OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

Zivilstadt, hat sicher auch den Großteil der Flücht linge aufgenommen".®^ Donauabwärts spielt Favianis für Severin als Zentrum seiner Tätigkeit eine wichtige Rolle; der Ort, an dem der Fleilige „unweit der Stadt ein Klo ster (monasterium) erbaute"®^, wird in der Vita am häufigsten erwähnt.®® Nach wie vor ist die Lokalisie rung dieses Ortes umstritten, wie die Diskussionen auf dem letztjährigen „Wissenschaftlichen Ge spräch" in Mautern gezeigt haben, das durch seinen Anspruch mit Zwentendorf und Wien in Konkur renz steht.®" Ausgrabungen haben die römische Ver gangenheit von Mautern bestätigt und mit guten Gründen läßt sich die Identifikation mit Favianis rechtfertigen.®® Comagenis®® - der Name leitet sich von Truppenverbänden her, die in der syrischen Landschaft Kommagene ausgehoben wurden - ist wohl die römische Vorgängerin von Tulln und in ähnlicher Weise geht der Name Asturis®^ - gleichzu setzen mit Klosterneuburg in Wien - auf eine in Asturien (Spanien) rekrutierte Truppeneinheit zu rück. Aus der Provinz Binnennoricum wird nur Tiburnia genannt, das man weitgehend einhellig mit Teurnia, dem heutigen St. Peter im Holz, gleichsetzt.®® Von italienischen Städten begegnen Mailand (Mediolanum) als Bischofsstadt des Ambrosius®®, sowie Neapel®®, und das Kastell Lucullanum®^ im Zusam menhang der Überführung des Leichnams Severins. Im übrigen erwähnt die Vita Severini nur noch die Grenzstadt Novae an der unteren Donau im heuti gen Bulgarien, und zwar als Aufenthaltsort Theode richs.®® Die Angaben Eugipps zur Topographie des Al pen-Donau-Raumes in römischer Zeit lassen sich weitgehend archäologisch verifizieren, wenngleich die Siedlungskontinuität nicht überall gewährleistet ist.®® Die Wirksamkeit Severins ist also hineingestellt in die konkrete Siedlungssituation im Alpen-DonauRaum und insofern weist die Vita geradezu einen geographisch-geschichtlichen Rahmen auf. So punktuell einzelne Angaben aber auch sind, im Zusam menhang der geschilderten Rückzugsbewegung ist unverkennbar auch eine geographische Stimmigkeit zu erkennen. Andererseits fehlen verschiedene Orte, so daß uns durch die Archäologie ein reicheres Bild der Siedlungssituation geboten ist. Dies gibt nicht zuletzt Anlaß zu unterschiedlichen Lokalisie rungen einzelner Orte, vor allem östlich der Enns, wo offensichtlich im Gefolge rugischen Einflusses die „Donauuferstädte namensmäßig untergegangen sind".®" Es mag dahingestellt bleiben, ob der Fortbe stand der Städte an der oberen Donau mit ihrer frei willigen Räumung durch Severin zusammenhängt®®; die Namenskontinuität in diesem Gebiet ist jeden falls weitgehend unterbrochen. 2. Der Bestand an Kirchen Über den topographischen Rahmen hinaus gerät die Vita Severini geradezu in den Brennpunkt der Archäologie durch jene monumentalen Zeugnisse, die vom Christentum der Bewohner dieser Provin zen in der ausgehenden Antike Kunde geben. Wie die Kennzeichnung dieser Denkmäler als „christ lich" nur in einem abgeleiteten Sinn zutrifft, so ver mögen die einschlägigen Funde ebenfalls nur den materiellen Rahmen zu beleuchten, in dem sich das Christentum Severins bzw. der Gläubigen seiner Zeit Ausdruck geschaffen hat. Der Nachweis oder gar die Freilegung einer frühchristlichen Basilika zeugt im allgemeinen vom Bestand einer christlichen Ge meinde — so viele Fragen, etwa über ihre Zusammen setzung, auch offen bleiben - und illustriert zugleich entsprechende Hinweise der Vita Severini. Gewiß stellen sich trotz aller gewonnenen Erkenntnisse der Archäologie weitere Probleme, die da und dort durch Nachgrabungen bereits einer Klärung zuge führt wurden.®® Nicht zu ünrecht wurde jüngst dar auf aufmerksam gemacht, daß etwa die zeitliche Ein ordnung mancher frühchristlicher Kirchenbauten ünsicherheiten aufweist und deshalb Vorsicht geboH. Vetters, Lauriacum 377. " VS 4,6 (Noll 64). " VS3,1 (Noll60)-8,2 (A'o//68); 10,1 (^0/172); 22,4(^0//88); 23,1 (/Vo//88); 31,1.6 (Noll 9Sy, 42,1 (Noll 106). Thema des Gesprächs war: „Der heilige Severin in Favianis - Mautern, Zwentendorl'oder Wien?" Vgl.PAR 30 (1980) 25. Vgl. A. Aign, Favianis und der heilige Severin, in: Ostbairische Grenzmarken 3 (19.S9) 168 - 200; 6 (1962/63) 5 - 77; 7 (1964/65) 9 - 70; H.Stiglitz-Vi. Thaller, Führer durch das rö mische Mautern an der Donau (Wien 1963). 56 VS 1,3 (Noll 58); VS 33,1 (Noll 100); siehe dazu G. Pa.scher, Römische Siedlungen 153 ff. 5'VS 1,1.5 (Noll 58). 58 VS 17,4 (Noll 82)-, 21,2 (Noll86y, vg].R.Egger. Teurnia (Kla genfurt '1973). St. Kunvieve möchte jetzt Tiburnia mit Tierno bei Rovereto identifizieren, einem Ort außerhalb der Provinz Noricum (Die Franken und die Suffragane Aquileias). in: Jahreshefte d. österr. archäol. Inst. Wien 51 (1976 — 77) 173191, bes. 185 ff. 55 VS 36,2 (Noll 102); ferner 26,1 (Noll 90). 80 VS 46,2.3.5 (Noll 114.116). 81 VS 46,2 (Noll 114). Vgl. H. Philipp, Art. Lucullanum castellum, in: RE 13.2, 1705. 62 VS 44,4 (Noll 112). 85 Nach VS \ ,21 (Noll 58) wurde Asturis, und nach VS 24,3 (Noll 90) Joviaco zerstört. Vgl.H. Thaller, Städte 316. 6^ H. Thaller, Städte 317. 85 Ebd.319. 88 Beispielsweise ergaben kürzlich die Nachgrabungen in der Se verinskirche zu Passau-Beiderwies, daß die Anlage in spätrö mische Zeit zurückreicht.

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