Die Transmigration evangelischer Bauern aus dem Raum Pfarrkirchen-Bad Hall nach Siebenbürgen während der Herrschaft Maria Theresias Von Hans HüIber 1. Einleitende Bemerkungen Im Verlaufe einer Reise durch Siebenbürgen kam ich zufällig und ahnungslos in das kleine Landstädt chen Mühlbach (Sebesch). Die noch deutlich er kennbare deutsche Anlage des Ortes und die interes sante romanisch-gotische Wehrkirche veranlaßten mich, länger als vorgesehen zu verweilen. Im Presbyterium der Kirche entdeckte ich da eine Tafel zum Gedenken der im Ersten Weltkrieg Gefallenen. Un ter den durchwegs deutschen Namen fielen mir zwei „Landler" auf; Viktor und Wilhelm Lederhilger. Da mir viele Namensträger dieses auffälligen Namens in der Gegend um Bad Hall von meinen oftmaligen Aufenthalten daselbst bekannt sind — auch auf allen Friedhöfen von Schiedlberg und Kematen bis Nuß bach und Waldneukirchen erinnern Gedenktafeln an gefallene Lederhilger - wollte ich in Erfahrung bringen, wieso und unter welchen Umständen Ober österreicher in diese von Mitteleuropa weitab gele gene Gegend kamen. Zurückgekehrt in die Heimat, begann ich dies zu er kunden und fand außer den Lederhilgern — auf die ich später noch genauer eingehen werde - noch viel mehr Namen anderer, zwangsweise ausgesiedelter Landler. Deportation aus Glaubensgründen! Ich stürzte mich in ein zeitaufwendiges, aber interessan tes und spannendes Abenteuer: da gab es nämlich ein Stück Heimatgeschichte, das völlig vergessen worden war. Diese dramatischen Ereignisse sind aus den Ortsgeschichten ausgeklammert und auch die Nachfahren, die Bauernfamilien auf den Vierkan tern, wissen nichts. Es hat sich auch mündlich nichts überliefert. Jedenfalls nicht in dieser Gegend um das Stift Kremsmünster. Nach intensiven Studien in Bibiotheken, Archiven und Pfarren und nach vielen Besuchen auf Vierkant höfen, entstand dieses Elaborat über die „Transmi granten", wie sie in der theresianischen Kanzleispra che genannt werden. Vorauszuschicken wäre noch die Feststellung: Wenn man die Vorgänge während des Transmigrationsver fahrens objektiv zu beurteilen versucht, so muß man den handelnden Personen beider Seiten zubilligen, daß sie überzeugt waren, ein gottgefälliges Werk zu tun. Im Religiösen waren alle, sogar die bedrückten Bauern gegenüber ihrem Dienstpersonal, intolerant. Von der zwangsweisen Umsiedlung waren die Bauernfamilien, Knechte und Mägde, die große Masse der Unterprivilegierten, betroffen. Sie muß ten nach Siebenbürgen. Und von jenen Menschen, die aus dem Raum Pfarrkirchen und Bad Hall dort hin verschlagen wurden, handelt diese Studie. Über die Aussiedler aus dem Salzkammergut hat schon zur Jahrhundertwende Ferdinand Krackowizer aus führlich geschrieben. Die vorliegende Arbeit drohte infolge der Fülle des zu sichtenden Materials aus allen Fugen zu geraten. Handschriften und Akten, das sogenannte Primärmaterial, das noch nie einge sehen worden ist, sind die Grundlage. Vorhandene Literatur wurde ergänzend herangezogen. So lag die Schwierigkeit nicht in der Suche nach Quellen, son dern im Mühen um Prägnanz in der Darstellung. 2. Die evangelischen Bauern in und um Pfarrkirchen - Bad Hall Der hier beobachtete Lebensraum ist zu jener Zeit rein landwirtschaftlich orientiert gewesen. Im Wesentlichen handelt es sich um die Herrschafts sitze Feyregg, Mühlgrub und Hall, sowie die ent lang des Kremsflusses gelegenen Weyer (Kematen), Biberbach und das weiter entfernt liegende, aber für die evangelische Glaubensbewegung wichtige, Gschwendt bei Neuhofen. Es ist fast nicht zu glau ben, daß hier über die zwanzig Jahre-etwa von 1750 bis 1770 — einer dramatischen Heimatgeschichte, nichts in Erinnerung blieb. Wenn aber auch über die se rund 200 Jahre zurückliegenden Ereignisse längst Gras gewachsen und alles vergessen, wahrscheinlich vergessen gemacht worden ist, sollte man sie als hi storische Fakten nicht verschweigen. Die Bauern auf den Vierkantern, oft Nachfahren der von der Trans migration betroffenen Familien, die durch Jahrhun derte als evangelische Bauern in der Einschiebt leb ten, wissen nicht das Geringste von den Gewissens nöten der Vorväter. Die heutigen Oberhuber, Zau ner, Wiglhuber, Kollmannshuber, Auhuber, Rührmair und wie die Höfe und Menschen sonst noch hei ßen, Namen, die weit in die Vergangenheit weisen, sind unberührt von diesen sozial bedingten, religiö sen Reformen, die in der Mitte des 18. Jh. ein letztes Mal einen dramatischen Höhepunkt in dergegenreformatorischen Bewegung erreichten, bis es 1781 durch das Toleranzpatent Josef II. zu einem religiö sen und schließlich, durch die Bauernbefreiung 1848, zu einem sozialen Ausgleich kam. In der Mitte des 18. Jh. waren Möderndorf-Weißenbach, südlich der
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