Univ.-Prof. Dr. P. Willibrord Neumüller, Benediktiner von Kremsmünster (t 17.6.1978). in tiefer Dankbarkeit. Die Heiligen der Lorcher Basilika und die Archäologie*) Von Lothar Eckhart Heilige und ihre Viten sind nicht mein Metier. Wenn aber einerseits der archäologische Befund ei ner siebenjährigen Ausgrabungstätigkeit in der St.-Laurentius-Basilika zu Lauriacum-Lorch/Enns, OÖ., vorliegt\ und andererseits Kirche bzw.Örtlich keit seit frühchristlicher Zeit mit Leben, Sterben und Verehrung großer Heiliger verbunden sind, dann er hebt sich für den Archäologen zwangsläufig die Fra ge; Was vermag der (richtig gelesene) archäologi sche Befund als vor jeder schriftlichen Überlieferung rangierende Primärgeschichtsquelle^ zur histori schen Kenntnis dieser Heiligen beizutragen? Ver mag er spärliche Daten und Fakten zu untermauern und auszuweiten, Vermutungen hypothetischen Charakters ins rechte Licht zu rücken oder gar Tra ditionen legendärer Art zu verifizieren?^ 1. Die Kirchenbaugeschichte. Die „Lorcher Märty rer" In der Gesamtheit dokumentieren die Lorcher Kirchengrabungen in bisher unbekannt vollkomme ner Weise ein dicht verzahntes und verklammertes christliches Bautenkontinuum vom 4. Jahrhundert n. Chr. bis zur heutigen gotischen Basilika, das ein ebenso lange währendes Kultkontinuum widerspie gelt - den Kult namenloser lokaler Heiliger, der Im ersten Abschnitt Gedanken und Passagen übernommen aus meinem Aufsatz „Die St.-Laurentius-Basilika von Enns-Lorch/ Lauriacum in Geschichte, historischer Theorie und archäologi scher Praxis", in: R. Zinnhobler (Hrsg.). Lorch in der Ge schichte. Linzer phil.-theol. Reihe 15 (I9S1) S. 57 ff: ebendort die einschlägigen Fußnoten. ' Die Dokumentation und Analyse der Ausgrabungen 1960/66 erscheint vermutlich Ende 1981; vorläufige Lit. (in Auswahl): L. Eckhart, Die St.-Laurentius-Kirche zu Lauriacum-Lorch/ Enns in Geschichte und Wissenschaft. JbOÖMV 120 I (1975) S.37. Anm. I; ders., Das Nach- und Weiterleben der Römerzeit in Oberösterreich. Ausstellungskatalog ..Baiernzeit in Ober österreich" (Linz 1977) S. 32 f; ders.. Die St.-Laurenz-Basilika zu Enns-Lorch. Schnell. Kunstführer Nr. 1122 (Schnell & Stei ner. München-Zürich 1978) S. 6 ff. Die Darstellung der Kir chengrabungen bei P. F. Barton, Die Frühzeit des Christentums in Österreich und Südostmitteleuropa bis 788 (1975) S. 63 ff. beruht naturgemäß auf veralteten (vgl. L. Eckhart, JbOÖMV 109 [1964] S. 172). aber z.T. auch unverstandenen Vorberich ten des Ausgräbers, und ist deshalb nur eingeschränkt nützlich. ^ Vgl. Eckhart, Laurentius-Kirche (wie Anm. 1) S.54 f. Anm.92; dazu jetzt etwa F.-J. Heyen, Vorträge und Forschungen 25 (1979), der S. 314 betont, daß für das Gebiet des nördlichen Mittelrheins nicht die schriftliche Tradition, sondern die Ar chäologie die Siedlungskontinuität von der Spätantike zum frü hen Mittelalter herausgestellt hat. Konträrz.B.: R.Pittioni, Archaeologia Austriaca 57 (1975) S. 137. der eine erfolgreiche Kirchengrabung erst bei Vorhandensein „einer ausreichenden historischen Basis für die Beurteilung von Mauerresten" ge währleistet sieht; oder: H. Wolfram, Conversio Bagoariorum et Carantanorum (1979) S. 147 (auch ders., Mitt.d. Ges.d. Freun de Carnuntums. Heft 3. 1979 S. 17). wo bei Fehlen „histori scher" Ouellen der Feldarchäologie ebenfalls eine höhere Er kenntnisfähigkeit abgesprochen wird! In diese Richtung zielt wohl auch das Zitat V. Mdojcic bei R. Wenskus, Randbemer kungen zum Verhältnis von Historie und Archäologie, insbe sondere mittelalterlicher Geschichte und Mittelalterarchäolo gie. Vorträge und Forschungen 22 (1979) S.655 Anm.68. „daß die früher gewünschte, unmittelbare Umsetzung einer Grabung in eine, womöglich schon bekannte, historische Aussage kaum zu verwirklichen ist". ^ Schon die bei Wenskus (wie Anm. 2) S. 656. Punkt I - 5 ange führten „Leistungen" der Archäologie für den Mediaevisten sprengen einen funktionellen Rahmen ersterer als historische „Hilfswissenschaft". Für den Feldarchäologen müssen notwen digerweise Alte- wie Mittelaltergeschichte Hilfswissenschaften sein. da. entgegen Zitat W.Schiesinger bei J. Werner, Vorträge und Forschungen 25 (1979) S. 10 („Der unmittelbare Einblick in die vergangene Wirklichkeit ist dem Historiker ebenso ver sagt wie dem Archäologen; beide gewinnen Einblick nur durch das Medium der Quellen . . ."), seine Quelle, der richtig inter pretierte Grabungsbefund, eben kein „Medium", sondern der unmittelbar und objektiv wiederzuerkennende historische Tat bestand ist (Zitat Eckhart a.A.nm.2\). Das gilt noch nicht für K. Frerichs, Begriffsbildung und Begriffsanwendung in der Vorund Frühgeschichte. Zur logischen Analyse archäologischer Aussagen (1981). der. Abschnitt 4 S. 90 ff. passim. ähnlich Schiesinger, „historische Quelle" und „archäologische Quelle" gleichsetzt. Meinen Respekt Frau Irmingard Achter, in: Q. Doppelfeld-W. Weyres. Die Ausgrabungen im Dom zu Köln = Kölner Forschungen 1 (1980). die S. 248 im Zusammenhang mit der Datierung des „Alten Domes" rundweg erklärt, daß dem Grabungsbefund in jedem Fall vor der schriftlichen Über lieferung der Vorrang zu geben ist.
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