Joseph Valentin Paur (1761 - 1835) Ein vergessener Schriftsteller der österreichischen Spätaufklärung Von Manfred Brandl* Wenn man versucht, ein oberösterreichisches Priesterprofi! aus der Zeit der Spätaufklärung zu finden, das eher gut faßbar ist, so stößt man auf Joseph Va lentin Paur, der 33 Jahre lang Pfarrer von Goisern und dann in Pichl bei Wels war und von dem wir so gar zwei Selbstbiographien besitzen, die einen ange nehm ausgeglichenen, und, bei aller Liebe zur Ein samkeit, offen alles Schöne liebenden Mann erken nen lassen. Als Schriftsteller ist er in die vorderste Reihe homiletischer (Predigt-)Schriftsteller der deutschen katholischen Spätaufklärung einzuord nen. Seine gewandte Handhabung der Sprache und seine unbefangene Offenheit für die geistigen Er scheinungen seiner Zeit rechtfertigen dies. Ultra kirchliche Verketzerung hat er, was seine Schriften betrifft, soweit ersichtlich nicht erfahren, da er doch bei aller Vorliebe für protestantische Literatur fest auf dem Boden des katholischen Dogmas und (josephinisch geprägter) Kirchlichkeit stand. Überdies belegt Paur in einer weiteren, heute praktisch ver gessenen Gestalt, wie unser Heimatland bedeutende Gestalten der Spätaufklärung beherbergte. (Nicht einmal der Pfarrer von Goisern vermochte aufgrund seiner im Pfarrhaus liegenden Aufzeichnungen ir gendetwas Näheres über Paur in Erfahrung brin gen).! Paur wurde am 2. Februar 1761 in Altmünster im Salzkammergut geboren.2 Sein Vater. Joseph Kas par Paur, ein Schulmeisterssohn von Altmünster, hatte in seiner Jugend als Sängerknabe in Mondsee und dann als Musiker in St. Peter in Salzburg stu diert, war anschließend Kanzlist in Ort am Traunsee geworden und dann seinem Vater im Schuldienst nachgefolgt, worauf er sich mit Constantia Stanger aus einer Handelsfamilie in Gmunden vermählte. Der Vater verkörperte dem kleinen Joseph Valentin in seiner späteren Reflexion Strenge, die Mutter Mil de. Unter mehreren Geschwistern blieb er allein am Leben. Die Mutter hatte er lieber als den Vater, doch war in seiner späteren Erinnerung die Situation in der Familie insgesamt eine recht glückliche. Das er ste Buch, das er zur Hand bekam, war eine sehr weit läufig ausgesponnene Geschichte des ägyptischen Joseph mit Lehr- und Nutzanwendungen: er liebte es sehr. Der Vater gab ihm wenig geliebten Gesangsun terricht. Für Musik scheint er keine größere Bega bung gehabt zu haben und er erlernte auch kein In strument. (Dennoch lag ihm später sehr viel an le bendigem Kirchengesang anstatt Rosenkranzbetens während des Gottesdienstes.) Joseph Valentin durf te nur wenig mit anderen Kindern beisammen sein, was seinen angeborenen Hang zur Schüchternheit und Einsamkeit weiter verstärkte. Mit der Zeit über gaben die Eltern den Knaben für ersten vorbereiten den Unterricht dem Altmünsterer Kooperator Jo seph Haiden^. Ein äußerst freundlicher und gutmüthiger Präceptor, der einmal, als ich meine Aufgaben besonders schlecht gelöst haben mußte, auf den Ge danken verfiel, daß ich gerade so viele Aepfel, als ich Fehler gemacht, in ein großes Tuch zusammen gebun den nach Hause tragen mußte . . A Da sein Vater eine Vorliebe für Salzburg hegte und über Entgegenkommen des aus Ischl gebürtigen Prä laten von St. Peter, Beda Seeauer^, kam Joseph Va lentin 1772 als Sängerknabe nach St. Peter. Der Re gens Chori, ein Freund des Vaters, nahm ihn zu sich in die Wohnung. In St. Peter besuchte er die Schule. Ein Vetter war Hornist bei der hochfürstlichen Ka pelle. Im ersten Jahr ging es ihm recht gut; im zwei ten Jahr war ein anderer Lehrer bedeutend strenger, so daß es ihn später an Johann Ferdinand Schletz's Gregorius Schlaghart^ (1793) erinnerte, mit wel chem Buche Schietz eine unangebrachte Erziehung mittels der Prügelstrafe brandmarken wollte. Da aber 1772 eine allerhöchste Verordnung in Öster reich herauskam, wonach alle im Ausland studieren den Jünglinge nach Österreich zurückkehren muß ten, wenn sie sich dort eine Anstellung erhofften, mußte er Salzburg verlassen. Der Vater, inzwischen Lehrer in Ischl, sandte den Knaben 1774 nach Linz ins dortige ehemalige Jesui- * Meinem lieben Kollegen OStR. Prof. Dipl.-Ing. Otto-Ernst Stadlmann herzlich zugeeignet. ' Freundl. briefl. Mitteilung Pfarramt Goisern v. 22. August 1980. ^ Manfred Brandl, Die deutschen katholischen Theologen der Neuzeit. Ein Repertorium. Bd. 2: Aufklärung, Salzburg 1978, S. 181 (Literatur). ^ Es handelt sich wohl um Joseph Haider, f 1789, vgl. Wolfgang Dannerbauer, Hundertjähriger General-Schematismus. . ., II. Bd., Linz 1889, S. 9. '• Joseph Valentin Paur, Skizze einer Selbst-Biographie. Mit ei ner Beylage in Briefen und einem Anhange von verschiedenen Reise-Reminiscenzen, Linz 18.14, I.Teil, S. 6. ® B. Seeauer, 1716 - 1785, Brandl (wie Anm. 2). S. 229. ® J. F. F. Schlez, Prot., 1759 — 1839, Allgemeine deutsche Bio graphie (= ADB), 31. Bd., S. 481 - 483.
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