OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 3/4

Alibihandlung der säumigen, nachgeordneten Be hördendienststellen. Das seinerzeit gegebene Verptlegsgeld für vier bis sechs Monate (solange sollte die Reise dauern), ein Vorschuß auf den Verkaufser lös, betrug für den Tag etwa 6 Kreuzer und nach vie len Berichten hat das oft nicht gereicht, so daß es kein Wunder war, wenn die Not schon sehr bald be gann und ein Leben lang währte. Im Zeitraum von 1752 bis 1758 sind rund 700 Todesfälle registriert.^" Man kann annehmen, daß es nicht weniger waren als offiziell zugegeben wurde. Ganz besonders schlecht ging es jenen Protestanten, die dadurch straffällig geworden waren, daß sie nach abgelegter professio fidei (Treuebekenntnis zur ka tholischen Religion) den „wahren" Glauben wieder verlassen hatten. Sie wurden in Ketten zu mehrjähri ger Festungshaft verurteilt und in Grenzfestungen nach Ungarn abtransportiert, wo sie oft an Ruhr, Sumpffieber oder anderen Seuchen elend umge kommen sind. Selbst Frauen legte man in Ketten, wenn sie „halsstarrig" waren, d. h. nicht abschwören wollten. Ledige Bauernburschen wurden im Falle ih rer Tauglichkeit meist Militärrekruten.Zwischen Maria Theresia und den evangelischen Ständen gab es wegen der Transmigration nach Siebenbürgen harte briefliche Auseinandersetzungen.Aus der großen Zahl erhaltener Patente und Verordnungen des Religionsconsesses an alle geistlichen und weltli chen Flerrschaftsobrigkeiten des Traun- und des Hausruckviertels und an die Religionskommissare, läßt sich der beabsichtigte Vorgang der Transmigration ziemlich genau rekonstruieren. Anderseits geben die in den Archiven von Oberösterreich, Wien, Budapest und Bukarest erhalten gebliebenen Bestände an Prozeßakten, Transportlisten, Voll zugsberichten, Abrechnungen, Briefen u.a. ein sehr realistisches Bild von der Praxis der staatlichen gegenreformatorischen Maßnahmen zur Zeit der be ginnenden Aufklärung. Es bedarf keiner spekulati ven Ausschmückung, um die Vorgänge zu dramati sieren. Es war vieles einfach schrecklich. Erst wenn man den Einzelschicksalen nachspürt, begreift man die Härte und Unmenschlichkeit, die da passiert ist. Aus zwei Berichten (siehe Anhang Nr. 18, 19) ist zu entnehmen, daß die Lutheraner der Haller Gegend sehr oft auch an Konventikeln außerhalb ihres Wohnbereiches teilnahmen. Auf den Märkten wur den Informationen und Briefe weitergereicht. Die Kommunikation lebte im Untergrund. Gelegentli che Visitationen und die davon abgeleiteten Verhör niederschriften lassen dies erkennen. Nach der Ver lautbarung des Toleranzediktes zeigte sich, daß trotz Verschickung, Emigration und harter Verfolgung, in Oberösterreich nach mehr als 100 Jahren Unter grund noch 13,000 Bekenner gezählt werden konn ten, 6. Die Transmigration aus Pfarrkirchen — Bad Hall und dem Umland Vor dem bisher geschilderten Hintergrund ist die Ausweisung der evangelischen Bauern in diesem Raum zu sehen. Nach rund 200 Jahren religiöser Auseinandersetzung sind die Unbeugsamen ins Exil gegangen. Das Wort „Transmigration", ein Aus druck aus der vom Lateinischen stark beeinflußten Kanzleisprache, tauchte unter Karl VI. auf. Unter Maria Theresia wird er allgemein gebräuchlich. In Siebenbürgen spricht man gelegentlich von Exulan ten, was aber nicht zutreffend ist, weil kein Umsied ler freiwillig dorthin ging. Was praktiziert wurde, war zwangsweise Translozierung. Vielleicht klang das Wort „Deportation" nicht wohllautend genug. Wie aus allem schon Gesagten hervorgeht, be schränke ich mich auf die Transmigranten des enge ren Bereiches, Es darf angenommen werden, daß die hier genannte Zahl der Betroffenen ziemlich voll ständig ist. Ich glaube, daß das zeitgeschichtlich Re levante auch durch diese beschränkte Zahl genügend transparent gemacht wird. Im übrigen enthält die Li teratur über die Ereignisse im Pfarrkirchener Raum nur sehr wenig. Und die verschiedenen Heimatbü cher übergehen die Ereignisse. In der im Jahre 1958 abgeschlossenen Chronik der Pfarre Pfarrkirchen, die als Handschrift im Pfarramt ruht, im wesentli chen eine Arbeit von Pater Karl Hochhuber, dem ehemaligen Pfarrer des Ortes, ist nicht ein Wort zu diesen geschichtlichen Fakten enthalten, obwohl er ganz offensichtlich sehr eingehend recherchiert hat te. In der Broschüre „Die Kirche in Pfarrkirchen" hat Hochhuber etwas mehr zu sagen gewußt. Im üb rigen hat auch Georg Grüll in einschlägigen Arbei ten nur sehr wenig Bezüge herausgefunden, bzw. an geführt. Bericht des Transmigranten-Inspektors Petrus von Hannen stein vom 31. 12. 1776. Nach einer sorgfältigen Berechnung starben 700 von 2042 oö. Transmigranten, darunter 210 Kin der. Ein Allerhöch,stes Gesetz vom 18.8. 1752 (wiederholt verlautbart) besagt in seinem § 9: Wegen Irrglaubens aus dem Land Entwichene verlieren ihre Habschaft und das Vermögen durch Konfiskation. Ihr Bürgerrecht und der Erbschaftsanfall wird gleichfalls eingebüßt. Wer Personen anzeigt, die verbotene lu therische Bücher Pfarrkinder anbieten, erhält bei Zusicherung der Verschwiegenheit eine Belohnung von 6 Dukaten verspro chen. — Stiftsarchiv Kremsmünster. Religionssachen. Sch. XXI/3, Bericht vom 29.4. 1755: Die Steinparzerin Barbara, von der Stiermühle, Kematen. H. St. Florian, war fanatisch und wurde in ..Eisen und Band" gelegt. 2« Friedrich Reißenberger: JGGPÖ 17 (1896) 205. Rudolf Moser: Schicksale von Transmigranten etc. In: Jb. des Musealvereines Wels 1972. S. 141 - 157.

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