welche mit schalem Witze, vorzüglich einen alten mitreisenden Mann, bis zum Eckel fort neckten. Mir waren ihre Gespräche lästiger, als dem Juden die S. 80 christlichen Grüße, die er nach seinen Ansichten, nicht erwiedern darf. Jedoch tröstete ich mich mit der Vergänglichkeit aller Dinge - also auch mit einer baldigen Erlösung durch die Ankunft in Wien. Von Kälte und Unwillen ermüdet, versank ich bald in ei nen angenehmen Schlaf, worauf ein unangenehmens Erwachen folgte. Es hatte sich nämlich die Nacht über, ein Sturm erhoben, welcher am Morgen mit doppelter Kraft durch die Zuglöcher der Scheune in unsere Schlafstätte eindrang und den Mißmüthigen alle Hoffnung einer baldigen Abfahrt benahm. Am unangenehmsten war mir's: so nahe am Ziele, noch Wind feiern zu müßen; u so vielleicht zwei oder drey Tage von der kurz zugemessenen Zeit unthätig zu verlieren. Nach dem Frühstück gingen wir alle zum Floße in der Hoffnung, daß sich vielleicht bis Mittag der Wind etwas legen u das Fahren möglich machen dürfte; und ich empfand nicht wenig Freude, als uns Fr V Stetter, welche auf dem Floß geschlafen, mit heitrer Miene, einen guten Morgen bot — denn ihre Lage, war die beschwerlichste. Unter beständigem Hoffen verging der Tag, ohne daß sich der Sturm im mindesten gelegt hatte — und wir sahen uns genöthigt am Abend Dienstags des 2ten 8bers wieder nach dem Dorfe Neuäugen, mit Zurücklaßung der Fr v Stetter, durch Schlarh u Dornen zu gehen, um in der Scheune auch nur einigermaßen gegen Wind und Kälte geschützt zu sefn. Ich konnte nicht zugeben, daß die Knaben noch einmal unter den ungezogenen Handwerksbur schen schliefen, drang daher in den felsigen Wirthen: ein Stroh für sie ins Gastzimer tragen zu laßen — was er denn großmüthig auch gewährte. Mittwoch am 3ten Sber wüthete der Sturm mit gleicher Heftigkeit fort, und weckte in mir den Ent schluß; das Floß und die Au samt meinen Zöglingen zu verlaßen. Wir sezten daher nach genothenem Ab schiede, in einem Kahn nach Tuln über, und gingen durch eine anmuthige Gegend nach Hause. Kurzkommentar Es ginge weit über den Rahmen dieser Publika tion hinaus, wollte man eine analytische Durchleuch tung dieses Reisetagebuches geben, die Anspruch auf umfassende Wissenschaftlichkeit erhebt. So mögen nur einige Hinweise, gegliedert in vier Kapitel, die Kongruenz und Divergenz zum damals herrschen den Zeitgeist aufzeigen und zu weiteren Gedanken in dieser Richtung anregen. 1. Romantisches Erbe 2, 3: Die dunklen Mächte des Unter- und Unbewuß ten - Traum, Ahnung, Sehnsucht und das Geheim nisvolle der Dämmerung — werden der Realität vor gezogen „. . . angenehme Dämerung, und süße Träume der Vergangenheit und Zukunft beseeligten mich. . .man fühlt sich seeliger bei diesem Traumge bilde, als in der Wirklichkeit — darum ist die Däme rung, als Mutter solcher Träume, so Vielen er wünscht . . ." 17, 18: Gedanken werden in Gedichtform in den Text eingefügt; dadurch wird dem lyrischen Element ein besonderer Stellenwert gegeben. Man vergleiche Eichendorffs romantische, 1826 in Danzig entstan dene Meisternovelle „Aus dem Leben eines Tauge nichts" mit ihren vielen eingestreuten Gedichten! 24,25,26: Im Zusammenhang mit dem oben Gesag ten sei auch auf die rätselhaft-geheimnisvolle in ex tenso zitierte Grabinschrift an der Außenmauer der Gmundner Stadtpfarrkirche verwiesen (S. 26). Da die Romantik als wahre Kunst die Musik erkoren hatte, dürfen auch hier „berauschte Musikanten" (S. 2) wie auch der Gesang (Ludwig Hölty: „Freut euch des Lebens"; „Es kann ja nicht immer so blei ben", S. 24) nicht fehlen. Die weite Öffnung des Menschen gegenüber den inneren Stimmen der Natur drückt sich im vom „Mond beleuchteten See" und im lieblichen Tönen des Geplätschers „der klei nen sich am Ufer brechenden Wellen" aus (S. 25). Als Wortgemälde wird uns der Blick vom Gmundner Kalvarienberg präsentiert; die Einheit von Natur und Mensch deutet der Anonymus an, wenn er uns auffordert, „in ihren Thun die rohe Kraft mit der Milde zu einen" (S.26; vgl.auch S.43!). 39, 40: Hier werden in nahezu prophetischer Schau Töne angeschlagen, die sich trotz ihrer Aktualität in den Gesetzen und Handlungen der Menschen unse rer Tage noch immer nicht entsprechend artikulieren konnten . . . „Nur was mit anspruchsloser Einfach heit die Natur in ihrem Gange unterstüzt u fördert, kann gedeihen; Alles andere was sie in ihrem Wirken hemmt, wird sie mit zermalmender Gewalt aus dem Wege schleudern" . . . Welch ein Gegensatz zwi-
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