OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

sammenhang nicht ignorierend^ Man entdeckte eine römische (militärische) Bauanlage aus dem zweiten Jahrhundert, die offenbar im fünften Jahrhundert unterteilt wurde; dabei stieß man auf ein leeres Mauergrab mit einem anschließenden Becken. Es ist bemerkenswert, daß der mittelalterliche Kirchenbau von Sankt Jakob sich an dieser Grabanlage orientier te und darum die Vermutung zu Recht besteht, daß in dem aufgefundenen Grab einst eine bedeutende Persönlichkeit beigesetzt gewesen sein muß. Ernst Karl Winter hat seit dieser Entdeckung mit Vehemenz die These vertreten, es handle sich hierbei um das zeitweilige Grab Severins^® und folglich sei Favianis mit Heiligenstadt zu identifizieren. Eine hefti ge Kontroverse brach wegen dieser Ortsbestimmung aus, und sie ist bis heute noch nicht zur Ruhe gekom men, wie das letztjährige „Wissenschaftliche Ge spräch" in Mautern bestätigt.^® Nach wie vor spre chen freilich für Mautern die meisten Gründe zur Identifizierung mit Favianis als Zentrum der Wirk samkeit Severins. Jedenfalls wird mit diesem Streit deutlich, daß die Ergebnisse der Archäologie die Aussagen der Vita Severin! nicht immer erhellen, sondern wieder neue Fragen aufwerfen. Unter den von Eugipp erwähnten Orten im Wie ner Raum ist - die Gleichsetzung mit Asturis voraus gesetzt - auch für Klosterneuburg eine Kirchenanla ge nachgewiesen. Nach dem Bericht von Rudolf Eg ger handelt es sich um eine Verbindung von Toten haus und Kapelle, wie sie beispielsweise auch in Salona begegnet; als Entstehungszeit dieses Kultkom plexes gilt das ausgehende vierte Jahrhundert.®® Über die allgemeine, jedoch im Hinblick auf den Stand der Christianisierung durchaus bedeutsame Feststellung einer christlichen Präsenz im Gebiet von Klosterneuburg®^ zeigt sich hier die Grenze eines unmittelbaren archäologischen Nachweises; unbe schadet der Möglichkeit weiterer Funde ist die Ver knüpfung von Ereignissen aus dem Leben Severins mit konkreten Baubefunden beim gegenwärtigen Erkenntnisstand nur unter Vorbehalt zu vollziehen. Stärker als in der Vita Severin! durch Eugipp ist Lorch/Lauriacum durch die archäologische For schung ins Bewußtsein gerückt. Die Grabungen un ter der Laurentiuskirche haben zwar nicht das ver mutete Kapitol zutage gefördert, jedoch einen früh christlichen Kirchenbau von beachtlichen Ausma ßen, dessen Errichtung in die zweite Hälfte des vier ten Jahrhunderts zu datieren ist.®® Die Basilika, maßgerecht erstellt über einem öffentlichen Vorgän gerbau (gallo-römischer Umgangtempel?), erfuhr offensichtlich zur Zeit der Wirksamkeit Severins eine Umgestaltung, die auch zur Umbettung der Re liquien in ein Schachtgrab führte.®® Die unverkenn bare Sorge für eine angemessene Beisetzung dieser Reliquien läßt natürlich die Frage aufkommen, ob es sich bei dieser Basilika ursprünglich um eine Ge dächtniskirche handelt®", obwohl Lage und Größe - die Ost-West-Länge betrug knapp 40 m - sowie die Heizanlage für eine Gemeindekirche sprechen. Je denfalls tritt uns hier ein bauliches Kontinuum seit vorchristlicher Zeit entgegen, das in einmaliger Wei se die Gegenwart mit der Antike verbindet. Bekanntlich enthält die Vita Severin! den Hin weis, daß der Heilige im Zuge der Räumungsmaß nahmen die Bevölkerung nach Lauriacum überführ te und „eines Tages alle Armen in einer Basilika ver sammeln" ließ zur Ausgabe von Öl.®® Man darf an nehmen, daß dieses Ereignis sich im antiken Vorgän gerbau der Laurentiusbasilika abspielte, die dann ebenso als Bischofskirche des Constantius anzuspreVgl. A. Neiirncmn, Römische Bauten und frühchristliche Kuitstätte in Heiligenstadt, in: PAR 2 (1952) 54-56; E.Schaffran, Über spätantik-frühchristliche Ausgrabungen in der Jakobs kirche von Wien-Heiligenstadt, in: RivArchChr 29 (1953) 215-225; vig. K.Lechner, Heiligenstadt -Sanctus Locus. Le gende und Geschichte um einen Wiener Vorort, in: Wiener Geschichtsbl. 8/68 (1953) 54 - 76: A. Neiiiminn. Die Ergeb nisse der Ausgrabungen in der Jakobskirche in Heiligenstadt 1952/53, in: Amtsbl.d. Stadt Wien 10 (1958) 35 f; K. KramenE. K. Winter, St. Severin, Der Heilige zwischen Ost und West (Klosterneuburg 1958). Siehe dazu die Bemerkung VS44,5: ..praemissacum monachis vespere psalmodia sepulturae locum imperat aperiri'" (Noll 112). Siehe PAR 30 (1980) 25. Siehe R. Egger, Cm frühchristlicher Kultbau in Klosterneu burg, in: PAR 4 (1954) 35 f; A.Schmeller, Die Ausgrabungen in Klosterneuburg 1953- 1954, in: Beitr.z.Kunstgeschichtc u. Archäologie d. Frühmittelalters (Graz - Köln 1962) 291-351. 8'VS 1,2 (Ao/ZSS). 88 Neben den Vorberichten des Ausgräbers W.Jenny - H. Vet ters — A. Klober —E. Eckhart, Forschungen in Lauriacum I -VII (Linz 1953 - 60), siehe die Zusammenfassung von L. Eckhart, Die frühchristliche Märtyrerkirche von Lauriacum (LorchEnns, Oberösterreich), in: Akten des Vll. internationalen Kongresses f. christl. Archäologie, Trier 1965 (Cittä del Vaticano 1969) 479 -483; ders.. Die Stadtpfarrkirchc und Fried hofskirche St. Laurentius von Enns-Lorch-Lauriacum in Oberösterreich. Die archäologischen Ausgrabungen 1960 - 1966. Teil I: Dokumentation und Analyse. Forschungen in Lauriacum 11,1-3 (Linz 1981). 88 Vgl. die Ausführungen von L. Eckhart, Die Heiligen der Lor cher Basilika und die Archäologie, auf diesem Symposion. 8^ Die Translation eines Märtyrerleibes fand erstmals im Jahre 354 in Antiochien statt, als man den Märtyrer Babylas nach Daphne übertrug, um dort den Apollo-Kult zu verdrängen (vgl.Sozomenos. hist.eccl.V 19,12 f(GCS 50,225). Die Erhe bung der Märtyrer Gervasius und Protasius erfolgte am 17.Ju ni 386 durch Ambrosius von Mailand; Reliquien dieser Mär tyrer setzt Severin in der Klosterkirche von Favianis bei (VS 9,3: Noll 72). Mit Recht darf man fragen, ob die Beisetzung der Reliquien örtlicher Heiliger den im Vorgängerbau geübten heidnischen Kult ablösen sollte? 88 VS 28,2: „praeterea quadam die vir dei cunctos pauperes in una basilica statuit congregari" (Noll 92).

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