OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

gebrauchten Terminus „Nostalgie", der sich ursprünglich schlicht auf die Heimwehkrankheit bezog. Beachtlich ist schließlich ein wiederum durch Rene König inspirierter Gedankengang, daß nur der, welcher „heimat-offen" ist, der sich also den entsprechenden Grundstock seiner persönlichen Erfahrungen in seiner unmittel baren Umwelt zu schaffen verstanden hat, auch „weltoffen"" sein kann, ein Gedankengang, der in die schöne Formulierung mün det, Heimat sei die „Tür, durch die wir in die Welt hineintreten"". Auch Dr. Hannelore Blaschek hat sich in ihrem Beitrag „Die wiederentdeckte Heimat - Ansatz und Aufgabe der Bildung"" nicht der mühevollen Aufgabe entzogen, sich zunächst mit dem Begrifflichen auseinanderzusetzen. Wie schon durch die Wahl des Wortes „wiederentdeckt"" im Titel angedeutet, läßt sie jedoch vor allem die Frage anklingen, ob diese Heimat vergessen, verloren wurde? Oder ob man sie, als einen verkannten Wert, vielleicht in Zeiten größerer Gefährdung wieder entdeckt hat? Wobei die Au torin als solche Gefährdungen in unserer Gegenwart sieht: die Unruhe und Unbehaustheit, die Terminjagd, die Sucht nach Neuem (die „Neophilie"' des Konrad Lorenz), die „Wegwerfge sinnung"", Rekordsucht, die Abkehr von der organischen Welt, Monotonie, Schablonenhaftigkeit, den „Verlust der Mitte" und manch anderes mehr. All dies hat bekanntlich zu mannigfachen Gegenströmungen geführt. Ist die „Wiederentdeckung" der Hei mat, die Konzentration auf kleinere, überschaubare Räume, das Bekenntnis zum Stichwort „small is beautiful" eine solche mächti ge Gegenbewegung, wird „Heimat"" wieder zu mehr als einem Pflichtwort, einem Modevokabel? Es scheint tatsächlich so zu sein, wenn man eine kürzlich in der BRD durchgeführte Befra gung nach wesentlichen Werten heranzieht, bei der nach Aussage der Referentin nicht nur „Freiheit" und „Beweglichkeit" genannt wurden, sondern auch ein Grundverlangen nach Heimat und Ge borgenheit feststellbar war. Frau Dr. Blaschek geht in ihrem Arti kel in der Folge ganz konkret auf Möglichkeiten ein, im Rahmen der Erwachsenenbildung eine Art „Heimatbewußtsein" und „Heimatgefühl"" zu stärken und zu fördern, wobei sie in erster Li nie freilich an die Aktivitäten der Bildungswerke denkt. Wer in diesem Bereich tätig ist. wird dadurch sicher Anregungen erfah ren. Aus einem sehr präsenten und flammenden Herzen kommt der Beitrag von Prof. Dr. Katharina Dohler unter dem Titel „Wir suchen das verlorene Herz - Wege zur Selbstfindung in Alltag und Umwelt". Freilich - wie oft bei solchen engagierten, emotioneilen Unterfangen - wird es vom jeweiligen Standpunkt des Lesers ab hängen. ob dieser aus einer u. a. stark christlich gestimmten zeit kritischen Haltung heraus verfaßte Vortrag uneingeschränkte Be jahung finden oder dem Vorwurf allzu subjektiver Einseitigkeit in manchen Belangen ausgesetzt sein wird. Wiss. ORat Mag. Manfred Mohr setzt sich mit der Heimatstu be und dem Fachmuseum auseinander und damit auch mit den umstrittenen Entwicklungen und Anschauungen im (heimat)musealen Bereich, die vom wissenschaftlichen Auftrag bis zur vordergründigen „Nostalgiewelle" unserer Tage reichen. Viel Wissenswertes enthält der von ihm gebotene Abriß einer Ge schichte des Sammeins. Richtungweisend ist sicher der Hinweis auf das oberösterreichische Programm, nicht Vielfalt im Museum, sondern eine Vielfalt der Museen anzubieten, Museen, die dem Besucher das Gefühl vermitteln, in den Prozeß der Geschichte hineingestellt zu sein und im Vertrauen auf die Zukunft auf ver gangenen Epochen autEauen zu können. Die Heimat Oberösterreich aus landespolitischer Sicht durch leuchtet LAbg. Prof. Dr. Karl-Albert Eckmayr (Amtsführender Präsident des Landesschulrates für OÖ.). Er geht davon aus, daß das Landesbewußtsein in Oberösterreich noch nicht so stark ent wickelt sei wie seit Generationen bei den Tirolern oder Steirern. Daraus ergeben sich Aufträge und Konsequenzen für die Landes politik bezüglich der Pflege und Stärkung dieses Bewußtseins, be züglich eines kräftigen Einbindens des Oberösterreichers in sein Heimatland, ein sicher nicht immer leichtes Unterfangen, da nach Ansicht des Autors Politik in der Gemeinde einerseits und die Bundespolitik anderseits oft von der Bevölkerung stärker erlebt werden als die dazwischenstehende Landespolitik. Wem fällt bei der Nennung des Wortes „Heimat"' nicht auch die damit untrennbar verbunden scheinende Vokabel „Heimat film" ein. Prof. Ferdinand Kastner x\ es gedankt, daß er den Leser zwingt, hier einmal gründlich zu differenzieren und den KitschFilm ä la „Der Förster vom Silberwald" vom echten Heimatfilm zu trennen, den es tatsächlich - vor allem auch außerhalb des deut schen Sprachbereichs - gibt. Seine Merkmale liegen in einer un verfälschten Wiedergabe des Lebensraums, des Ambiente der handelnden Personen (wobei auch Ärmlichkeit und Schmutz ge zeigt werden dürfen), in der Einbindung der Personen in ihrem Sprechen und Handeln in das Verhalten und die Ausdrucksweise der Menschen im Dorf (unverfälschte, in keiner Weise „normali sierte" Mundart ist erwünscht), art- und regionsfremde Elemente bleiben aus der Handlungsgeschichte verbannt. Die ältere Kunstform der Literatur greift Hofrat Prof. Dr. Al demar Schiffkorn in seiner Zusammenstellung unter dem Titel „Die Heimat und der Dichter" auf. In einer Fülle von Beispielen - regionalen wie überregionalen - macht er spürbar, daß es die Dichter sind, die „das nie ganz Faßbare" begreifen, „das im Wort Heimat gleichsam als .Oberton" mitschwingt". Dr. Kurt Krenn und Dr. Leopold Temrnel transponieren das Thema ..Heimat" sozusagen in verschiedene „Kirchentonarten". Dr. Temmel spürt als Superintendent i. R. unter anderem den Sy nonyma in der Bibel für das fehlende Wort Heimat nach und erin nert daran, daß in einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem Anliegen der Tagung wohl auch das Exulantenschicksal der Protestanten und ihre neue Heimatfindung in josephinischer To leranzgesinnung nicht fehlen dürfen, ebensowenig wie ein Befas sen mit den — meist evangelischen — Volksdeutschen, die nach 1945 sich in vielen oberösterreichischen Gemeinden ansiedelten. Sein geistlicher Ausblick gilt freilich einem Heimweh, das nicht von dieser Welt ist. Wie schon angedeutet, sucht auch Geistl. Rat Univ.-Prof. Dr. Krenn aus katholischer Sicht die Parallelen zwischen Religion und Heimat auf. Er kommt zu dem Schluß, daß sich der Mensch vor al lem dann von beiden trennt, „wenn er darin nur mehr eine Ge schmackssache, eine Frage von historischen Zusammenhängen, ein Problem der ästhetischen Formen, wenn er Heimat und Reli gion nur mehr als ein Angebot nicht aber mehr als eine Verant wortung erkennt". Heimat kann daher für Krenn nicht bloße Ver gangenheit sein, Heimatpflege nicht völlig gleichbedeutend mit Geschichtspflege. Heimat ist für ihn vielmehr vor allem Gegen wart. Heimat bedeutet miteinander zu leben, zu arbeiten, zu spre chen, zu feiern, einander zu vertrauen. Und der Referent bringt eines der wohl schönsten und an schaulichsten Bilder der gesamten Publikation, wenn er davon spricht, daß das Wort „Heimat" im weiten Meer der unendlich vielen sprachlichen Möglichkeiten des Menschen immerwiederin verstreuten Inseln auftaucht - als Benennung einer zutiefst menschlichen Erfahrung. „Es bleibt uns aber verborgen, welches Festland diese Inseln untereinander verbindet. Bei der Vielfalt, die wir im Wort Heimat feststellen, bleibt uns jedoch das Wissen, daß der das Leben erfahrende Mensch das verborgene Gemeinsa me ist." Somit wird für Krenn Heimat zu einem „Anliegen der Mitmenschlichkeit", wie er es auch im Titel seines Beitrages zum Ausdruck bringt. Und hier schloß sich für den Rezensenten recht eindrucksvoll der Kreis, als er beim Schreiben dieser Zeilen auf folgendes Zitat von Bundesminister Dr. Sinowatz stieß, der aus drückte, warum ihm „die Besinnung auf die Heimat, auf den Le bensraum des Volkes, auf den Alltag der Menschen so bedeutsam zu sein" scheint: „Nicht Nostalgie hat uns dazu gebracht, schon gar nicht die Illusion von einem neuen Biedermeier. Nein! Die Achtung vor der Würde des Menschen ist es, die Liebe zur Ge-

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