. Das ist die Frühmittelalterkirche II, die Ende des 10. Jahrhun derts repräsentativ ausgebaute Frühmittelalterkir che I. Aber auch in ihr hätte man, falls das Ossar nicht schon vorhanden gewesen wäre, die spätanti ken bis spätvölkerwanderungszeitlichen Reliquien im Rahmen des nunmehrigen architektonischen Aufwandes ungleich kostbarer aufbewahrt. Das glei che gilt für die Frühmittelalterkirche I, die Kirche der in Lorch eingezogenen Baiern, die den Ostschluß der Basiliken I, II ohne äußere Notwendigkeit völlig umgestalten — wegen neuer Verehrungsformen im Dienste eines älteren Heiligenkultes.'Damit sto ßen wir auf die Basilika II der Mitte bis dritten Vier tels des 5. Jahrhunderts, und in ihr liegt, im Sinne des Wortes, der unumstößliche archäologische Beweis, daß der 1900 im gotischen Hochaltar entdeckte Komplex: Reliquien-Reliquientuch und Steinkiste, wie angetroffen, auf diese Zeit zurückgeht. Denn für die Abmessungen letzterer (0,75 x 0,75 m) war das, eine geringfügige Seitenwandfreiheit berücksichti gende, quadratische Bodengrab (0,90 x 0,95 m) vor dem Altar der Basilika II bestimmt. Manche der Knochen zeigten sich distal oder proximal verbrannt, das ist nicht das Bild einer origi nären, sondern einer Wiederbestattung. Wie schon bemerkt, hatte der Altar der Basilika I der Zeit um 370, entsprechend der Größe der Fundamentplatte, einen quadratischen Stipes der Maße 0,75 x 0,75 m, die genau an der steinernen Reliquienkiste wieder kehren. Wenn nun diese u.a.auch angebrannte Ge beine barg, so ergeben die Prämissen den vernünfti gen Schluß, daß die Kiste samt (unversehrtem) In halt bereits Teil des ersten Altarstipes war - und zwar als Hohlkörper und Reliquiar oberer auf einem Vgl. Neumüller. Die Lorcher Märtyrer (wie Anm. 4) S. 9, Anm. 31. " Eckhart, Kat. „Baiernzeit" (wie Anm. I) Nr. 20 mit sämtlicher Lit. Vgl. Ulm (wie Anm. 4) S. 195 u. Anm. 23, 24.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2