OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

Ein „Drahbrett" („Glücksradl") Von Cölestin Hehenwarter Wollte man den Worten so mancher Autoren Glauben schenken, dann dürfte es in unserer enge ren Heimat kaum mehr wertvolles bäuerliches Gut in den Dörfern und Weilern geben: Kasten, Truhen, bodenständiger Hausrat und ähnliche Dinge - alles wäre entweder vernichtet, verheizt oder aber oft um wenig Geld in- oder ausländischen Händlern über lassen worden. Der Verfasser dieser Zeilen konnte jedoch, ein geführt durch Einheimische, noch vielerorts im Hausruckgebiet schönes bäuerliches Mobiliar und interessante alte Gegenstände zu Gesicht bekom men. So wurde ihm in einem kleinen Gasthof ein altes „Drahbrett", eine Art Roulette gezeigt, das nach Ansicht des Verfassers ursprünglich wohl nicht zur Unterhaltung von Bauern bestimmt war, sondern — der genannte Gasthof war einst Schloßtaverne — erst vom nahegelegenen Schloß in die Gaststube wan derte. Das Spielbrett hat einen Durchmesser von 43 cm; darüber einen drehbaren eisernen Zeiger, 37 cm lang, mit Enden aus Messing. Die Dicke des Brettes beträgt 2,5 cm; es ruht auf drei 5,5 cm ho hen, 2 - 2,5 cm breiten Füßen. Auf dem Brett befin den sich 8 weiße (jetzt nachgedunkelt) und 8 schwar ze Felder, in den Feldern Punkte: auf Weiß 3 — 10, auf Schwarz II — 18 in unregelmäßiger Abfolge, je weils in Gruppen zusammengestellt. Die Felder um gibt ein 2,5 cm breiter, brauner Ring, dann folgt ein roter Kreis. Das Mittelstück des Brettes bedeckt eine dunkle Schicht, unter der eine bläuliche Farbe ver borgen zu sein scheint. Speichenförmig zerteilen es helle Striche in einzelne Felder, auf die wohl beim Spiel die Einsätze gelegt wurden. M Interessant nun die Unterseite des „Drahbrettels". 16 handgeschmiedete Blattfedern finden sich hier, die alle an ihren äußeren Enden aufrechtste hende Spitzen tragen; über diesen jeweils ein Bohr loch, das an der Oberseite genau zwischen zwei Fel dern endet: eine äußerst sinnreiche Konstruktion! War es nämlich beim Spiel nicht klar, auf welcher Farbe der Zeiger schon oder noch zum Stillstand ge kommen war, von unten her ein Druck auf die Blatt feder: der sich aus dem Brett erhebende Stift ent schied dann sofort. Dem Besitzer dieses seltenen Stückes wurde vom Verfasser geraten, es doch zum Zweck einer Restau rierung einer Fachkraft zu übergeben, was dann auch im Landesbildungszentrum Schloß Zell a. d. Pram geschah. Von einer Firnisschicht befreit und an wenigen Stellen farblich ausgebessert, wird das „Drahbrett" als unverkäufliches Erinnerungsstück an die „gute alte Zeit" zu seinem Besitzer zurückkehren, an eine Zeit, die aber auch schon den Spielteufel kannte.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2