OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

Schwierigkeit anschaulicher zu machen, als es viel leicht ohne vorverlegte Beschreibung dieser bereits fertigen Kratzputzbilder geschehen könnte. So geht Friedrich Thiemann nach Übereinkunft mit dem Auftraggeber an eine kleinere, aber schon völlig exakte Skizze des Sgraffito heran, die alle seine Überlegungen, wie das Sgraffito auszuführen sei, be rücksichtigt. Als dritten Vorgang zeichnet er dann einen Karton in der Größe des Sgraffito, der zum Auftragen der Konturen an der ausersehenen Wand verwendet wird. Das Übertragen auf die Wand mit allen Vorbe reitungen und die Arbeit am Sgraffito selbst verlan gen dann nur noch ein Fünftel der vorangegangenen Bestrebungen, Verrichtungen und Anstrengungen. Aber nur das schätzt der Beschauer als die einzige Arbeit eines Sgraffito-Künstlers. Friedrich Thiemann hat sich da eine Technik mit Schablonen einfallen lassen. Die Proportionen der Motive, der Gestalten oder sonstigen gegenständli chen Dinge wie Blumen, zum Beispiel Sonnenblu men, oder Getreideähren als Beischmuck, in einer Größe hinzusetzen, daß sie sowohl von der Nähe wie von weitem als natürlich anzusehen sind, ist beim Sgraffito im Gegensatz zu Fresken in großen hohen Räumen - so in unseren Barockkirchen - kaum schwierig für den Gestalter. Auch hat die Freskoma lerei mit dem Kratzputz nichts zu tun. Dennoch ver langt das Sgraffito, daß der Blick des Beschauers be rücksichtigt wird, je nachdem das Bild von weitem oder von der Nähe angesehen wird, von der Flöhe oder von einer tiefer gelegenen Straße. Aber solche Erwägungen sind selbstverständlich und damit auch die notwendige Verhältnisgrößenwahl im einzelnen. Mit den Jahren hat Friedrich Thiemann hinzuge lernt, besonders in der Vorbereitung der Wand, aber auch in der rationellen Arbeit und Methodik. Es gilt hier schnell und ungewöhnlich genau zu sein. Vor al lem muß abgeschätzt werden, wie sich die verschie denfarbigen Putzschichten binden — darauf hat auch Kurt Herberts in seinem Buch hingewiesen —, und je de Farbschicht soll womöglich in einem Zug zu Ende geführt werden. Denn die Farben lassen sich in der selben Nuance kaum ein zweitesmal mischen. Aber Friedrich Thiemann ist nicht umsonst Assi stent Hönichs in Akt- und Figurenzeichnen an der Prager Akademie gewesen, und vermutlich haben ihm auch seine naturwissenschaftlichen Studien ge rade eine bis ins kleinste Detail richtige Darstellung des menschlichen Körpers erleichtert. Eine umfas sende Bildung sichert ja stets auf allen Gebieten be deutendere Erfolge als nur eine Spezialausbildung. Wir kennen das von großen Vorgängern, etwa von Leonardo da Vinci, dem die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften und besonders auch mit den Funktionen des menschlichen Körpers bei seiner künstlerischen Arbeit als Maler nur geholfen hat. Das Gesamtwerk Friedrich Thiemanns in allen sei nen Sparten, von denen das Sgraffito nur eine ist, gründet sich demnach in einem Humanismus, wie er uns Europäern immer schon geläufig war. Am Schlüsse sei in bezug auf das Lebenswerk Thiemanns, von dem man in seinem Alter — am 20. Oktober 1981 hat er sein 64. Lebensjahr vollendetbereits reden kann, nicht zuletzt deshalb, weil er in unerhörtem Fleiß schon ein umfangreiches Oeuvre — die rund 200 Sgraffiti sind nur ein Teil davon - ge schaffen hat, noch das eine gesagt: an ihm alsKünstler bewahrheitet sich, wie sooft in unserer Gegenwart, wieder die Tatsache, daß sich alles Bleibende in der Kunst und auch in der Wissenschaft vor allem auf die älteren und alten Frauen und Männer stützt. Der Sturm und Drang der Jugend ist notwendig, aber es ist falsch, Vorschußlorbeeren ohne Zahl auf ihren Weg zu streuen. Das schadet nur. Jeder auf dem Ge biet der Kultur schöpferisch Tätige hat eine lange Anlaufzeit gebraucht, um sich zu behaupten. Wir in Oberösterreich haben dafür ein nicht zu leugnendes Beispiel: Adalbert Stifter, der auch ein bedeutender Maler gewesen ist. Es ist mehr als ein halbes Jahr hundert vergangen, bis er in der ganzen Kulturwelt bekannt geworden ist. Wenn wir es genau nehmen: erst die Gründung des Adalbert-Stifter-Institutes in Linz hat dies ermöglicht. Was Friedrich Thiemanns Kunst betrifft, war sie in einer Ausstellung im Atrium des Kirchdorfer Rathauses im Oktober 1981 der Öf fentlichkeit zugänglich gemacht. Es ist zu hoffen, daß er auch in Linz ausstellen wird. Die Abbildungen wurden der Redaktion vom Verfas ser zur Verfügung gestellt.

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