den Tag gelegten Machtstrebens bildeten außer der durch das „Privilegium minus" (1156) erfolgten Rangerhöhung der Markgrafschaft Österreich zu ei nem Herzogtum (wobei als Westgrenze der Hasel graben ein letztes Mal genannt wird), die durch die sogenannten Georgenberger Handfeste vorbereitete Einverleibung der Steiermark und, 200 Jahre später, der Vorstoß über die Traun in das bis dahin nahezu reichsunmittelbare Dominium der Schaunburger, das fast den gesamten Raum der oberösterreichi schen Zentrallandschaft erfüllte. Dadurch wurde um 1350 die Westgrenze der habsburgischen Einfluß sphäre bis an den Hausruck herangetragen, der aller dings erst 1779 durch die Erwerbung des bis dahin bairischen Innviertels überschritten wurde. Seit da mals bildet der Inn die westliche Landes- und Staats grenze. Wie genau aber auch der räumliche Niederschlag der großen Abschnitte der oberösterreichischen Landesgeschichte mit der Gliederung der in den Karten 2 und 3 angeführten volkskundlichen Ver breitungsgebiete übereinstimmt, so sind in ihnen doch kaum die einzigen Veranlassungen für die Aus bildung der letzteren zu sehen. Denn schon die Be obachtung der Qualität der in den einzelnen Ver breitungsgebieten festgestellten Verhältnisse macht das Bestehen weiterer ausformender Kräfte wahr scheinlich. Überprüft man nämlich die von uns bis her vorgelegten Fakten, so ergibt sich, daß sich in ih nen zunächst ausschließlich Formunterschiede aus sprechen, indem der Westen vielfach andere Formen in den Arbeitsmethoden, Geräten, Bräuchen, in der Lautbildung und in der gesellschaftlichen Struktur kennt als der Osten. In einer anderen Gruppe von Volksüberlieferungen aber, auf die unten noch nä her einzugehen sein wird, bestehen statt dieser Formunterschiede solche der Intensität, indem die Häufigkeit derselben Bräuche, Einzelheiten der Volksnahrung usw. gegen Osten zu beständig ab nimmt, d. h. daß sie der Bevölkerung der Gebiete im mittleren und östlichen Oberösterreich weniger ge mäß erscheinen, als dies bei den Bewohnern im We sten der Fall ist. Damit aber wird ein Faktum offen bar, das allem Anschein nach viel weniger mit der politischen als mit der Volkstumsgeschichte des Lan des zusammenzuhängen scheint. Es ist allgemein bekannt, daß der Einbruch der Awaren im östlichen Osterreich auch das Einsickern beträchtlicher Massen slawischer Volkszugehörig keit ausgelöst hat, die die von den bairischen Sied lern weitgehend geräumten Gebiete allem Anschein nach kampflos besetzten. Ihren Spuren begegnet man im östlichen Oberösterreich (insbesondere in den südlichen Teilen der Bezirke Kirchdorf und Steyr) allenthalben in entsprechenden Ortsnamen (von „Agonitz" bis „Windisch-Garsten") ebenso wie in den frühen Urkunden des 777 mit dem Auftrag der Missionierung und Kolonisierung gegründeten Klosters Kremsmünster. Die organisatorische Zu sammenfassung dieser Neusiedler erfolgte in dem von der Landesforschung viel diskutierten „Ulsburggau"36 mit seinem Mittelpunkt im heutigen Kirch dorf a. d. Krems, der schon durch die Volkszugehö rigkeit seiner Bewohner in engem Kontakt'mit dem bis in den Osten Oberösterreichs heraufgreifenden karantanischen Herzogtum stand. Nachwirkungen dieses ehemals slawischen, heute vollkommen ein gedeutschten Bevölkerungselementes spiegeln sich noch in Einzelheiten des Volksbrauchtums wie dem Vorkommen der für den kärntnerisch-steirischen Raum typischen weihnachtlichen „Schlüsselbrote"^^ oder der eigenartigen symbolischen Fesselung der Verstorbenen während ihrer Aufbahrung im Faradebett in den südlichen Teilen der Bezirke Kirchdorf und Steyr. In dieser einstigen Volkszugehörigkeit ei nes großen Teiles der Bewohnerschaft im östlichen Oberösterreich aber scheinen auch die Wurzeln für ein Detail im Gefüge des traditionellen bäuerlichen Erbrechtes zu liegen, das in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben zu werden verdient: Wäh rend nämlich im gesamten westlichen Oberöster reich mit Häufigkeitszentrum im Innviertel und mit deutlicher Intensitätsabnahme östlich des Hausrucks die Altbauern energisch darauf bedacht sind, in den Übergabeverträgen notariell festlegen zu lassen, daß die Hofübernehmer verpflichtet sind, ihnen im Be reich des „Auszuges" (Altenteiles) eine selbständige Wohnung in Form eines Hauses oder einer isolierten Wohnung in einem eigenen Hoftrakt mit eigener Küche zur Verfügung zu stellen und ihnen die Wei terführung eines selbständigen Haushaltes durch Beistellung eines prozentuell festgelegten Fixums von allen Erträgnissen der Wirtschaft, sowie einiger Rinder, Obstbäume und eines kleinen Ackerlandes garantiert wird, wünschen die Hofübergeber im östS.hiezu Pfeffer, a.a.O. Karte 7 — 10. K.Hoher, Der Uisburggau und die Aipenrandzone. In: Mio. d. OÖ. Landesarchivs VII (1960) 150 ff. Zur weiteren Diskussion um die Bedeutung des karantanischen Einflusses im so.Oberösterreich s.auch die Er gebnisse der archäologischen Forschungen auf dem Georgen berg bei Micheidorf, wonach „das Fundgut in den Rahmen ei ner karantanischen Schicht einzureihen" zu sein scheint. In: K. Hoher, Baiern und Slawen in Oberösterreich. Probleme der Landnahme und Besiedlung. Schriftenreihe des oö. Musealvereines. Bd. 10. Linz 1980. 1.7. Zur Verbreitung der „Schlüs.selbrote"' s. Karte „Figürliches Ge bäck im Jahres- und Lebensbrauchtum. Österreichischer Volkskundeatlas, hrsg. v. E. Burgsluher u. A. Helbok. I. Lfg.. Linz 1958; über die Gebäckform selbst unterrichtet Verf., Kärntner Ouatember-. Schlüssel- und Dreimessenbrotc. In: Carinthia. Jg. 141. Klagenfurt 1951. 171 ff.
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