wird sofort - beruhigend - festgestellt, daß die in der Eingabe genrachten Einwendungen zum Teil auf Mißverständnissen beruhen, die durch eine gleichsam authentische Interpre tation des Regulativs durch das Ministerium selbst aufgeklärt werden sollen. Dies geschieht vor allem durch zwei Feststellungen, die dem Fö deralismus und dem Freiheitsprinzip entgegen kommen: Bei den gesamten geplanten Volksbildungsmaßnah men sollen in allererster Linie die deutsch-österreichi schen Länder bzw. Landbezirke berücksichtigt wer den, da ja dort das meiste noch zu tun ist. Und zur Beseitigung, besser zur Differenzierung des Haupteinwandes: Der im Regulativ gebrauchte Ausdruck Beaufsichti gung bedeutet keineswegs die Einschränkung der Handlungsfreiheit der freien Volksbildungsinstitutio nen, sondern er bezieht sich lediglich auf die vom Volksbildungsamt veranlaßten Volksbildungsangele genheiten, sowie auf die Organisierung als solche. Den Veranstaltungen der freien Volksbildungsinstitutio nen wird das Volksbildungsamt lediglich auf Wunsch beratend und helfend zur Seite stehen. Das Prinzip der ,,freien Volksbildung" wird also voll anerkannt, das Recht auf ,,Veranlassung" von Volksbildungsangelegenheiten bean sprucht, die dann auch der Beaufsichtigung un terliegen. Und noch einen Schritt weitergehend: die Beaufsichtigung erstreckt sich ,,auf die Orga nisierung als solche". Bedenkt man, daß sich die ministerielle Verordnung selbst als ,,Regulativ für die Organisierung des Volksbildungswesens" bezeichnet, dann erkennt man unschwer die ein gangs erwähnte Dialektik zwischen „freier Volksbildung" und der Anerkennung ihrer Frei heit durch den Staat; und dem staatlichen An spruch auf eine Gesamtordnung und ihre Beauf sichtigung in ihrer gleichsam zeitüberdauernden Struktur. Gärtner hat mit den von ihm formulier ten Einwendungen den Kern des Problems ge troffen - der Unterstaatssekretär für Unterricht, in dessen Auftrag das Volksbildungsamt antwor tete, hat die elementare Fragestellung sofort ver standen und aus seiner Sicht, am Anspruch fest haltend, ihn aber moderierend und differenzie rend, Stellung bezogen. Auch die Bedenken, die gegen die praktische Durchführung der Volksbildungsarbeit durch die Ortsbildungsräte erhoben wurden, werden be antwortet: Die im Regulativ angedeutete praktische Durchfühmng von Volksbildungsarbeiten durch die Ortsbil dungsräte schaltet weder die Tätigkeit der freien Volksbildung aus, noch ist eine parteipolitische Majorisierung zu befürchten, da sich die Tätigkeit der Orts bildungsräte lediglich auf die Vermittlung neutraler Bildung zu erstrecken haben wird. Die Zusicherung einer parteipolitisch nicht zu majorisierenden, vielmehr alle Kräfte aktivieren den Tätigkeit entspricht der Grundkonzeption des Regulativs, seinen Erläuterungen®® und den Zielvorstellungen Otto Glöckels von einer Volks bildung, „die nicht nur den materiellen, sondern auch den ethischen Aufschwung und Neuaufbau zu verbürgen imstande" ist®". Flingegen spricht aus dem Etikett,,Vermittlung neutraler Bildung durch die Ortsbildungsräte" ein inhaltlicher Normierungsgedanke aus der Sicht des Wiener Volkshochschulwesens, der bald durch das Vor dringen der „Neuen Richtung" relativiert wurde. Wie das Volksbildungsamt die bildungsvermit telnde Aufgabe der Ortsbildungsräte gesehen hat, die unter dem Etikett,,neutral" zusammen gefaßt ist, erläutern einige Beispiele: So wird es die Aufgabe der Ortsbildungsräte bei spielsweise sein, landwirtschaftliche Kurse, wissen schaftliche Vortragszyklen, literarische und musikali sche Veranstaltungen, Wanderausstellungen, Vorstel lungen von Wandertheatern usw. zu vermitteln, um durch volkspädagogische Kräftekonzentrierung den beteilig ten Kreisen umso mehr bieten zu können (Hervorhebungen vom Verfasser). Finanziell sollen die Ortsbildungsräte ,,nach Maßgabe der verfügbaren Mittel von Staat, Land und Gemeinde unterstützt werden". Das Sekre tariat des Landesbildungsrates könne allenfalls einer großen Vereinigung, z. B. dem Verband oder dem Oberösterreichischen Volksbildungs verein übertragen werden.®^ Insgesamt wird man die Antwort des Unterlichtsamtes als eine ausgewogene Interpretation des Regulativs würdigen dürfen, die die konkrete Situation in Oberösterreich zu berücksichtigen versucht. Die Leitvorstellungen Glöckels werden noch deutlicher; das Gespräch ist eingeleitet, es wird auf den kommenden Volksbildnertagun gen, deren erste 1920 in Braunau am Inn statt fand, auf breiterer Basis fortgesetzt werden®®. Erläuterungen zum Regulativ für die Organisation des Volksbildungswesens in Deutschösterreich, in: Volksbil dung, Jg. 1, Heft 1, S. 12. Otto Glöckel, Zum Geleit, in: Volksbildung, Jg. 1, Heft 1, S. 1. Wie Anm. 54. " a. O. " Rückblickend schreibt Depiny 1928 (loc. dt., vgl. Anm. 45, S. 321): ,,Die im Regulativ vorgesehene Zusammenfas sung der volksbildnerischen Kräfte in Form von Ortsbil dungsräten wurde versucht, erwies sich aber für die ober österreichischen Verhältnisse als ungeeignet. An die Stelle
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