Das Sgraffito im Bild der oberösterreichischen Landschaft Zum Werk von Friedrich Thiemann Von Carl Hans Watzinger Unter dem Stichwort „Sgraffito" ist in einem ein schlägigen Nachschlagewerk zu lesen: ... zu ital. graffiare = kratzen, eine besondere Art der Wandmalerei. Die Wandtfäche wird mit gefärbtem Putz und dieser mit einer weiteren Putzschicht überzogen, au-s der, solange sie noch feucht ist, die Darstellung bis auf den darunterliegenden Putz herausgekratzt wird; in Deutsch land seit dem 14. Jahrhundert, in Italien besonders in der Renaissance geübt, um 1860 von G. Semper wieder einge führt, auch als Volkskunst in Thüringen, Hessen sowie in Siebenbürgen und im Engadin gebräuchlich (Kratzputz). Heute werden verschiedene neuere Arten des Sgraffito, teilweise mit mehreren Farbschichten, angewendet. Das ist sehr wenig. Aber auch das Buch „Die Maltechniken. Mittler zwischen Idee und Gestal tung" von Dr. Kurt Herberts bringt im Kapitel „Sgraffito" nicht viel mehr, erklärt jedoch kurz, so zusagen vereinfacht, die Technik des Sgraffito. Hier fehlt in erster Linie eine Darstellung der einzelnen Arbeitsvorgänge in ihrer Reihenfolge, die allerdings von dem jeweiligen Künstler des Sgraffito abhängen. Könner, soweit sie an einer Akademie ausgebildet worden sind, haben sich auf diesem Gebiet stets selbst umsehen und ihre eigene Technik erfinden müssen. Daraus geht hervor, daß es weniger ausge zeichnete Sgraffiti gibt als unansehnliche. SgraffitoAufträge werden von den Ausführenden meist nur im Sinne einer zusätzlichen finanziellen Einnahme gesehen. Am Beispiel der Sgraffiti von Friedrich Thiemann soll hier einmal von Sgraffitokunst ge sprochen werden. Blicken wir zurück! Typisches Sgraffito aus der Renaissance zeigt der 1612 als Getreidespeicher ge baute und später als Eisenlager der Innerberger Hauptgewerkschaft verwendete, allgemein bekann te InnerbergerstadeP am Grünmarkt in Steyr. Seine Tore und Fenster sind mit reichem Kratzputz schmuck umrahmt. Der stattliche Bau, den der be rühmt gewordene Stahlschnittkünstler Michael Blümelhuber — er hat sich Stahlbildhauer benannt — vor einem Abbruch gerettet hat, dient jetzt als Heimat haus (Stadtmuseum) zur Unterbringung verschiede ner Sammlungen als Hinweis auf die kulturelle Ent wicklung der alten Eisenstadt und ihrer Umgebung. Wir finden solche Verzierungen der Außenwän de von Gebäuden auch noch da und dort auf dem of fenen Land, auf den Fronten der Bauernhäuser, be sonders der Vierkanter, In den letzten Jahrzehnten verschwanden sie nur zu oft im Zuge der Umbauten, die eine neue Zeit auch auf dem Land gefordert hat. Vielfach sind weiße oder gelbe Fronten und Flächen geradezu Mode geworden. Auch die ehemals klei nen Fenster, die als Wärmeregler dienten - im Som mer hielten die Innenräume kühl, im Winter ließen sie die Kälte weniger herein — sind den Kippfenstern gewichen, wie sie die Stadthäuser haben. Zusammen mit zentralen Heizanlagen bilden solche größeren Fenster wieder wie die früheren kleinen eine neue „Klimaanlage". Immerhin gibt es in unseren Tagen noch immer Bilder über den Haustüren, besonders der großen Bauernhöfe, Vorbild ist dabei oft die Darstellung am Giebelaufbau der Prälatenhofseite der Benedikti nerabtei Kremsmünster, das von Friedrich Thie mann erneuerte Bild von der Vision des heiligen Be nedikt. Schon längere Zeit war das auf Holz gemalte Bild durch Regen und Schnee verrottet und mußte neu, diesmal auf widerstandsfähigerem Material, ge malt werden. Und da sind wir wieder bei den Sgraffiti. Es ist keine Frage, daß Friedrich Thiemann in den letzten Jahrzehnten wesentlich dazu beigetragen hat, über weite Strecken und Regionen des ober österreichischen Landes (wie auch des angrenzen den Niederösterreich) Häuser mit seinen Sgraffiti zu schmücken, darunter auch viele Bauerngehöfte, und dadurch die Technik dieser Wandmalerei auf künst lerische Höhe zu erheben. Sein kreativer Ernst, der seinen Ölbildern, Aquarellen, Holzschnitten wie sei ner Grafik innewohnt, belebt auch seine Sgraffiti und erhebt sie zu ausgesprochenen Kunstwerken in Form und Farbe, ohne daß dem einzelnen Haus der Stil des Künstlers, den man bei nur einiger Kenntnis der Materie sofort erkennt, aufgezwungen worden wäre. Im Gegenteil, er fügt sich stets dem Hausgan zen ein. So sind mit den Jahren auf den Wänden von Bauernhäusern, aber auch im geschlossenen Ort, in Dörfern und Märkten, solche Kratzputzschnitte ent standen, die, etwa wie die Blumenkörbe an den Fen stern, die man schon allerorts vorfindet, jedem sol chen Haus und damit seiner Umgebung eine be stimmte Aura verleihen. Es ist ja nicht so, daß diese Sgraffiti vom Künstler willkürlich gewählt werden. ' Vgl. dazu: Georg Wacha: Steyrer Miszellen. In: OÖ. Heimat blätter. 35. Jg. 1981. Heft 3/4. S. 245 ff.
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