OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 3/4

Man fragt sich unwillkürlich, wie diese Menschen unter so schwierigen Bedingungen, nach wochenund monatelanger Anhaltung im Konversionshaus und der dauernden Trennung von ihren Verwand ten, vertrieben von Haus und Hof, die Kraft hatten, einem Ungewissen Schicksal frohgemut entgegenzu gehen. Sie versuchten wohl, durch falsches Bekennt nis die Deportation zu verhindern oder zu verzögern, folgten aber trotz allem letzten Endes wirklich froh gemut dem „Ruf des Herrn". Eine Erklärung für ihr Verhalten finden wir in Brie fen, die ihren fanatischen Glauben erkennen lassen. Ich zitiere aus einem dieser mehrseitigen Briefe drei Stellen, die uns Einblick in das Fühlen und Denken dieser Menschen geben: Geliebte Freunde, um nichts beten wir inbrünstiger zu Gott, als daß euch die Gnade Gottes dermaßen durchgreift, daß ihr mit einem brennenden Hunger nach dem reinen Worte Gottes erfüllt wer den . . . Ach. so seit dannach. wenn ihr um Jesu Worte willen Ver folgung leiden müsset, fröhlich und getrost, denn es wird euch im Himmel wohl belohnet werden; duldet mit Jesu, so werdet ihr auch dermalen mit ihm herrschen, leidet mit Jesu, so werdet ihr auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden; läßt Gott den Befehl an euch auch ergehen, den er an Abraham ergehen ließ, und ruft euch zu ..gehet aus aus eurem Vaterlaitde. und von eurer Freundschaft ( Verwandtschaft), und aus eures Vaters Haus in ein Land, das ich etich zeigen will", ach. so gehorchet doch auch ihr der Stimme des Herrn mit willigem Herzen, wie Abraham. Konnte Gott einen Ab raham in der Fremde zu einem Gesegneten des Herrn machen, so kann er auch euch mit leiblichen und geistlichen Segen im fremden Land überschütten, den seine Hand ist auch da nicht zu kurz . ■ ■ Ach. Gott, so mache denn unsere Glaubensbrüder stark in Dir und in der Macht Deiner Stärke. Sind sie schwach, .so bleiben die in ihrer Schwacheit mächtig, auf daß sie ihr eigenes Fleisch und Blut, die Welt und den Teufel mit aller seiner aufgebotenen Macht zu Schan den zu machen, obsiegen und das Kleinod des ewigen Lebens erringen. Geschrieben bei Herrmannstadt. 1755. den 19. März. Abgesehen von dem ungelenken, barocken Stil, ent hüllt sich uns die schlichte Einfalt dieser Menschen. Ein Einfluß fanatischer Prädikanten ist ebenso spür bar, wie in anderen Schriftstücken der als Religions kommissäre wirkenden Mönche. Die seelische und die materielle Not dieser unmenschlich behandelten Bauern ist erkennbar. Das „reine Wort Gottes" soll te sie über die Qualen des Alltags, über Hunger und Seuchen, über Verfolgung und Tod hinwegtrösten. Ich verweise hier nochmals auf die Archivforschun gen Georg Grülls, der in vielen Primärdokumenten die Not der Bauern zeigt. Es sei auch festgehalten, daß die protestantischen Stände, der evangelische Landadel und die wohlhabenden Bürger nicht im mer Verständnis für ihre Glaubensbrüder auf dem Dorfe hatten und gelegentlich gemeinsame Sache mit den katholischen Grundbesitzern machten. In der Verteidigung des Besitzes fanden sie sich gegen über den fordernden Bauern. 7. Die frühen Eintragungen in den Kirchenbüchern der evangelischen Pfarre Neukemafen Im Untergrund gab es, wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, immer schon eine evangelische Gemein de. Ursprünglich gehörten zur legalen Neukematener Pfarre 52 Höfe (151 Familien) mit etwa 400 See len. Angeschlossen waren Thanstetten, Hilbern, Ke maten, Neuhofen, Sierning, Waldneukirchen, Hall, Pfarrkirchen. Rohr, Hohenberg, Pellndorf, Piberbach, Sippbach, Lindach und Steyr. In den ältesten Kirchenbüchern scheinen Personen auf, die offensichtlich von Denunziation und Ver treibung verschont geblieben waren. Im Jahre 1783 war um die Bewilligung zur Errichtung des Bethau ses angesucht worden. Am 21. Juni 1783 lag die Be willigung vor. Die ersten aktiven Eörderer waren Martin Zachhiiber vom Schützenmayrgut, Thomas Zachhuber vom Großzachhubergut, Josef Greitlhitber vom Höchtelgut und Johann Wiesmayer vom Bachmayerschen Gut. Alles Bauern aus der Umge bung der heutigen Kirche auf dem Plateau über dem Kremstluß. Einschichtbauernhöfe, in denen sich das Glaubenserbe über Generationen erhalten hatte. Thomas Zachhuber senior (Nr. 39) war ein leidender Bekenner. Sein Sohn war der erste Vorsteher der Kirchengemeinde Neukematen. Den ersten Schullehrer, Magister Daniel Wilhelm Sick, aus Nürtingen in Württemberg, hatte man be reits am 12. Mai 1783 in Linz angeworben. Vor Ein treffen des ersten Pfarrers, Christian Tobias Hahn. gleichfalls ein Württemberger, wurde mit Genehmi gung der Superintendenz der erste öffentliche und legale Gottesdienst im Bachmayerschen Gut abge halten. Pfarrer Hahn kam am 25.11.1783 nach Neu kematen. Am 18. Mai 1784 erfolgte die erste Trau ung. Pfarrer Hahn heiratete eine Pastorentochter aus Württemberg. Der erste Gottesdienst, den Pfar rer Hahn zelebrierte, wurde am 27. November 1783 gefeiert. Personennamen, die aus der Aussiedelungsbcwcgung geläufig sind, finden sich in den Büchern: Ackerl, Eckmayr, Dornauer, Hainbucher, Klingel müller, Lederhilger, Stegermeier, Wimmer, Zach huber und Zwicklhuber. Einige Eintragungen im ältesten Sterbebuch stellen eine Verbindung zum katholischen Teil der Lederhilgersippe her. Über die Entstehung und Entwicklung der evangeli schen Gemeinde rund um Neukematen, hat Schul lehrer Josef Ecker im Jahre 1860 eine „Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Neukematen und ihre Gründung im Jahre 1783 bis zu Ende des Jahres 1859" geschrieben. Die Handschrift wird im Pfarramt verwahrt. Ausführlicher wird die Pfarre in Anton Roileders „Heimatkunde von Steyr" behan-

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