OÖ. Heimatblätter 1982, 36. Jahrgang, Heft 1/2

„übler Prahlsucht" entgehen wollte. Das heißt doch im Klartext, daß er eigentlich mit seiner Abstam mung hätte „angeben" können. Wenn Severin kein Unbekannter war, als den ihn Eugippius ausgeben möchte, wer war er dann? Ob der Heilige, wie F. Lotter zur Diskussion gestellt hat, einmal römischer Konsul war, sei dahingestellt; sei ner Schlußfolgerung, daß die Bezeichnung des Seve rin als „vir inlustrissimus" durch Ennodius (in dessen Vita des Antonius von Lerins)^ auf einen (ehemali gen) Inhaber eines hohen Reichs- und Hofamtes hinweist, weil dieser Terminus seit der Mitte des S.Jahrhunderts nur mehr als offizieller Rangtitel im genannten Sinne Verwendung fand, ist jedoch mei nes Wissens nicht ernsthaft bezweifelt worden. In die gleiche Richtung weist m. E. die enge Be ziehung Severins zum weströmischen Kaiserhaus, die nunmehr ebenfalls stärkere Beachtung gefunden hat.® Hierzu seien einige Bemerkungen gestattet. Mehrere Spuren, die letztlich alle über Orestes gehen, führen zu Romulus Augustus, den letzten weströmischen Kaiser. Orestes, einst Sekretär des Hunnenkönigs Attila und seit 475 oberster Heer meister im weströmischen Reich, wurde von Odoaker, als dieser nach dem Throne strebte, erschlagen. Romulus Augustulus wurde abgesetzt und nach Lucullanum bei Neapel verbannt. Über diesen Ruhesitz des letzten weströmischen Kaisers kann aber später eine Witwe Barbaria verfügen, die nach dem Tode Severins dessen Reliquien dorthin erbittet, in einem Mausoleum beisetzen läßt und den Severin-Mön chen Heimstatt gewährt. Von dieser Barbaria erfah ren wir außerdem aus der „Vita", daß sie und ihr ver storbener Mann Severin nicht nur wegen seines Ru fes „bestens" gekannt, sondern mit ihm auch briefli chen Kontakt gehabt hatten. Am einfachsten schließt sich der Kreis, wenn man annimmt, daß Barbaria die Frau des Orestes und die Mutter des Romulus Augu stulus war. Aber selbst wer diesen Schluß für zu ge wagt findet, kommt nicht über die Beziehungen Se verins zu Orestes und damit zum Kaiserhaus hinweg. Der schon genannte Primenius, der angesehene und wohlgeborene väterliche Freund des Orestes, suchte nach der Ermordung des Orestes bei Severin (!) Zu flucht. Und ein Ambrosius, den Odoaker in die Ver bannung geschickt hatte, offenbar weil er ebenfalls zu den Kreisen des Rivalen Orestes zählte, wurde von Severin freigebeten.® Severin und Orestes stan den also in einem Nahverhältnis zueinander, auch wenn Severin, wie es seine Art war, Odoaker offen und wohlwollend begegnete. Zusammenfassend darf festgestellt werden, daß der Heilige mit dem weströmischen Kaiserhaus al- ' Magnus Felix Ennodius, Opera, hg. v. F. Vogel. MG AA VII, 1895. Daß Ennodius „unseren" Severin meint, ergibt die Be zeichnung „beatus vir" und die Beziehung zum Lorcher Bischof Constantius. ® Vgl. meinen Anm. 6 genannten Aufsatz. ® Vita Severini Kap. 32, 1. t'k \ J Odoaker besucht Severin in seiner Zelle in Favianis. Stich von A.Simon nach einem Gemälde von L. Kiipelwie.ser (1847). Foto: Gangl. D.O. Landesmuseum

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