keine Nachahmung gefunden. Das Toleranzpatent aber beschränke sich auf die Freiheit der Religions ausübung, was wohl zu einer Beruhigung führte, je doch keine Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Fragen brachte. Erst das Jahr 1848 leitete eine hu manere gesellschaftliche Lebensform ein. Der Generation der Mitte des 18. Jh. war der lutheri sche Glaube noch erhalten geblieben, obwohl sie schon rund ein Jahrhundert lang von keinem Prädikanten mehr betreut wurden. Sie besuchten unter ih ren geistlichen Grundherrschaften notgedrungen den katholischen Gottesdienst und beachteten die kirchlichen Feste und Regeln. Sendbriefe aus dem protestantischen Deutschland gaben ihnen Verhal tensregeln und ermunterten sie, auszuharren. So zog sich der Rekatholisierungsprozeß über Generatio nen hin. Die religiöse Einstellung der untertänigen Bauern scheint auch den katholischen Verwaltern bekannt gewesen zu sein. Sie waren aber unmittelbar viel mehr am wirtschaftlichen Ertrag interessiert als an störenden religiösen Konflikten. Und so wurden die Anweisungen von oben oft nicht mit dem nötigen Nachdruck befolgt. Erst als strenge Aufträge der Kaiserin und der Kirchenfürsten ergingen, wurden die Gutsverwalter und die Pfarrer aktiv. Überra schende Visitationen auf den untertänigen Höfen und Sölden und auf den ländlichen Märkten, dann die anschließenden Verhöre und das Konversions haus Kremsmünster, in dem eine Umerziehung ver sucht wurde, taten ihre Wirkungen. Tadelnswert waren die, von übereifrigen Vollzie hern gewählten, oft unmenschlichen Methoden. Was nämlich gesellschaftspolitisch notwendig gewesen wäre, wirtschaftliche Reformen und Lockerung des feudalen Systems, wurde nicht in Erwägung gezo gen. Von Verwaltern und Hofrichtern der klösterli chen Güter wurde der zwar legitime aber meist inhu mane Feudalismus zumindest beibehalten. Durch Einsetzung von Mönchen als Missionare mit weitrei chenden Vollmachten, die von Hof zu Hof nach Konventikulanten und verbotener lutherischer Lite ratur forschten, kam denn auch vieles ans Licht und man erkannte, daß - trotz aller Strenge - die Zahl der Protestanten wuchs. Es bestanden erstaunlich weitreichende Verbindungen der Lutheraner unter einander. Aus dem erhaltenen Aktenmaterial ist zu ersehen, daß die mit evangelischer Literatur versorg ten Bauern selbst sehr wirkungsvoll in ihren Reihen agierten.® 4. Die kirchlichen Verhältnisse Die von den evangelischen Grundobrigkeiten gedul deten, oder vielleicht sogar in Szene gesetzten, Tu multe gegen die katholischen Pfarrer in Pfarrkirchen gegen Ende des 16. und am Beginn des 17. Jahrhun derts habe ich schon angedeutet. Pfarrkirchen hatte aber — wohl durch den Einfluß des nahegelegenen Stiftes Kremsmünster - immer katholische Priester. Kirche und Pfarrhof blieben hier den Prädikanten verschlossen. Daher fanden religiöse Veranstaltun gen der Protestanten in Mühlgrub oder in Gschwendt-Neuhofen statt. Auch Waldneukirchen, Sierning und Steyr wurden gegebenenfalls aufge sucht. Bemerkenswert ist, daß das Standardwerk des Stiftes „Kremsmünster 1200 Jahre Benediktiner stift" (1976) ausführt, 95 Prozent der Bevölkerung dieser Gegend seien Protestanten gewesen; im Jahre 1560 sei das Kloster fast entvölkert und die weltli chen Lehrer im Konvikt seien häufig Protestanten gewesen. Bevor ich auf die personale Lage der Seelsorge in Pfarrkirchen näher eingehe, einige Bemerkungen - die Quellenlage ist nicht günstig - über die nähere Umgebung. Bereits im Jahre 1521 gab es in Sipbachzell einen katholischen Priester, Konrad Herz, der sich als Lutheraner bekannte. Er war der Sohn des Verwalters des Klosterbesitzes Leombach. Später wurde er als Tischgenosse Luthers genannt. Für Waldneukirchen ist vor der Wende zum 17. Jahrhun dert der dort geborene Peter Dorffner als Diakon und später als Pfarrer der evangelischen Gemeinde belegt. Er hat die Lateinschule in Steyr und das Stu dium der Theologie in Iglau und Wittenberg vor 1582 abgeschlossen.^" Nach einem Revers vom I.Ju ni 1594 kaufte er von seinem Bruder, Bürger in Kirchdorf, für sich und seine Hausfrau eine Behau sung.^^ Von 1608 bis 1612 (f 21.3.1612) ist Dorffner als Hofprediger der Herrn von Kuefstein in Laach am Jauerling, in NÖ., genannt.^®In Waldneukirchen waren Kirche und Pfarrhaus von den Protestanten okkupiert worden; wohl infolge des Einflusses der näher gelegenen evangelisch dominierten Stadt Steyr. Das agrarische Gebiet abseits der Hauptver kehrsströme, etwa unter Einschluß von Pfarrkir chen, Nußbach, Kematen und Kirchberg, galt nicht als Kernland der Reformation. Aber in der Stille der bergbäuerlichen Einschichthöfe lebte der Protestan tismus. Hochhuber nennt die Schlösser Mühlgrub und Feyregg die Zentren der Lutheraner. Im Markt Sierning mit Sierninghofen und Neuzeug —Orte, die schon sehr früh gewerblich-industriell orientiert wa ren - machte sich der Einfluß Steyrs besonders be merkbar. Im Jahre 1588 gab es hier die stärkste De monstration wider die Gegenreformation. Man spricht vom „Sierninger Bund" zum Schütze der Prä- ® Verhör Pogenmayr vom 6.5.1755. Siehe: Anhang Hs 21. JGGPÖ 17 (1896), 158. Ordinationsnotiz. " JGGPÖ 45/46 (1925), 253. Betrifft Archiv Vorchdorf. Geschichtliche Beilagen (G.B.) zum St. Pöltener Diözesanblatt 3/346.
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